Ufo361: »Mein Handy ist mein Büro: zack E-Mails, zack Instagram, zack Snapchat.« // Feature

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Nein, Ufo361 ist natürlich kein Newcomer mehr. Dass der Kreuzberger, der jahrelang mit der Hoodrich-Bande um die Häuser zog, für uns trotzdem zu den Leaders Of The New School zählt, hat seine Gründe. Ufo361 brach in der laufenden Spielzeit das heiligste aller Deutschrap-Gebote: Er vollzog einen Imagewandel, richtete seinen Sound radikal neu aus und sammelt seitdem Co-Signs aus allen Lagern. Vom Funk-Daddy mit Perücke sind nur noch die Grillz übrig geblieben. Die Industrie und die Straße, die Hater und Hipster, alle machen Auge. Was ist mit diesem Ufuk eigentlich passiert?

Es muss irgendwann im Sommer 2015 gewesen sein: Einer der frühen Broke-Boys-Beats brettert aus der Box. Ufo murmelt ein und denselben Satz immer und immer wieder vor sich hin. Das Timing stimmt jetzt, er weiß, wo er auf dem 70-BPM-Geschoss die Pausen und Adlibs setzen muss und wie Auto-Tune seine krächzende Wirkung entfaltet. Der Trapfilm läuft vor seinem inneren Auge ab. Ufo hat die Formel geknackt. So ähnlich muss es sich abgespielt haben, als »Schlange« entstand, der erste Track, den Ufuk in der Atlanta-Ästhetik des Berliner Produzenten-Kollektivs um Greeny Tortellini, Sam Salam und AlexAnder aufnimmt. Da gab es natürlich bereits deutsche Rapper, die den Migos-Flow adaptierten, sich an Futures Stakkato-Gebrummel versuchten – und, darin besteht sowieso Konsens: Fler hat Trap als erster importiert – aber es klang eben immer sehr, nun ja, deutsch.

Auch Ufos erster Gehversuch in südstaat­lichen Rap-Gefilden, ein »Hard In The Paint«-Remix einige Jahre zuvor, klang noch deutlich holpriger. Die Lex-Luger-Produktion des Waka Flocka-Welthits hat eine ganze Generation an Fruity-Loops-Fricklern geprägt und gilt als Gamechanger und Blaupause für alles, was sich heute Trap schimpft: simple Synthie-Melodie, rumpelnde 808-Kicks, Hi-Hat-Gewitter, pure Energie. »Das war, so gesehen, das erste Trap-Ding von mir. Da hatte ich aber noch nicht das musikalische Verständnis. In diese Richtung gab es damals auf Deutsch ja noch gar nichts. Außer vielleicht Money Boy.« Ufo sagt das ohne jeden Anflug von Ironie.

»Ich hab ab 2011 Südstaaten-Rap gefeiert, kam aber nie auf die Idee, solche Musik selbst zu machen. Und dann kam Future mit ‘Tony Montana’. (rappt: ‘Tony Montana, Tony Montana’) Er sagt einfach zwanzig mal den gleichen Namen in der Hook, und es ist ein Todesohrwurm!« Future – für die einen Heiland, für die anderen Hasssymbol – personifiziert den Paradigmenwechsel in der globalen Rapszene wie kein Zweiter und wird zu einem der wichtigsten Anknüpfungspunkte für Ufos Neuanfang. »Future hat was komplett Neues gemacht. Er hat Pausen anders gesetzt, ganze Zeilen aufeinander gereimt. Wenn jemand alle Flows ausgeschöpft hat, dann er.«

»Ich bin ein Berliner« folgt einem ähnlich repetitiven Prinzip wie »Tony Montana«. Das Hochglanz-Hood-Video, in dem Ufo mit Hertha-Trikot und Kennedy-Maske den Späti stürmt, geht im September 2015 online und stellt Ufos Karriere auf den Kopf. Das erste hörbare Lebenszeichen nach seinem Sinneswandel zeigt den 36er in neuer Optik – viraler Jackpot. Regie führt der Easydoesit-Filmer Christoph Szulecki, der seitdem jedes Ufo-Video inszeniert und dem Berliner ein neues, professionelleres Branding verpasst.

