EDI – Ordeal // Review

-

Edi groß

(Chimperator Productions)

Wertung: Viereinhalb Kronen

»Siehst du den Typ da vorne, das bin ich, EDI vor paar Jahren« – die ersten Sätze des Albums, Protagonist und Erzähler in einer Person, dann geht es los. Tief versunken in Baden-Württemberger Spätzle-Tristesse, die berühmt-berüchtigte Kleinstadt und ihren Alltag: Vollsuff, fliegende Fäuste, Therapie; chronologisch nacherzählt in simpler, einleuch­tender Sprache. EDIs erstes Soloalbum handelt vom verkorksten Lebensentwurf, dem Wunsch, etwas zu ändern, und dem Ruf der Ferne, der Großstadt, Berlin. Dazu mischen sich Hoffnung auf Besserung und die Erkenntnis, dass auch Probleme mitreisen, mitwachsen. EDI fällt tiefer, Drogensumpf, Frauenjagd, Vatersorgen stürzen hinterher. Die Beats von Produzent ­Audhentik ergeben einen tatsächlichen Soundtrack, der je nach Situation mal reduzierter, mal orchestral, treibend, beklemmend daherkommt. Ein mulmiges Gefühl befällt auch den Rezensenten, der es gewohnt ist, Musik zu bewerten. Das kann hier nicht funktionieren, denn mit welchem Recht will man über ein Leben urteilen? Man wäre ein schlechter Mensch in einem schlechten Leben, und um diese gedankliche Zerreißprobe geht es auf »Ordeal«, einem durch seine schlichte Ehrlichkeit sehr besonderen Album. Man sieht, hört, fühlt das Erlebte, den zu früh geborenen Sohn, Schläuche im Körper, Hände, »so groß wie ein Nagel«, kreisende Gedanken, Enge. Selten war Deutschrap inti­mer. Und darum sollte es gehen, um die großen Gefühle, die sonst Pop für sich beansprucht. Es spricht für eine gehörige Portion Mut, auf Albumlänge zu sagen: »So bin ich.« Besser gesagt: »So war ich.« Denn eine Geschichte wäre keine, wenn sie nicht eine dramatische Wendung nähme: »Ordeal«, die Feuerprobe, der Moment, in dem der Held auf seiner Reise zerbricht, oder die Chance ergreift, sich aus den Bruchstücken seiner gewonnenen Erfahrung neu zusammenzusetzen. Dieses Kunststück scheint geglückt zu sein. Wie in vertonten Tagebucheinträgen zeichnet EDI seinen Weg nach, ohne Verklausulierungen, Punchlines und Metaphern-Wahnsinn. Nur das, was war. »Und es ist heftig/Vielleicht, weil es so echt ist.«

Text: Laurens Dillmann

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein