(Rattos Locos/Groove Attack)
Als vor einiger Zeit mit dem Song »Immigranten« der erste Vorbote für das neue Album »Land in Sicht« von Nate57 erschien, gingen die Meinungen auseinander. Die einen freuten sich darüber, dass Nate es nach wie vor versteht, die hiesigen sozialen Missstände explizit auf drei Minuten zu verdichten. Die anderen einigten sich vornehmlich auf »das Thema ist jetzt aber auch langsam mal durch«. Wer traurigerweise bisher wirklich der Meinung war, dass Alltagsrassismus in Deutschland kein Thema mehr sei, dem sollten spätestens die aktuellen Ereignisse in Berlin-Hellersdorf oder Hamburg-Altona schmerzhaft das Gegenteil vor Augen führen. Umso wichtiger ist es, dass es Rapper wie Nate gibt, die nicht müde werden, auf die offensichtlichen Probleme in diesem Land hinzuweisen und den Finger in die Wunde zu legen. Während andere Rapper die Straße scheinbar nur noch aus dem Inneren eines Porsche Panamera beobachten, nimmt uns Nate auf »Land in Sicht« mit auf eine ungeschönte Tour durch sein Viertel und in die Köpfe der dortigen Bewohner – im Jahr 2013 leider fast ein Alleinstellungsmerkmal im ursprünglich aus politischer Motivation entstandenen Rap. Natürlich bietet »Land in Sicht« neben explizit sozialkritischen Tracks auch klassische Representer und Songs zum Abgehen. Seine wirkliche Stärke offenbart das Album jedoch, wenn der Rattos-Locos-Rapper neue Wege beschreitet. Auf Tracks wie »Labyrinth« oder dem atmosphärischen »Fatamorgana« entführt Nate seine Hörer mit Hilfe scharf gezeichneter Metaphern an dunkle, unbekannte Orte und verlagert so alltägliche Geschichten an tausende Kilometer entfernte Schauplätze. Damit verleiht er seinen Aussagen noch mehr Kraft. Wie vom Hause Rattos Locos gewohnt, ist sowohl die Gästeliste als auch der Kreis der Produzenten sehr klein und vor allem vertraut gehalten. So ist »Land in Sicht« erneut ein homogenes, gleichzeitig jedoch musikalisch wie inhaltlich abwechslungsreiches Album, das gerade aufgrund seiner Zeitlosigkeit aktueller ist, als es wahrscheinlich manchen Menschen lieb ist.
Patrick Lublow