»Mein Humor kommt ohne Fäkalsprache aus« // Weekend im Interview

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Mit »Am Wochenende Rapper« kommt nun das erste Album des Sozialarbeiters Christoph Wiegand, besser bekannt als Weekend, in die Läden. Vom rappers.in-VBT ging es erst auf die Splash!-Bühne, dann ins Chimperator-Booking und jetzt steht der Schlaks aus Gelsenkirchen auch beim erfolgreichsten Indie-Label des Landes unter Vertrag. Aber wer ist der Kerl hinter der Ray-Ban-Brille eigentlich? Der Typ, der auf seinem Album ironisch anmerkt, dass er sich zur Tarnung eine Sonnenbrille aufzieht und dann doch erkannt wird? Anders als bei vielen Rappern derzeit, weiß man über Weekend eine ganze Menge. Er hat sein Gesicht nicht hinter einer Maske versteckt, nennt seinen bürgerlichen Namen ohne Bedenken und macht schnörkellosen, humorvollen Rap. Auch über Christoph Wiegand »privat« weiß man bereits einiges: Er ist Sozialarbeiter aus dem Ruhrgebiet, 26 Jahre alt und sein Albumtitel ist Programm: Er ist »am Wochenende Rapper«.

Im Gespräch erzählt Weekend, dass sein Arbeitsleben seit April »nur noch« eine 50-Prozent-Stelle und sein persönliches Wochenende damit zwei Tage länger ist als das der normal arbeitenden Bevölkerung. Wer am Freitag, Samstag und/oder Sonntag auf den Bühnen der Republik performt, darf sich an Montagen und Dienstagen auch mal erholen. Mittwochs bis freitags hockt er also im Büro und arbeitet als studierter Sozialarbeiter. Damit seine Arbeit weitestgehend fanbefreit bleiben kann, soll die Arbeitsstelle nicht genannt werden. Ein oder zweimal ist es bereits vorgekommen, dass seine Musiktätigkeit seine Arbeit beeinflussen sollte. Nichts Ernstes, aber Menschen helfend zur Seite stehen, die dann ihren Fokus auf sein neues Video im Internet legen wollen, war für ihn eine neue Erfahrung. »Ich konnte zum Glück relativ souverän mit der Sache umgehen. Wenn das aber andauernd vorkommen würde, wäre es scheiße.« Seine Vorgesetzten haben natürlich längst von der Musik Wind bekommen. »Ich muss meine Arbeit erledigen. Wenn mich da was an gewissen Stellen mal aufhalten sollte, interessiert die das nicht, solange dabei rauskommt, was dabei rauskommen soll.« Hier kommt Weekend zugute, dass er zwar »straight Rap« macht, wie er betont, aber dabei auf Beschimpfungen verzichtet: »Ich bin ja keiner, der derbe Kraftausdrücke benutzt. Mein Humor kommt ohne Fäkalsprache aus. Ich war letztens im Lokalteil der ‘WAZ’ und meine Kollegen haben sich gefreut – auch darüber, dass ich jetzt bald auf Tour gehe.«

Man merkt diesem Christoph Wiegand an, dass ihm der Ausgleich im Job gut tut: »Ich finde es gut, noch was ganz anderes neben der Musik zu haben. Ich mag meine Arbeit. Sie hilft mir, herunterzukommen und auch mal was anderes zu sehen.« Es zwängt sich die Frage auf, wie er die Doppelbelastung stemmen will, wenn das Album erst mal draußen ist. Finale Gedanken hat sich der Rapper dazu nicht gemacht: »Wie groß soll es werden? Das Album ist ja fertig und das habe ich ja teilweise sogar neben einer damals noch vollen Stelle hinbekommen. Was soll jetzt kommen, dass ich das nicht bewerkstelligen kann?« Es gibt Beispiele von jungen deutschsprachigen Rappern, die Rap als ihren Hauptberuf begreifen. Man kann Wiegand aber nicht vorwerfen, dass er nicht mit vollem Herzen bei der Sache ist. Was er macht, macht er richtig – egal ob seinen Hauptberuf oder sein Hobby, das immer mehr seinen erlernten Beruf in den Schatten zu stellen droht. »Wenn es jetzt gar nicht möglich wäre, die halbe Stelle zu behalten, müsste ich mir das überlegen. Dann würde ich eine Zeit lang vielleicht auch mal aussetzen.«

