Wale

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Mit gerade mal einer Handvoll Mixtape-Material sicherte sich Wale im Sommer 2008 bereits drei heißbegehrte Seiten in der JUICE. Den Hype um den jungen Mann aus Washington D.C. hielten haufenweise Features, Konzept-Mixtapes und Coverstorys stets auf einem annehmbaren Level. Doch statt hippen Justice-Adaptionen gibt es mittlerweile ehrliche Nummern wie etwa das im Netz kursierende “Bittersweet”, auf denen Wale über den pathetischen The Verve-Gassenhauer Tacheles spuckt. Darüber, dass auch das Leben als Rap-Nachwuchsstar mit Lady GaGa-Feature, Carter-Kumpanei und 10.Deep-Sponsoring nicht immer nur Ringelpiez mit Anfassen, sondern auch Struggle sein kann. Olubowale Akintimehin hat binnen Rekordzeit den Wandel vom hungrigen Sneaker-Freak zum stellenweise zu abgeklärten Conscious-Guy durchgemacht.

Du warst im letzten Jahr einer der ­Newcomer im Rap. Wie fühlt es sich an, jetzt endlich dein ­erstes Album “Attention Deficit” über ein ­Majorlabel rauszubringen?
Das ist ein irres Gefühl. Es ist etwas Besonderes, weil ich anders gestartet bin als andere Künstler. Ich bin auch jetzt noch nicht so bekannt wie zum Beispiel Asher Roth. Die Leute kennen mich vielleicht von der Lady GaGa-Single oder dem Feature mit Daniel ­Merriweather. Aber im Großen und Ganzen bin ich eher das nächste große Ding in der Rap-Szene. Ich bin gespannt, wie sich die Dinge entwickeln, wenn mein Album jetzt rauskommt.

Fühlst du so etwas wie Genugtuung, wenn Leute wie Asher Roth, Kid Cudi oder eben du selbst, die letztes Jahr noch als Gimmick- oder Hipster-Rapper abgetan wurden, nun real kommerziell erfolgreich sind?
Ich hab ja nie verstanden, was ein Hipster-Rapper ist. (lacht) Aber ich verstehe schon, was du meinst. Im Endeffekt denke ich einfach, dass wir noch da sind, weil wir gute Musik machen – und die setzt sich nun mal durch. Jeder von den eben Genannten spricht mit seinem Album für sich selbst. Und schon allein aus dem Grund hätten wir im letzten Jahr nicht in einen Topf geworfen werden sollen. Wir waren im letzten Jahr einfach zur selben Zeit am selben Ort und die heißesten Newcomer, die jetzt zeigen, wie frisch Rap noch klingen kann.

Eigentlich sollte “Attention Deficit” ja schon viel früher erscheinen. Du hast es dann noch mal verschoben, weil du auf Tour gehen wolltest.
Ganz genau. Ich bin jetzt schon das zweite Mal mit Jay-Z auf Tour. Er ist immer noch der beste Rapper da draußen und es ist ein große Ehre, mit ihm unterwegs zu sein. Und darüber hinaus ist es eine gute Möglichkeit, mich den Leuten vorzustellen. Wenn dich Jay in sein Vorprogramm aufnimmt, ist das ja wie eine Art Ritterschlag oder Qualitätssiegel. Insofern war es genau die richtige Entscheidung, das Album noch einmal zurückzustellen und mir erstmal einen Namen zu machen. Man kennt mich ja im Radio nicht wirklich. Du musst dich den Leuten zeigen, damit sie deine Musik kennen und Bock auf dein Zeug haben. Aber jetzt kann das Album kommen.

Bezieht sich der Titel darauf, dass man dich bis jetzt noch nicht auf dem Schirm hatte oder ­leidest du tatsächlich unter dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom?
Beides. Auf der einen Seite ist es mein Kampf dagegen, in einer reizüberfluteten Welt unterzugehen. Täglich kommt neue Musik heraus, und es ist einfach verdammt schwierig, sich heute als Künstler noch einen Namen zu machen und diesen auch zu behalten. Darauf spielt ja das Cover auch ein bisschen an. Der Junge sitzt dort vor einer Wand aus TV-Geräten, hat gleichzeitig noch seine Kopfhörer auf und weiß gar nicht, wo er zuerst hinhören oder -sehen soll. Das ist ein Symbol für den heutigen Konsumenten. Deswegen versuche ich, Musik zu machen, die die Leute verstehen, mit der sie sich identifizieren können. Die Qualität ist das Wichtigste. Auf der anderen Seite habe ich mit der Zeit auch gemerkt, dass das bei mir – auch in vielen anderen Lebensbereichen – mit der Aufmerksamkeit nicht anders ist. (lacht)

Wie äußert sich das denn?
Oh, das nervt ziemlich. (lacht) Ich glaube, ich konzentriere mich oft zu sehr auf negative Dinge und schenke dadurch wichtigen Dingen einfach nicht die notwendige Aufmerksamkeit. Warte mal kurz! (brüllt) Ey, könnt ihr nicht endlich mal diese verfickte Klimaanlage anmachen? Sorry, wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, beim ADS. (lacht) Passt ja ganz gut. Jedenfalls habe habe ich deswegen auch einen Haufen unfertige Songs herumfliegen, weil ich nach ein paar Zeilen immer denke, dass ich vielleicht doch mal ein anderes Thema angehen könnte. Das ist schon sehr anstrengend, aber Gott sei Dank nicht so schlimm, dass ich Medikamente dagegen einnehmen muss. Vielleicht macht mich das auch kreativer. Ich glaube, dass das vielen Künstlern so geht.

