XXXTentacion – 17 // Review

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XXXTentacion, 17, Review

(Bad Vibes Forever / EMPIRE)

Wertung: Vier Kronen

Wenn Content König ist, dann ist Kontext seine Königin. Dass das auch für das Verständnis von Musik und im Speziellen für das Debütalbum von XXXTentacion gilt, ist wichtiger als jeder Soundcloud-Hype. Nicht wenige distanzieren sich von dem kaum voll­jährigen Rapper aus Florida und attestieren ihm öffentlich das Prädikat Arschloch. Der Vorwurf: mehrere Gewaltdelikte, darunter Körperverletzung an seiner schwangeren Ex-Freundin. Einige Medien boykottieren daher jeglichen Output des Problemkindes. Andere unterstützen die explizite und ­aggressive Art, Tabus brechen zu wollen, allen voran Kendrick Lamar. Tentacions Songs sind übersät von Depression, Gewalt, Suizidgedanken, Hoffnungslosigkeit und Schmerz. Genau damit scheint er aber einen Nerv zu treffen. Viele können sich mit seinen Gedanken identifizieren. An diese richtet sich »17« – ein 22-minütiger Schrei nach Hilfe – hauptsächlich. Die kaum polierten Songskizzen wirken zwar unfertig, aber höchst authentisch. Anders gesagt: Die ausgekotzte Ästhetik will das Gefühl einer Depression greifbarer machen. Zwischen Lo-Fi-Grunge und Emo-R’n’B entfernt er sich dabei weitgehend von dem Anspruch, den er sich mit Tracks wie »Look At Me!« gesetzt hat. Festzuhalten ist, dass derzeit wohl kaum jemand sonst versucht, Rap-Rock zurückzuholen. Das ist ein Alleinstellungs­merkmal. Inhaltlich, also musikalisch, ist dem Album vieles anzukreiden, sofern man HipHop-Maßstäbe bemühen möchte. Dass diese hierbei aber nicht genügen, ist essenziell. Tentacions Songwriting ist oft naiv und unausgereift. »Nobody wants death, because nobody wants life to end«, ja ach! Auch die Gesangspassagen sind Geschmackssache. Auf der Kontextebene wird es problematischer. An vielen Stellen gibt er der Ex die Schuld für sein depressives und aggressives Verhalten. Sie habe ihn provoziert und stelle ihn so in die Rolle des Täters. Depression hin oder her, am Ende des Tages muss man für seine Taten Ver­antwortung zeigen. Ob man die Person von der Musik trennen möchte, bleibt letztlich eine individuelle Entscheidung.

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