Die Hauptstadt hat eine neue Hymne und Ufo eine Management-Anfrage von Erfan Bolourchi im Postfach. Bolourchi ist Haftis rechte Hand, ein alter Hase im Rapgeschäft, der Verlagswesen von der Pike auf gelernt hat und die Geschicke um die Kleidermarke Chabos und weitere Azzlackz-Künstler lenkt. Er erkennt, dass Ufo mehr als nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit dem richtigen Sound aufschlägt. Er sieht das stimmige Gesamtpaket mit Management-Augen: ein Straßenjunge mit losem, hungrigem Mundwerk und dem Sound der Stunde, der sich zum Drill-Sergeant seiner Generation mausert.

Von der Talkbox zu Auto-Tune

»In Kreuzberg geboren zwischen Dealern und Zombies auf Shore.« Es ist keine neue Rolle, die Ufo da einnimmt, und auch kein kalkulierter Marketing-Move, um ein neues Publikum zu bedienen. Ufuk muss sich das nicht ausdenken, wenn er von Body­packing, Crackküchen am Kotti und Kommi-Ticken erzählt. Er ist sich trotz ­neuen Sounds und Swags – so eklig das auch klingt – treu geblieben. Um das beurteilen zu können, muss man früher in der Biografie von Ufuk Bayraktar ansetzen, im Westberlin der Neunzigerjahre.

1988 geboren, wächst Ufuk in Kreuzberg auf, das damals noch das genaue Gegenteil eines Szenebezirks ist. Er schaut zu den türkischrappenden Kiezhelden Islamic Force auf, verschlingt alles von 2Pac und beginnt mit zwölf Jahren, Graffiti zu malen. Übers Sprühen kommt er mit Synthie-Funk der frühen Achtziger in Berührung, tanzt zu Zapp & Roger und diggt nach unbekannten Bands wie Midnight Star, die er später von KD-Supier für einen seiner ersten Tracks samplen lässt. Hier ein Tag, da ein Train. Irgendwann lernt er, Über­wachungskameras zu manipulieren, damit er in Ruhe Züge malen kann, und tritt in die berüchtigte THC-Crew ein, die gerne auch bei Tageslicht und Vollbetrieb ganze S-Bahn-Stationen zubombt. So viel darf man verraten: Streetart-Touristen können heute noch in der Hauptstadt alte Pieces von Ufo zu Gesicht bekommen.

Aus pragmatischen Gründen wird die Musik wichtiger als das Malen: »Rappen konnte man halt, ohne dabei kriminell zu werden«, erzählt Ufo und grinst. »Ich war auch nie ein richtiger Künstler, der ein nices Auto zeichnen konnte. Im Rap bin ich viel mehr aufgegangen. Meine Familie ist auch sehr musikalisch: Mein Bruder spielt klassisches Klavier, mein Vater Gitarre und meine Mutter singt.« 2011 schließt er sich der Hoodrich-Clique um Said, KD-Supier, Kalusha und Elle an. Damals schon dabei: Greeny Tortellini, heute Kopf der Broke Boys und Gucci-Mane-Fan der allerersten Stunde.

Ufos Rolle innerhalb der Crew ist die des Pausenclowns, des Kiffers mit Uptempo-Nummern – grundsympathisch aber ohne klares Soundbild, Profil und Tatendrang. Aus heutiger Sicht wirkt der alte Ufo stilistisch verloren. Nichts Ganzes, viel Halbes. Auf seiner Debüt-EP »Bald ist dein Geld meins« wagt er 2011 einige Dubstep-Experimente, später gibt er den Funk-Joker. Ein HR-Labelsampler, ein Projekt mit KD-Supier und Said als Bellini Boys und ein Soloalbum (»Ihr seid nicht allein«) später, löst sich Hoodrich im September 2014 auf. Said spricht offiziell von fehlendem Zusammenhalt, um die Formation aufrechtzuerhalten: »Einige von uns gehen anderen Interessen nach, und der Rest will sich musikalisch unterschiedlich ent­wickeln«, teilt er über die Sozialen Medien mit. Er sollte Recht damit behalten. Greeny ist es, der Ufo den Weg in Richtung Trap weist. »Ich hatte ja schon eine kleine Fanbase und wollte nicht auf einmal was völlig Anderes machen. Aber Greeny meinte immer: Mach, worauf du Bock hast.«

