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Es ist der Gegensatz eines handschriftlichen Dokuments auf der multimedialen Oberfläche dieses monströsen Social-Media-Profils, die Unvereinbarkeit aus Religion und aufreizend beworbener Bademode und auch der gefühlte Kontrast zwischen dem so oft kontrovers diskutierten Kanye West und Jesus Christus, der für eine schwer greifbare Faszination sorgt. Dabei zeigte sich im Leben und der Kunst von Yeezus seit jeher eine starke Auseinandersetzung mit dem Thema Religion – Zeit für einen Blick in die Vergangenheit.
»Jesus Walks« – Gospelchöre und Kopfkrieg
Ein Grammy in der Kategorie bester Rap-Song, Goldstatus und vier Videoauskopplungen. Der Track »Jesus Walks« öffnete die Türen zur Kirche des Erfolgs und führte den Jungen aus Chicago mit seinem Debutalbum »College Dropout« an den Rap-Altar, von dem aus er noch heute zu uns predigt. Der von Mr. West selbstproduzierte Track vereinte Pop- und Rap-Elemente mit der bereits im Titel proklamierten religiösen Färbung des Songs. Das Gospel-Sample von Curtis Lundy (»Walk With Me«) ließ Kanye dabei vom ARC-Chor (Addicts Rehabilitation Center Choir) einsingen, eine Entscheidung mit der West die christliche Message des Songs unterstrich: »hustlers, killers, murderers, drug dealers, even the scrippers (Jesus walks for them)«. Auch die Dropout-Single »Two Words« zeigte durch den Gesang des »Harlem Boy Choir« eben dieses gospellastige Soundbild.
Doch wer Kanye kennt, der weiß, wie schnell er seine selbstgebauten Paläste (bzw. Kirchen) niederbrennt. In der zweiten Version des Musikvideos zu »Jesus Walks« ließ Ye ein Kreuz von einem Mann mit Ku-Klux-Klan-Kaputze aufstellen, später brennt es. Gefragt nach eben dieser ambivalenten Inszenierung christlicher Motive, entgegnete Kanye damals:
»I don’t wanna fuckin’ be Christ-like. I want to be me-like«.
Kanye ging es nie um die christliche Religion, sondern um die Auseinandersetzung mit sich selbst, was diese unvergessene Line aus dem Song »Jesus Walks« unterstreicht: »We at war/ We at war with terrorism, racism/ But most of all we at war with ourselves«. Der Kampf mit sich selbst brachte Kanye bereits in seinen Anfängen musikalisch zu der Auseinandersetzung mit der eigenen Spiritualität, wofür er Gospel-Einflüsse und Glaubenssymbole seiner Jugend nutzte (und anzündete). Oder wie Kanye es ausdrückte: »I made Jesus Walks, I’m never going to hell«.
»No Church In Wild« – die Ablehnung religiöser Dogmatismen
»Watch The Throne« war als Album die Symbiose der Auflehnung gegen etablierte Mächte und zugleich die Proklamierung des eigenen Machtanspruchs. Bereits Frank Oceans einleitender, melodramatischer Autotune-Gesang schlug in diese Kerbe: »What’s a god to a non-believer, who don’t believe in anything?/ Will he make it out alive? Alright, alright, no church in the wild«. Was klingt wie eine Ablehnung des eigenen Glaubens, ist auch eine.
»We formed a new religion«
Noch im Jahr vor den Aufnahmen zu »Watch the Throne« behauptet Kanye, der Sohn protestantischer Eltern, in einem Interview mit dem Bossip Magazin: »You’re not given a decision of what religion you want. Your parents just give it to you. I would never go into a religion – I feel like religion is more about separation and judgment than bringing people together and understanding. That’s all I’m about«. »No Church In The Wild« griff diese Ablehnung der aufgezwungenen, dogmatischen religiösen Prägung auf, während Kanye in seinem Part unterstrich: »We formed a new religion/No sins as long as there’s permission«.