KMN Gang: »Wir dachten damals echt, wir wären die Kings.« // Feature

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Ghetto Stars waren die beste Rapcrew aus Dresden – hätte man sie damals gefragt, sogar der Welt. Man sollte ihnen die »Nikez« küssen. Diese frühpubertären Allmachts­fantasien eines gewissen Ali aus Dresden und seines Umfelds unter einem Namen, der die übelste ­Ausgeburt der Aggro-Ära vermuten lässt, sollten sich noch bewahrheiten. 2016 nennt Ali sich in Nash um, seine langjährigen Freunde Zuna und Azet haben viel ­beachtete ­Projekte auf Deutschrap losgelassen und zusammen bilden sie die Gruppe KMN. Noch nie haben Rapper aus dem ostdeutschen Raum so sehr polarisiert.

In den Erzählungen von KMN wird der Straßenrap-Narrativ zwar nicht neu, aber anders aufgerollt. Denn seien wir mal ehrlich: Wer beschäftigt sich schon mit den Problemen Dresdens abseits rechtsmotivierter Straftaten? Dazu kommen Gefühlslagen zwischen Arroganz, Verzweiflung und Wut, die sich in Singsang entladen. Das Credo scheint Melodie vor Gerumpel, On-Pointness vor Silbenzählerpingeligkeit. Trenderschein­ungen wie Afrobeat und von Dancehall inspirierte Ibiza-Rhythmik werden genauso aufgegriffen wie der momentane Status quo im französischen Rap. Doch woher kamen sie: Plötzlich millionenfach geklickt und mit 385i-Connection im Rücken? Für eine Antwort muss man KMN in Dresden besuchen.

»Fuck The Police«

»Knast ist wie Urlaub«, ist einer der ersten Sätze von Ali, nachdem wir in einen Sportwagen gestiegen sind und durch die Dresdner Innenstadt rasen. Gelächter von allen Seiten. Kurz darauf wird er die Aussage relativieren und davon erzählen, dass niemand gerne in der Zelle versauert, man aber zumindest seine Ruhe hat. »Und ein Handy hat da eh jeder, um mit den Jungs in Kontakt zu bleiben.« KMN konnten auch deswegen erst 2016 ihre Kräfte bündeln, weil zwei Drittel der Belegschaft immer wieder in den fremdbestimmten Urlaub mussten. Später sprechen Azet und Ali von ihrer Enttäuschung vom Staat. Ihrer Meinung nach habe die Staatsanwaltschaft entlastende Beweise für sie unterschlagen. Nur ihr Anwalt konnte sie vor langjährigen Haftstrafen bewahren.

Die Straßenstorys auf den KMN-Releases kommen nicht von ungefähr. Auch in Dresden gibt es marginalisierte Viertel, in denen Armut und Arbeitslosigkeit dominieren. In Prohlis am Rande der Stadt wuchern Plattenbauten aus der DDR-Zeit. Sie waren die Kulisse der Kindheit von Azet und Ali. Beide lernten sich in der Grundschule kennen. Alis Eltern kamen aus dem vom Krieg gebeutelten Irak, Azet aus dem Kosovo in die sächsische Landeshauptstadt. Heute ist Prohlis ein Ort, an dem man die Ausbreitung der Droge Crystal Meth beobachten kann. »Wenn es Anfang des Monats Sozialhilfe gibt, kommen Menschen aus ihren Löchern, die sich sonst verkriechen, C ballern und Scheiße fressen«, sagt Azet, der immer noch in Prohlis lebt.

Als wir auf einem Parkdeck über dem größten Einkaufszentrum des Viertels zum Stehen kommen, ist davon nichts zu sehen. Wir sind umringt von Betonkolossen mit einigen traurig wehenden Deutschlandflaggen an den Balkonen. Es ist Fußball­europameisterschaft, »aber die Leute sind wegen Pegida vorsichtig geworden: Flaggen raushängen kann man falsch verstehen«, sagt Azet. Auf besagtem Parkdeck entstand 2015 das Video zu »Fuck The Police« von Zuna und ihm. Der Clip polarisierte durch Rumgeballer mit Schnellfeuerwaffen. Auch wenn die martialischen Gesten überzogen schienen, war es der erste Achtungserfolg des KMN-Camps. Zum ersten Mal wurden sie deutschlandweit wahrgenommen. Schon da machte sich der Bruch mit der Straßenrapschablone bemerkbar. Ohnehin müsse man über alles, was vor »Planet Zuna«, seinem Debütalbum von 2015, rauskam, gar nicht sprechen, meint er. Erst mit den beiden 2016er EPs »Richtung Paradies« von ihm und »Fast Life« von Azet habe der KMN-Sound ein Level erreicht, das den eigenen Ansprüchen gerecht wird. Doch die Geschichte der Gruppe reicht weiter zurück. Der Grundstein wurde vor knapp einem Jahrzehnt gelegt.

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