Das Telefon klingelt. Am anderen Ende der Leitung meldet sich eine tiefe Stimme und empfiehlt mir den Frankfurter Rapper Azrael. Insbesondere dessen neues Musikvideo zu »Authentisch Ausländisch« solle ich mir ansehen. Ich fühle mich leicht bedrängt, verspreche aber, mir das angepriesene Video zu Gemüte zu führen. Und werde positiv überrascht.
»Authentisch Ausländisch« ist allein technisch ein astreines Stück Deutschrap der härterten Gangart. Inhaltlich werden ein paar Drogenstories angeschnitten, ein wenig Gesellschaftskritik geübt und jede Menge aggressive Ansagen gemacht. Das Video zeigt den recht angepisst wirkenden 19-Jährigen in einer zugesprühten Industriebrache. Ziemlich Straße, das Ganze. Wenige Wochen später veröffentlicht Azrael ein neues Video, das meine Erwartungen überraschend ins Leere laufen lässt: »Nicht mein Tag« klingt zwar auch aggressiv, ist im Grunde aber ein entwaffnend ehrlicher Seelenstriptease. Visuell wird die Rap-Selbsttherapie diesmal im Wald inszeniert. Keine Straße, nirgendwo.
»Darauf kann man mich auch nicht reduzieren. Wer ist schon 24 Stunden am Tag Straße? Jeder Mensch schlüpft doch immer wieder in ganz unterschiedliche Rollen«, erklärt mir Azrael wenige Wochen später, als er das erste Mal in Sachen Rap die Medienwelt von Berlin besucht. Zurecht hat er ein Problem mit meinem unbewussten Schubladendenken: »Ich bin ein sehr facettenreicher Mensch und habe bei weitem noch nicht alle Seiten von mir gezeigt. In Zukunft werdet ihr die noch zu sehen und hören bekommen.« Der 19-Jährige ist keiner jener Rapper, die fünf Alben brauchen, um sich an persönliche Tracks heranzuwagen und auch keiner, dessen ganzes Schaffen gleich klingt. Azrael ist zudem nicht die Art von Mensch, die mit großen Namen von Vorbildern um sich wirft: »Die Leute sollen meine Musik hören und sich selbst ein Bild von mir machen. Ich möchte auch nicht wie jemand anderes klingen, sondern mein eigenes Ding starten.« Und die Technik? »Übung macht den Meister. Ich habe auf viele Dinge verzichtet und einiges vernachlässigt, um der Rapper zu werden, der ich heute bin. Seitdem ich 14 bin, schreibe ich ununterbrochen Texte.«
Das hört man mehr als deutlich: Azrael verkörpert den Inbegriff von »jung und hungrig« – genau so sollte es klingen, wenn sich ein kaum Erwachsener den Frust von der Seele rappt. Für 2014 plant er Großes: zuerst ein Solo-Album, dann eine Kollaboration mit Jellas, einem Freund aus Kindertagen. Außerdem ist ein Projekt mit westafrikanischen Künstlern in der Mache, und dann wäre da noch ein rappender Cousin in England. Über Gespräche mit Musikfirmen will – oder darf?! – man leider noch nicht reden. Dass wir von diesem jungen Herrn in naher Zukunft aber noch öfter hören werden, scheint ziemlich gewiss. Und darauf darf man sich getrost freuen.
Text: David Molke
Dieser Artikel ist erschienen in JUICE #157 (hier versandkostenfrei nachbestellen).
[…] …und zur Feier von 100.00 fb-Likes haut die JUICE Ausgabe 157 komplett online raus, unter anderem mit meinem HipHope zu Azrael. […]