Wenn er so überlegt, wie groß das Album werden solle und dabei ein wenig die zeitintensive Promotion-Arbeit vergisst, könnte man beinahe den Eindruck gewinnen, dass Weekend selber gar nicht wirklich mitbekommt, was für ein Getöse um ihn in Rap-Deutschland gemacht wird. »Die Musikwelt ist ja schon irgendwie surreal. Du triffst halt viele Leute und die behandeln dich, als wärst du irgendwas. Um da ein bisschen die Füße auf dem Boden zu behalten, ist es ganz gut, einfach mal im Büro zu sein und keine Sonderstellung zu haben.« Wie soll der Marktplatz-Rapper der Antike, Sokrates, einst gesagt haben: »Wer glaubt, jemand zu sein, hat aufgehört, jemand zu werden.« Weekend wirkt nicht selbstgefällig. Im Gegenteil: Er weiß die Aufmerksamkeit, die ihm in den letzten Jahren zuteil wurde, zu schätzen. Er sieht sie aber nicht als selbstverständlich an. Wie er im Opener des Albums rappt, wäre es für ihn auch nicht das große Problem »Zurück dahin« zu gehen, wo er herkommt. Und das sind eben die kleinen Bühnen der Jugendzentren im Ruhrgebiet, auf denen Weekend knapp sieben Jahre auftrat, wo immer man ihn ein Mic in die Hand nehmen ließ. Das war alles lange bevor er sich beim VBT anmeldete, zu einer Zeit, als er mit seinen Freunden auf der Bühne auch mal vor zehn bis 20 winkenden Armen spielte. »Alles, was ich wollte, war nur einmal auf einem Festival zu spielen«, rappt er im ersten Track. Vielleicht liegt es an seinem Alter und seiner selbstreflektierten Art, dass Wiegand mit dem Erreichen des einen oder anderen Traums nicht satt und träge wurde. »Ich weiß, dass dieses Rap-Ding auch begrenzt ist. Du kannst weit kommen und große Festivals spielen, aber damit hast du nicht komplett ausgesorgt. So viele Rap-Hörer gibt es gar nicht.« Auch die Tatsache, dass in jüngerer Vergangenheit Rap-Alben die Charts anführten, lässt Weekend nicht abheben und sich in Selbstgefälligkeit verlieren.

Als Weekend sich beim VBT anmeldete, hatte das Vorjahres-Sieger-Video beachtliche 200.000 Klicks gesammelt. Verglichen mit der Entwicklung in der Weekend-VBT-Ära aber relativ wenig: »Die letzten zwei Jahre waren schon verrückt. Ich bin ins VBT gegangen, ohne zu wissen, was da wirklich gehen kann. Ich wusste, dass man eine Fläche bekommt, wo einen neue Leute hören, wenn man denn weit kommt. Aber niemals in diesem Ausmaß. Ich hatte Bock zu battlen und da war nie der Hintergedanke, mal ein Album bei Chimperator zu machen oder auf den großen HipHop-Festivals zu spielen. Das hat sich entwickelt. Mit dem Splash!-VBT ging dann alles Schlag auf Schlag. Inzwischen kommt man damit klar und hat sich ein Stück weit daran gewöhnt. Am Anfang war es aber total strange, eine E-Mail von Chimperator zu bekommen.« Dass der Deal mit Chimparator zustande kommen wird, war für Weekend scheinbar früh klar: »Ich habe relativ schnell aufgehört, andere Sachen zu verfolgen. Wir haben schon auch mit Leuten gesprochen. Ich war ja vorher schon bei Chimperator im Booking und dachte immer, dass die nett sind und habe mich da wohl gefühlt. In gewisser Weise war ich da schon fast ein bisschen beratungsresistent. Als ich mich mit Labels getroffen habe, waren die auch die einzigen, wo man nicht das Gefühl hatte, dass sie einen durch ein fettes Essen beeindrucken wollten. Mit denen habe ich einfach rumgehangen, ein Bier getrunken und gequatscht. Das war wesentlich angenehmer als alles andere. Im Businesstalk bin ich eh nicht gut. Mir ist es eher unangenehm, über Geld zu reden.«

Fans des ehemaligen Fansuchers (»Fansgesucht« heißt das letzte Street-Album von Weekend und sein Twitter-Account) hatten bei Bekanntgabe des Labels direkt Panikattacken. Sollte Weekend jetzt poppige Rap-Musik à la Cro machen und sich verraopen? Diese vorurteilsbehaftete Befürchtung konnte schnell entkräftet werden. Der andauernde Hype um Cro war für Weekend trotz großer zu erwartender Reichweite des Labels aber auch kein Pro-Argument für Chimperator: »Das wäre eher ein Punkt gewesen, sich dagegen zu entscheiden. Ich hatte eher Bedenken, weil ich straighten Rap mache und wusste, dass das zu Konfrontationen mit Leuten führen kann, die meine Musik bisher gehört haben. Im Endeffekt weiß man ja, wo Chimperator herkommt. Sie haben mit straightem Rap angefangen. Chimperator auf Cro zu reduzieren, ist da etwas kurz gegriffen. Ich habe nichts gegen Cro. Die ersten Sachen haben mir richtig gut gefallen. Alle haben das gefeiert, als sei er der neue Messias. Deswegen finde ich es auch rückgratlos, dass viele Leute ihn erst in den Himmel gelobt haben und jetzt sagen, da würde nichts gehen. Über den Pop- und Kommerzvorwurf habe ich mich da schon immer ein wenig lustig gemacht. Ich denke dann halt: ‘Scheiß darauf, was Leute davon halten.’«

