Alexander Spit: »Das Album ist ein Trip, auf dem ich mein Bewusstsein erweitert habe und zu wichtigen Selbsterkenntnissen gekommen bin« /Interview]

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Alexander Manzanos Künstlername klingt, als wäre er spontan bei seiner ersten Lunch-Time-Cypher entstanden. Dass sich dahinter ein multitalentierter Avantgardist verbirgt, zeigt sich erst auf den zweiten Blick. Egal ob Lyrics, Beats, Artwork oder Marketing – Alexander Spit führt seinen eigenen Dirigentenstab und hat sich die kreative Progression zur Lebensaufgabe gemacht. Dabei kam im vergangenen Jahr nicht weniger raus als das Beat Tape »Mansions 2«, das als kleiner Bruder von »Donuts« durchgeht, sowie die Retail-LPs »A Breathtaking Trip to the Otherside« und »Dillinger«. Auf erfrischende Weise füllte Spit darin eine spukhaft-drogige Atmosphäre mit Antihelden-Tales, psychedelischen Synths und irritierenden Songstrukturen. 2014 will der 26-Jährige seine surreale Welt weiter ausbauen. Aber fangen wir doch mal bei der näheren Vergangenheit an.

Du bezeichnest deine neue LP »Dillinger« als »album made under the gun«. Was meinst du damit?
Als ich an dem Album gearbeitet habe, war ich einem enormen Druck von allen Seiten ausgesetzt, sei es aufgrund finanzieller Probleme oder Beziehungsstress. Gleichzeitig habe ich mir selbst unglaublichen Druck gemacht: »Dillinger« war mein drittes Projekt im letzten Jahr und ich wollte ­unbedingt beweisen, dass ich mich mit ­jedem Release verbessern kann. Aber dieser Eigendruck hat mir auch sehr geholfen. Ich wäre sonst nicht mit so viel Eifer an das Album herangegangen.

Ist das auch der Grund, warum du das Album »Dillinger« genannt hast? Schließlich lebte John Dillinger auch mit dem Abzug am Kopf.
Man kann es durchaus so interpretieren. Die Idee, das Album »Dillinger« zu nennen, war aber aber eigentlich eine andere. John Dillinger war ein berüchtigter Bankräuber zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise 1929. Er hat das Kriminalwesen revolutioniert und gezeigt, dass man am besten überlebt, wenn man Regeln bricht. Dieser Gedanke hat das Artwork und alle Songkonzepte geprägt. Das Album ist also auch deswegen »made under the gun«, weil ich mich den Standarderwartungen unserer Gesellschaft entgegenstelle. Die Gesellschaft will, dass du dein Leben nach dem Lehrbuch gestaltest: Mach Karriere, gründe eine Familie, verdiene viel Geld. Mein Album steht diesen Erwartungen entgegen. Ich halte mich an keine Vorschriften, sondern gehe meinen eigenen Weg. Das Album ist meine Version von »How to make it in America«.

»Dillinger« wirkt für mich kohärenter, energetischer, jazziger und härter als dein erstes Solo-Album »A Breathtaking Trip To The Other Side«. Wie siehst du die Unterschiede?
»A Breathtaking Trip« zeigt mich fern von der Zivilisation, gestrandet in der Wüste. In der Wüste brauche ich mich nicht zurückzuhalten. Ich kann halluzinogene Drogen nehmen, mir das Shirt vom Leib reißen und mit der Knarre in die Luft schießen. Das Album ist ein Trip, auf dem ich mein Bewusstsein erweitert habe und zu wichtigen Selbsterkenntnissen gekommen bin. Auf »Dillinger« bin ich aus der Wüste heimgekehrt. Hier versuche ich, mich durch die Gesellschaft zu dirigieren, nachdem ich all diese trans­zendenten Erfahrungen gemacht habe. Deswegen habe ich mit dem Album auch versucht, selbst die abstraktesten Ideen für den Durchschnittstypen verständlich zu machen. Ich habe mich gefragt: Wie bringe ich meine Epiphanien einer Person näher, die einfach nur tanzen möchte? Deswegen wollte ich das Album etwas spaßiger werden lassen als das letzte. Es gibt darauf zwar auch einige sehr introspektive Momente, aber insgesamt klingt es positiver.

Glaubst du denn, dass auch Leute, die ohne Drogen auskommen, richtigen Zugang zu deiner Musik finden können?
Ja, denn es gibt genug Leute, die keine Drogen nehmen und denken wie ich. Ich bin auch nur einer von unzähligen Künstlern, die mit Drogen experimentieren. In erster Linie bin ich aber auch einfach stark von psychedelischer, progressiver Musik beeinflusst. Musik, die du dir mit deinen Kopfhörern anhörst und dann in eine andere Welt versinkst. Das Etikett des Drogen-Rappers haben mir andere aufgeklebt.

