The Game Interview

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Als Dr. Dre “2001” veröffentlichte, lebte ein gewisser Jayceon Taylor noch in einem Haus auf der Brazil Street in Compton, Los Angeles. Bevor er beschloss, unter dem Künstlernamen The Game ins Rap-Game einzusteigen, lebte er einen von Drogen, Kriminalität und Gangkriegen geprägten Alltag, den Dres Band N.W.A. zehn Jahre zuvor zum ersten Mal auf Platte beschrieben hatte. Games Produzent und damaliger Mitbewohner Nu Jerzey Devil erzählt: “Als ich in das Haus einzog, haben sie mir direkt zwei ­Pistolen in die Hand gedrückt. Dort zu leben, war genau so, wie man es aus Filmen wie ‘Menace II Society’ kennt. Jeden Tag gab es Schießereien, man wurde von seinen Jungs auf der Straße eskortiert.” Dieser Background war es, der The Game in eine direkte Traditionslinie mit N.W.A. stellte. Wenn er heute auch einige R&B-­Sänger auf ­seinem vierten Studiowerk “The R.E.D. Album” featuret, dann ist das in seinen Augen kein Anzeichen dafür, dass er mit den Jahren weich geworden wäre. Stattdessen sieht er das Album sogar als seine ganz ­persönliche Widmung an seinen Heimatstadtteil Compton.

Du hast immer betont, wie viel Einfluss N.W.A. auf dich hatten. Wie dicht war das Compton, von dem sie erzählten, an dem Compton, in dem du aufgewachsen bist?
Es war ein und dasselbe. Wovon sie erzählt haben, war unser Leben. Ich war mir damals noch nicht mal sicher, dass ich Rapper werden würde. Ich hatte andere Sachen am Laufen.

War es damals gefährlich in dieser Gegend?
Allerdings. Schon sich auf der Straße aufzuhalten, war nicht ganz ungefährlich.

Wie ist es heute?
Immer noch dasselbe. Es hat sich nichts zum ­Besseren verändert, seit N.W.A. zum ersten Mal über unsere Probleme gesprochen haben. Man ignoriert unsere Probleme. Wenn überhaupt, dann sind die Dinge eskaliert, die Kids sind noch wilder geworden. Sie stehen mit Knarren auf der Straße und schießen auf alles, was sich bewegt. Früher gab es da noch gewisse Regeln. Man brauchte eine Ansage von einem Anführer und vor allem einen Grund. Es wurde nicht geschossen, wenn Kinder und Frauen in der Umgebung waren. Heute zählt das alles nicht mehr, wir haben offene Jagdsaison.

Wenn du Bürgermeister von Compton wärst, was würdest du ändern?

Ich könnte nichts daran verändern. Ich kann die Probleme in Compton tagelang beschreiben, bis ins kleinste Detail. Aber ich wüsste nicht, wie man das ändern soll. Selbst wenn wir jetzt anfangen würden, irgendwelche Probleme anzugehen, dann wären wir 2030 immer noch dabei. Compton ist ein echtes Ghetto, einer der schlimmsten Slums, die du dir ­vorstellen kannst. Man kann nichts dagegen tun.

Hast du die Jungs von N.W.A. mal in deiner ­Gegend gesehen, als du aufgewachsen bist?
Auf jeden Fall, man hat sie alle regelmäßig ­gesehen. Sie waren Vorbilder, echte Stars in der Hood. Am meisten sah man Eazy-E auf der Straße. Er war ein extrem positiver Mensch. Alle wollen ihn ja ­immer als den knarrenschwingenden Crackdealer ­darstellen. Aber er hatte auch ein gutes Herz. Er hat den Leuten auf der Straße Geld gegeben, die es wirklich nötig hatten. Er hat auch den Kids aus der Gegend Weihnachtsgeschenke gekauft.

Was hast du von N.W.A. gelernt, das du auf deine eigene Karriere anwenden konntest?

Dass du mit viel Hingabe daran arbeiten musst, was du machen willst. Am Anfang wollte keiner N.W.A. im Radio spielen oder ihre Videos zeigen, weil sie Gewalt darstellten und Waffen offen zeigten. Aber am Ende haben sie Millionen von Platten verkauft – und zwar auf ihre ganz eigene Art und Weise, ohne Kompromisse.

Du hast selbst einen Ganghintergrund, dein neues Album heißt “The R.E.D. Album”.
Ja, ich widme dieses Album der Straße und dem Block. Ich widme dieses Album meiner Heimat Compton. Auf dem Cover siehst du ein rotes Bandana. Wir sind eine rote Armee.