Befürchtungen, das Label könnte Einfluss auf die Platte genommen haben, zerschlugen sich sofort mit dem Vorab-Track »Hi Chimperator«. Zuvor hatte das Label den Begriff »Punchline-Pop« kommuniziert. Fans erwarteten das Schlimmste, wurden aber einfach vom Humor des Labels irregeführt. Weekend selber ist es wichtig, dass ihm nicht in die Platte reingeredet wurde: »Mein A&R hat die Platte bekommen, als sie fertig war und gesagt: ‘Schön, dass sie fertig ist. Gefällt mir!’ Da gab es auch kein ‘Schmeiß die Zeile runter’ oder so was.« An seinem Album hat Weekend schon gearbeitet, bevor er sich beim für ihn alles verändernden VBT anmeldete. Er ist dort bis heute ungeschlagen und hat sowohl das reguläre VBT als auch die Splash!-Edition für sich entscheiden können. Auf seinem Album hat er versucht, den Charme der Video-Battles auf die Platte zu übertragen. Dabei kann man Weekend kein Kalkül unterstellen: Er macht einfach das, worauf er Bock hat. »Das war so ein Ding, wo sich herauskristallisiert hat, dass ich das Battlen mitnehme, aber eben auf andere Dinge anwenden kann.« Auf dem Album sind seine Gegner dementsprechend sein DJ Rolf und seine Freundin.

Richtig persönlich wird Weekend auf seiner Platte nicht. Lediglich der Schlusstrack »Sommer meines Lebens« und der Bonus-Track »Doppelleben« erzählen aus der Gedankenwelt des 26-Jährigen. Dem Rapper Weekend behagen zu persönliche Äußerungen nicht wirklich: »‘Doppelleben’ ist mit Sicherheit der persönlichste Track, aber mich selbst würde der auf einem Album nur zwei- bis dreimal flashen. Dass da nicht so ein Gewicht drauf liegt und der eher eine Beigabe ist, liegt auch daran, dass ich das nicht so angenehm finde, weil ich sehr persönlich über Freunde rede. Ich finde es ein bisschen schwierig. Andere Leute machen so etwas ja nur. Die Leute aus meinem Freundeskreis freuen sich da auch eher drüber. Trotzdem ist mir das noch ein bisschen unangenehm.« Einerseits weiß man über die Person hinter dem Rapper eine ganze Menge. So machte er zum Beispiel nie einen Hehl daraus, dass er bis zum Abschluss seines Studiums bei seiner Mutter wohnte, was er studierte oder welchen Beziehungsstatus seine Facebook-Seite anzeigt. Aber tatsächlich persönliche Gefühle nach außen zu transportieren ist seine Sache nicht.

Christoph Wiegand kann sich öffnen, wenn er mit seinen Freunden oder anderen Rappern wie Lakman oder Edgar Wasser (beide sind auch auf »Am Wochenende Rapper« vertreten) zusammen ist. Dass er außerdem neben dem Track über seinen DJ auch einen mit seinen Bühnen-Buddys gemacht hat, war für Weekend Ehrensache: »Ich glaube, der Dobbo hat mal aus Spaß seinen Part geschrieben, als wir unterwegs waren. Wir machen in Tracks ja gerne mal Witze über die anderen. Diese Idee war der beste Ansatz für einen gemeinsamen Track. Das sind halt die Jungs, mit denen ich jedes Wochenende unterwegs bin.« Ganz in diesem Sinne weiß Weekend auch sein Privatleben gut mit der Musik zu verbinden. Seine Freunde sind oft dabei. Wenn er sich mal beschwert, dass er zu wenig Zeit mit Kumpels vor dem Fernseher verbringt, will er sich damit jedoch nicht über den Erfolg beschweren: »Mein Freundeskreis ist mir sehr wichtig, ich habe den schon sehr lange. Mit ist da auch keiner böse. Und so oft es geht, sind die Leute mit dabei. Mein Kameramann ist ein langjähriger Freund von mir, meine Backups und mein DJ sind seit mindestens fünf Jahren meine Freunde. Der Typ, der meinen Merchandise vertickt, ist mein bester Freund. Ich bin sehr dankbar für das alles!«

Als mittelständischen Gegenentwurf zum Street-Rap sieht Weekend sich eindeutig nicht – auch wenn Massiv zweimal auf dem Album eine kleine Breitseite bekommt. Es ist alles humorvoll gemeint, wie der Mittzwanziger betont. Die Vorstellung, dass Massiv die Bewerbung für jemanden schreibt oder der Sozialarbeiter ein Praktikum als Gangster absolviert, könnte bei Straßenrap-Fans falsch ankommen. Wiegand geht es dabei aber nicht um bildungsbürgerliche Arroganz, sondern einfach um humorvolle Punchlines und Bilder. Weekend schafft dabei etwas, was nicht vielen anderen gelingt: Er macht Menschen zu Rap-Hörern. Und sollten die irgendwann weiterziehen – Weekend kommt immer wieder.

Text: Kristof Janßen

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