(facebook.com/chimaedemusic)
»Viele haben nicht begriffen, dass der Weg zur Freiheit die Liebe ist und nicht Hass«, verriet uns Chima Ede im JUICE-Interview über die Emotionalität seiner »Lebenslust«-EP. Auch auf »2023« bleibt der 23-Jährige poetisch, musikalisch und in erster Linie: entwaffnend ehrlich. »Perspektive nur durch Vater/Endorphine nur noch durch das Glas/Ich fühle mich oft versagend, ohne Klarsicht«, resümiert der Halbwaise bereits im Opener. Selbstzweifel, Zukunftsängste, große Ziele – Chima ist ein Produkt der Generation Y. Doch er analysiert sich nicht bloß als Opfer, er ist auch Täter. Auf Chill-House-Andeutungen, Trillwave-Zitaten und Ambient-Bap bleibt Platz für Arroganz-Anthems. Die aggressive A$AP-Anleihe »Lila Wolken« beweist konfliktbereite Cypher-Routine und die Schmuddelecken-Synkope »Real« im Kreis von Mauli, Holy Modee und Marvin Game fasst den Status Quo im Punchlinerap 2016 zusammen. Melodische Singsang-Parts wechseln sich ab mit messerscharfen Mic-Skills. Delikte werden zu Demut, Schmerz wird zu Sprache, Frust wird Ehrgeiz: »Hätt’ ich eine Wahl zwischen euch und einsam/Mach ich’s doch im Alleingang«. Chima ist conscious, aber kein Klugscheißer. »Alle quatschen, dass letztlich die Hoffnung nie groß ist/Scheiß auf hustlen, steckt alles in Lotterielose«, metaphorisiert er die ungerechte Ironie des kapitalistischen Schicksals. Doch im Scheitern warten Chancen. »2023« ist weder Jahr noch Tag, sondern ein Ort, an dem Sehnsucht und Sorgen zusammenlaufen – und eine EP, die sprichwörtliche Zukunftsmusik ist.
Text: Fionn Birr