Du hast neulich gesagt, dass dein Album für “real people” sei. Was meinst du damit?
Als Kanye West sein erstes Album herausgebracht hat, konnten sich unglaublich viele Leute damit ­identifizieren. Da ging es nicht mehr um Kriminalität, Gangs und so was, sondern um Themen, die direkt aus dem Leben gegriffen sind.

Kannst du mir etwas über den Song “Shades” erzählen?
Oh ja, der Song ist großartig geworden und ­featuret Chrisette Michele. “Shades” handelt von ­Rassismus unter Schwarzen. Das ist ein Thema, das ich schon seit meiner Kindheit am eigenen Leib ­gespürt habe. Ich denke, dass noch niemand so ­darüber ­gesprochen hat und wollte das Ganze mal an die ­Öffentlichkeit bringen. Genau wie viele andere ­Themen, die man auf dem Album hören wird.

Was ist denn nun eigentlich mit diesem obskuren Rihanna-Feature auf “Contemplate”? Oder ist es nur ein Sample?
(lacht) Oh, das ist jetzt doch nur ein Sample geworden. Die Passagen kommen aus einem Song, den Jay-Z für Rihanna geschrieben und mit ihr aufgenommen hat. Ich hatte das Lied gehört und wollte unbedingt einen Verse dazu beisteuern. Also nahm ich meine Raps auf und zeigte Jay den Song. Er war sofort ein großer Fan, und jetzt ist es zwar ein Sample, aber im Endeffekt doch so, als wäre ich mit Rihanna auf einem Song.

Wie kommt es eigentlich, dass du so viele weibliche Gesangsparts auf “Attention Deficit” hast?
Frauen können Gefühle einfach viel besser rüberbringen. Männer können das meist nicht so gut. Sie versuchen sich zu verstellen, weil sie einem gewissen männlichen Idealbild entsprechen wollen. Frauen fällt das leichter – und auf meinem Album geht es nun mal um Gefühle.

Kann Lady GaGa denn auch gut Gefühle ­rüberbringen?
(lacht) Schon, auch wenn es bei ihr eher um Party geht. “Chillin’” war die erste Single, die wir in den großen Medien platzieren konnten. Sie lief international im Radio und zum Teil auch im Musikfernsehen. Aber ich weiß nicht, ob die Leute, die mich über das Feature mit Lady GaGa kennen gelernt haben, auch mein Album kaufen werden. Jemand, der mich nur wegen dem Song kennt, wird mit meinem Album wohl eher nicht so viel anfangen können. Es war ein sehr spaßiger Song, während es auf dem Album doch eher um ernste Themen geht. Insofern bin ich durch den Song mit Lady GaGa sicherlich bekannter geworden, ob er die Verkäufe ankurbelt, wage ich aber zu bezweifeln.

Du bist durch überraschende Mashups mit ­Justice oder The Verve-Instrumentals bekannt geworden. So etwas kann man im Rahmen eines Albums nur schwer realisieren.
Nein, solche Spielereien hebe ich mir für Mixtapes auf. (lacht) Aber ich muss so was auch weiterhin machen. “Attention Deficit” ist vom Sound her doch etwas reifer ausgefallen. Das Album ist sehr persönlich, und so klingt es auch. Ich wollte die Lyrics in den Vordergrund rücken und daher keine pompösen Beats oder ­populäre Samples verwenden.

Im letzten Interview mit meinem Kollegen ­Alexis Slama hast du erzählt, dass du, obwohl du schon einen Namen in der Szene hast, immer noch keine richtige Kohle verdienst. Hat sich das ­mittlerweile geändert?
Schon ein wenig. Aber ich habe gemerkt, dass Geld auch gar nicht so wichtig ist. Ich habe keinen Bock, mich davon kontrollieren zu lassen. Die meiste Kohle, die ich verdiene, investiere ich direkt wieder in meine Musik und drehe damit ein gutes Video oder so.

Aber für ein gutes Paar Sneaker gibst du schon noch einiges aus, oder?
Um ehrlich zu sein, habe ich diese Leidenschaft ein bisschen verloren. Mir ging dieser Wettbewerb um die hipsten und tollsten Modelle und die rarsten Limitierungen irgendwann einfach auf den Sack. Das ist ein bisschen so wie mit HipHop. (lacht)

Text: Jan Wehn


Official Wale „Nike Boots“ video (Directed by Chris Robinson)

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