Es sollte ja schon im Dezember erscheinen, kommt aber nun erst im Juni.
Das ist Dr. Dres Schuld! Er hatte plötzlich vier oder fünf neue Beats für mich. Diese Gelegenheit konnte ich mir nicht entgehen lassen. Vielleicht landen sie gar nicht alle auf dem Album, aber wenn Dre auf dich zukommt und dir Beats geben will, dann lehnst du nicht ab, weil dein Album eigentlich schon fertig ist. Egal, wer du bist: Wenn Dre anruft, dann hörst du ihm zu. Ich musste einfach noch mal mit ihm ins Studio gehen.

Welche Produzenten sind außer Dre an Bord?
Pharrell, Cool & Dre, RZA. Ehrlich gesagt, ist dieses Album wie eine Kollaboration zwischen Aftermath und Star Trak entstanden. Dre und Pharrell – das ergibt die perfekte Balance im Sound. Dre hat diesen Hardcore-Background, er stammt ja auch aus Compton. Und Pharrell hat das musikalische, ­kreative Ohr. Es ist eine wunderschöne Mischung.

Spürst du eine gewisse Form von Druck? ­Immerhin verkauft kein Rapper mehr richtig viele Platten…
Diesen Druck gibt es immer, wenn du auf meinem Level angekommen bist. Ich bin der größte Künstler, der auf Interscope übrig geblieben ist. G Unit und 50 Cent verkaufen lange nicht mehr so viel, also ist das jetzt meine Arena. Ich wurde für diese Sache geboren. Ich liebe die Herausforderung. Die Menschen warten auf ein neues The Game-Album. Meine Fans wollen es hören, also mache ich es. Das ist alles.

Du hast sehr kommerzielle Künstler wie Justin ­Timberlake und Nelly Furtado auf dem Album. Keine Angst vor Sellout-Vorwürfen?
Jeder, der mir so etwas vorwirft, kann mich am Arsch lecken. Mir ist scheißegal, was die Leute ­denken, wenn es nicht positiv ist. Wen interessiert das? Sollen sie doch denken, was sie wollen. Ich rappe richtig hart auf diesem Album. Und ich wollte mit diesen Künstlern arbeiten, weil ich weiß, wie meine Musik funktioniert. Niemand kann verleugnen, dass es ein hartes Rap-Album ist.

Auf “Infrared” kündigst du an, vielleicht Beef mit Jay-Z starten zu wollen…
(lacht) Alles, was ich dazu sage, ist: Hört einfach genau auf die Musik. Wenn mich jemand anmacht, dann reagiere ich. Dissen ist ein Teil von Rap, es ist eine wettkampforientierte Kultur. Ich liebe diesen Teil des Spiels sogar, und es gehört zur Geschichte dieser Musik.

Beef macht dir also Spaß?
Wie gesagt, es ist ein Teil des Spiels. Ich habe so viel Scheiße durchgemacht in meiner Karriere, aber am Ende habe ich immer gewonnen. Niemand kann mir ungestraft dumm kommen.
Aber du hast mittlerweile Familie und bist nicht mehr ganz so jung und wild wie früher.
Ja, ich bin definitiv etwas reifer und entspannter. Ich chille lieber mit meiner Familie. Man wird eben erwachsen, und ich habe eine andere Perspektive bekommen. Das überträgt sich teilweise natürlich auch auf meine Musik. Es gibt schon ein paar relaxtere Songs, trotzdem ist es mein bestes Album.

Du hast auf “L.A.X.” mit Lil Wayne gearbeitet. Was magst du an ihm?
Ich liebe es, dass er keinen Fick gibt. Er macht einfach, was er will. Ihm ist es egal, was irgendwelche Typen über ihn denken. Da ähneln wir uns sehr.

Wie siehst du die aktuelle Entwicklung im ­HipHop?
Ich finde einfach, wir beschäftigen uns im HipHop zu viel mit Dingen, die kein HipHop sind. Diese ­ganzen Tänze, das ganze Styling, dieser ganze Bullshit. Einer macht was vor, und alle machen es nach. Niemand will darüber reden, was falsch läuft. Wir müssen uns wieder auf die Essenz von HipHop beschränken, nämlich echte Skills.

Was hältst du von Drake, dessen Debütalbum „Thank Me Later“ zum selben Zeitpunkt wie „The R.E.D. Album” ­erscheint?
Er ist keine Bedrohung. Ich habe ja schon ­Millionen von Platten verkauft. Wir machen außerdem ­stilistisch etwas komplett Verschiedenes. Natürlich ist beides HipHop. Ich hate die neuen Styles nicht pauschal. Ich weiß schon, was los ist. Aber ich habe gelesen, dass er ein Fan von mir ist, von daher ist ohnehin alles gut.

Text: Philipp Mlynar

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