Das wolltest du wohl auch mit dem Twitter-Post klarstellen, in dem du gesagt hast, dass es lahm sei, deine Musik als »trippy« zu bezeichnen?
Ja, ich habe nichts gegen »trippy«, aber darauf sollte man mich nicht reduzieren. Ich habe beispielsweise einen Song, in dem ich die Furcht thematisiere, wegen einer ernsten Beziehung seinen Party-Lifestyle aufzugeben oder Rückschritte in seiner Karriere in Kauf nehmen zu müssen. Und dann kommt jemand daher und sagt: »Hier ist ein neuer trippy Rap-Song.« Das wird dem Song nicht gerecht. Viele haben wohl noch gar nicht begriffen, worüber ich rappe und wofür ich stehe.

Auf der Website thehundreads.com hast du im November 2013 eine eigene Blogserie gestartet. In der ersten Ausgabe hast du geschrieben, dass du nach einer Kreativblockade von zwei bis drei Monaten langsam anfängst neue Musik zu machen. Wie kommst du aus so einer Blockade heraus?
Das kann so viele Gründe haben. Zum Beispiel wirft mir einer meiner Freunde vor, dass ich nichts gebacken kriege oder es kommen inspirierende Alben oder Filme heraus. Ich habe jedenfalls herausgefunden, dass diese unproduktive Zeit ein fester Teil meines Arbeitsprozesses ist und zwingend notwendig, um neue Inspirationen zu bekommen. In diesen zwei bis drei Monaten nehme ich das Leben wie ein Schwamm auf und unternehme viel. Die Ironie dahinter ist nur, dass ich in diesem Zeitraum nicht besonders glücklich bin. Ich fühle mich verloren, wenn ich keine Ideen habe, die ich kreativ umsetzten kann. Ich bin dann wirklich furchtbar launisch und von Selbstzweifeln geplagt. Aber dann kommt plötzlich der Moment, in dem ich wieder klarkomme. Dann ziehe ich mich zurück in mein Homestudio und schaffe etwas, von dem ich total überzeugt bin. Es ist echt verrückt.

Ein Thema in deinem ersten Blogpost ist dein Homestudio. Und auch auf Bildern oder in Musikvideos begegnet man deinem Arbeitsplatz immer wieder. Ich glaube, du bist der erste Rapper, der daraus eine Art Marke gemacht hat. War das eine bewusste Stilisierung?
Ich finde cool, dass dir das aufgefallen ist, aber ehrlich gesagt wollte ich einfach authentisch sein. Ich wollte den Hörern ­zeigen, in welchem kleinen Homestudio meine Musik entsteht. Die Leute wissen jetzt, dass die Tracks in einem Schlafzimmer mit beschissener Akustik gemastert wurden. (lacht) Ich möchte zeigen, dass man auch Großes aus dem Nichts entstehen lassen kann. Man braucht kein krasses Equipment. Und ganz davon abgesehen mag ich auch einfach, wie mein Zimmer aussieht. Es passt ganz gut zum Vibe der Musik.

Neben deinen Rap-Alben bringst du mit deiner »Mansions«-Reihe auch Beat-Tapes heraus. Wie entsteht so ein Beat-Tape eigentlich?
Immer wenn ich Musik mache, vergesse ich alles um mich herum. Ich esse furchtbaren Fraß und rauche Kette. Mein Studio wird zu einem totalen Dreckshaufen, sogar die einzelnen Tasten und Pads kleben aneinander. (lacht) Gleichzeitig kann es aber passieren, dass ich einen 4-Bar-Loop nach dem anderen heraushaue. Nach einigen Stunden habe ich dann 80 Beat-Skizzen, die alle nur fünf Sekunden lang sind. Davon suche ich dann die besten heraus und entwickle sie zu ein­minütigen Beats weiter. Am Ende stehe ich da mit 20 Tracks, die zusammen ein stimmiges Tape ergeben.

Wie entscheidest du, ob sich ein Beat für ein Beat-Tape oder ein Rap-Album eignet?
Ich bin echt ein komischer Vogel. Viele der Sachen, auf denen ich rappe, würden andere Leute als Beats bezeichnen. Das Beat-Tape »Mansions 2« war dagegen voll mit klassischen Rap-Instrumentals. Ich ticke da irgendwie total anders. Das liegt wohl daran, dass ich den Hörer überraschen will. Für meine Alben wähle ich deshalb gerne Beats, die so klingen, als hätte noch nie jemand darauf gerappt.

Du hast angekündigt, dass du bereits am nächsten Projekt arbeitest. Wird ein neuer »Mansions«-Teil dabei herumkommen?
Ich weiß, dass es derzeit so wirkt, als hätte ich eine feste Release-Strategie, die darin besteht, Alben und Beat-Tapes im Wechsel herauszubringen. Aber ich schaue einfach, wo mich meine Kreativität hinführt. Am Ende entscheidet mein Bauchgefühl.

Text: Gordon Wüllner

Dieser Artikel ist erschienen in JUICE #157 (hier versandkostenfrei nachbestellen).

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