Lil B – I’m Gay

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Nichts zieht in der HipHop-Community mehr dumm-ignorante Kommentare einfältiger Internet-Hater als ein vermeintliches (oder tatsächliches) Bekenntnis zur Homosexualität. Ja, das kommt auch 2011 wenig überraschend. Trotzdem war es erschreckend, welche Reaktionen dieser Brandon McCartney bekam, als er den Titel seines neuen Albums »I’m Gay« verlauten ließ. Das obligatorische »No Homo« in den Texten vieler Rapper ist eine Sache, das Verteilen anonymer Todesdrohungen per Twitter hat eine ganz andere Qualität.

Lil B störte das natürlich nicht im Geringsten. Auch die Zweifel an seiner Tauglichkeit als Botschafter für sexuelle Gleichstellung perlten an ihm ab, wie es sich für den Based God gehört. Es gab ja auch kein Major-Label, das ihm seine Veröffentlichung in bester Nas-Manier austreiben konnte. Lil B ist eben ein Internet-Phänomen im besten Sinne. Künstlerische Kompromisse? Release-Dates? Promo-Konventionen? In seinem Universum ist as alles Schnee von gestern. Twitter und Tumblr, mehr braucht ein 2.0-Star eben nicht.

In diesem Sinne passt es natürlich auch perfekt ins Bild, dass »I’m Gay« komplett ohne Vorwarnung im Internet landete. Mit den Worten »Lil B „IM GAY“ BUY NOW ON ITUNES ONLY! HISTORICAL PROJECT!« postete Lil B den Download-Link auf seinem Twitter-Account während seine Follower im Tiefschlaf von einer besseren Welt unter Führung ihres persönlichen Idols träumten. Während die Musikindustrie sich mit ihren überalterten Mechanismen noch vergeblich auf die Suche nach den bösen Leakern macht, hat Lil B die Lösung bereits gefunden: Gebe kein Release-Date bekannt, lass keine CDs pressen, versende keine Promos. Mach einfach und warte darauf, dass deine treuen Anhänger im Paul Wall-schen Sinne Nüsse gehen. Fertig ist der Social Network-Hype.

Lil B – Trapped In Prison by Hypetrak

Lil B ist »gay«. So weit so gut. Aber spiegelt sich der Titel des Albums, der schnell zum Pop-Politikum wurde, auch in seiner Musik wieder? Nein. Zumindest erwähnt der Based God an keiner Stelle seine sexuelle Orientierung. Der Bezug zum Titel lässt sich höchstens über die fast vergessene, ursprüngliche Bedeutung des Wortes herstellen. Der Untertitel (»I’m happy«) deutet es bereits an. Eigentlich steht »gay« schlicht und ergreifend für lustig, fröhlich und bunt. In Verbindung mit dem Artwork – eine Reminissenz an den Maler Ernie Barnes und dessen Bild »The Sugar Shack« – lässt sich trotzdem rekonstruieren, was der Based God uns hier mitteilen will. Von der Marvin Gaye- und Camp Lo-Hommage einmal abgesehen.

Das Artwork ist in drei Teile unterteilt. Das erste zeigt gefesselte, versklavte Afroamerikaner. Im zweiten Schritt sind die ursprünglichen Fesseln verschwunden. Von den Barrieren in ihrem Kopf werden die beiden, in Gangster-Montur gekleideten Männer trotzdem vom Tanzen abgehalten. Das letzte Drittel zeigt hingegen ausschließlich glückliche, tanzende Menschen. Blumen säumen den Boden und nichts steht der geistigen Freiheit im Weg. Oberhalb der ekstatischen Menge steht ein Mann in engen Hosen und türkisblauem T-Shirt.

Dieser Mann ist selbstverständlich Lil B selbst. Bereits seit einiger Zeit inszeniert er sich auf Twitter und mit Hilfe seiner zahlreichen Alben als Jesus-ähnlicher Erlöser, der seine kruden, esoterischen Weisheiten mit den Möglichkeiten des Internets verbreitet. Dieses Selbstverständnis dominiert auch »I’m Gay«. Sofern man überhaupt versteht, wovon McCartney redet, predigt er von allen guten Geistern verlassen von einer besseren Welt und fordert die Hörer dazu auf, endlich alle mentalen Ketten abzulegen und gemeinsam im Based God-Sinne »gay« zu werden. Die musikalische Untermalung verzichtet interessanterweise komplett auf minimalistische Billig-Beats und epische Ambient-Instrumentals der Marke Clams Casino. An Stelle dessen tritt der klassische Sample-Sound, der bereits auf »Illusions of Grandeur« den Ton vorgab.

Selbstverständlich bedeutet dieses Album – es ist übrigens auch nach herkömmlichen Qualitätsstandards ein Gutes – nicht das Ende der Homophobie im HipHop. Der König des »Weirdo Rap« ist und bleibt der Based God umso mehr. Wir jedenfalls schreien laut »Swag!« und überlegen es uns nochmal mit den Skinny Jeans und dem rosa Shirt.

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