Ufo sitzt in der Küche des dreistöckigen Studiolofts/Haus am See des Cover-Fotografen Sascha Haubold. Gerade hat er sich einen Kampf mit dessen grumpy Katze geliefert und auf Snapchat dokumentiert. Der neuerliche Sprung in die oberste Deutschrap-Liga gelang auch, oder vor allem, weil Ufo, wie wenige Künstler seines Jahrgangs, das Internet verstanden hat: »Das ist für mich daily Routine geworden. Du weißt doch, Dicker, Rap ist jetzt mein Job. Mein Handy ist mein Büro, darüber mach ich alles: zack E-Mails, zack Instagram, zack Snapchat.«

»SCHEISS AUF EURE PARTY«

Dass sich »Ich bin ein Berliner« so rasend verbreitet, liegt auch am Social-Media-Rücken, auf den Ufo bald bauen kann. Die 187ers, alle Azzlackz und Fler teilen das Video. »Ich kann nicht sagen, wie es wäre, wenn sie es nicht gepostet hätten, ob es dann auch so funktioniert hätte. Wahrscheinlich nicht so schnell und extrem«, gesteht Ufuk. »Aber wenn bestimme Leute sagen, dass sie was feiern, hat man direkt einen Hype und Klicks. Bonez hat sogar ein Selfie-Video gemacht, in dem er den Song performt. Und der ist aus Hamburg! Die haben alle krasse Reichweite, von daher hat das schon einen Schub gegeben.« Der vorläufige Höhepunkt ereignet sich im Dezember im ausverkauften Columbiatheater in Berlin. Die 187ers holen Ufo auf die Bühne und performen gemeinsam mit ihm »Ich bin ein Berliner«. Trotz klaren Heimvorteils wird klar: Der Hype ist sowas von real.

Das gleichnamige Mixtape veröffentlichen Ufo und Erfan im März diesen Jahres in Eigenregie als reines Digital-Release. Eine Taktik, die bei Nimos »Habeebee«-Mixtape schon in die Top Ten führte. »Ich bin zwei Berliner«, der clever betitelte Nachfolger der angestrebten Berlin-Trilogie, erscheint nur ein halbes Jahr später, ebenfalls ausschließlich digital, chartet auf Platz 13 und beweist, dass Ufos musikalische Transformationsphase noch nicht abgeschlossen ist. Mit der Auskopplung »Scheiß auf eure Party« gelingt ihm sein bisher größter Coup.

Der astreine The-World-Is-Mine-Moment, der wieder von den Broke Boys produziert wurde, zeigt eine weitere Seite von Ufo: Der Sound ist flächiger, sphärischer und Ufuk öffnet sich, lässt tiefer blicken. Das Video zählt nach zwei Monaten bereits weit über drei Millionen Klicks. Derweil stellt Ufo schon den dritten Mixtape-Teil fertig, Festivals klopfen an und man plant sogar die erste ­eigene Tour für 2017. »Das erste ‘Berlin’-Tape waren die Basics für mich. Ich wollte mich ausprobieren. Dann macht man mal etwas mehr Singsang, pickt chilligere Beats und merkt, dass nicht jeder Track in die Fresse gehen muss. Das soll sich aber langsam entwickeln, Dicker. Das Persönliche in der Musik ist mit der Zeit gewachsen. Ich muss nicht direkt alles von mir erzählen.« ◘

Foto: HEKS Sascha Haubold

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Richtigstellung: Im Text wird fälschlicherweise behauptet, Christoph Szulecki hätte beim »Ich bin ein Berliner«-Videoclip Regie geführt. »Ich bin ein Berliner« ebenso wie die Videos zu »Allein«, »Ich bin ein Berliner (Remix)«, »Harman« und »BLN-FFM« wurden jedoch von der Berliner Produktionsfirma Pretty Dirty gedreht.

Dieser Text erschien als Teil unserer #DeutschrapsZukunft-Titelstory in JUICE #178 (hier versandkostenfrei bestellen).

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