(Bendo LLC / Warner)
»Gemini« läuft noch keine Minute, bis zum ersten Mal die Frage im Raum steht, wieso Ryan Lewis dieses Album nicht produzieren durfte. Das Klavier: erbaulich. Die Hook: große Geste. Macklemore: triumphal, selbstsicher, aber nie unhöflich. Diese Eckpfeiler entwickelte das Tag Team Haggerty/Lewis auf seinen beiden gemeinsamen Alben. Sie waren es jedoch auch, die »This Unruly Mess I’ve Made« im vergangenen Jahr bei allen Hits träge wirken ließen, unentschlossen zwischen politischem Statement, unbekümmerten Singles und musikalischer Entwicklung. Vollkommen verkehrt ist es also nicht, die kreative Partnerschaft ruhen zu lassen und freigespielt nach Alternativen zu suchen. Das Problem ist dabei der Plural: Macklemore möchte sich auf seinem ersten Soloprojekt in zwölf Jahren partout nicht festlegen. Trademarksound und Experiment, Melancholie und Kinderei, alles soll auf diesem Album stattfinden, das nicht nur deutlich zu lang ausfällt, sondern unter dämlichen Anfängerfehlern leidet. Kommt »Gemini« in Fahrt, legt es sich gerade in der ersten Hälfte immer wieder Stolpersteine in den Weg. Am Ende offeriert es drei Balladen als emotionales Finale, und obwohl einige Gäste Frische (Lil Yachty in »Marmalade«) und andere eine unerwartete Eindringlichkeit (Kesha in »Good Old Days«) mitbringen, wirkt ein Großteil der Features schlicht austauschbar. Gegen eben diese ihm ohnehin seit Längerem drohende Top-40-Raop-Gesichtslosigkeit kämpft der Seattle Native nun auf manchen Tracks offensiv an, mit wechselndem Erfolg: »Ten Million« ist ein ebenso verschrobener wie breitbeiniger Trap-Banger, »How To Play The Flute« arbeitet sich ein wenig zu offensichtlich am Flötenbeat-Trend ab, punktet aber mit einer überdrehten Nieser-Hook, während »Firebreather« weder dem zitierten Red-Hot-Chili-Peppers-Funk noch Blues-Rock ganz gerecht wird. Katastrophal endet keiner dieser Versuche, solides Material wie »Glorious« sowieso nicht, aber genau diese unverbindliche Harmlosigkeit ist das größte Versäumnis einer Platte, auf der Macklemore keine Ficks hätte geben dürfen.
Text: Sebastian Berlich