Stille. Etwas verloren scheppert ein einzelnes Tamburin. Ein marschähnlicher Drumloop setzt ein, wird schneller, immer schneller. Dann beginnt eine aufgekratzte Stimme zu rappen und flowt drei Minuten ohne Pause über das minimalistische Drumkonstrukt. Erst mal sacken lassen, diesen Opener und Titeltrack des zweiten Albums vom Melbourner Rapper Remi, der hierzulande noch ein unbeschriebenes Blatt ist. Das könnte sich mit dem neuen Werk ändern. Denn statt auf derzeitige Hypes aufzuspringen, kreiert er etwas ganz Eigenes. Und so verzichtet man auf dem von Sensible J & Dutch produzierten Langspieler auf monumentale Melodien oder rollende HiHats. Stattdessen kommen die Instrumentale sehr perkussiv und minimal daher und sorgen für eine angenehm dreckige Ästhetik. Die passende Untermalung für die kritischen Texte des Rappers bieten sie allemal. Der thematisiert den täglichen Struggle in der Großstadt samt unterbezahlte Brotjobs, gierigen Arbeitgebern und dem allgegenwärtigen Rassismus gegenüber Immigranten. Durch die grimmige Erzählweise, gepaart mit den teilweise schwer greifbaren Beats, bewegen sich viele Tracks auf »Raw X Infinity« nahe an der Grenze zum Anstrengenden. Doch immer dann, wenn man mit den Gedanken abzudriften droht, wandelt sich das Soundbild. Entspannte Melodien lassen die eben noch so trübe Stimmung plötzlich in Luft aufgehen. Dazu berichtet ein entspannter Remi dann nach etwas illegalem Grün und der einen oder anderen bunten Pille von den schönen Dingen im Leben (»XTC Party // H.O.B.«) und zeigt, dass auch er genießen kann. Auch wenn diese Euphorie nur von kurzer Dauer ist, sorgen eben diese vereinzelten optimistischen Momente für die nötige Abwechslung und machen dieses Album entscheidend zugänglicher. Um mit »Raw X Infinity« warm zu werden braucht es zwar einige Durchläufe, danach hat man mit dieser Platte jedoch ziemlichen Spaß. Interessant und anders, das alles.
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