Ssio: »Stell mich nicht in die Realkeeper-Ecke. Ich bin nicht in der Cypher groß geworden.« // Titelstory

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In einem früheren Interview hast du mal gesagt, dass man sich an Vergangenheit immer positiv erinnert. Wie sehr beruht deine Musik auf diesem Nostalgieeffekt?
Beim Musikhören geht mir das echt so, weil ich bestimmte Songs mit bestimmten Erlebnissen verbinde und sie mich während einer Lebensphase begleitet haben. Es ist ein psychologisch-menschliches Phänomen, eher an alten Dingen festzuhalten, als sich an Aktuelles zu gewöhnen – was nicht immer richtig sein muss. Wenn ich gute alte Songs höre, empfinde ich halt einen leichten Herzschmerz und wünsche mir, wieder 15 zu sein. (grinst) Da ist ein Gefühl, das dir ein neuer Song gar nicht geben kann.

Ist das nicht auch ein Element eurer Musik? Die Beats haben ja zweifellos einen Oldschool-Ansatz, mit dem ­bestimmte Leute ihre Jugend verbinden.
»Oldschool« ist das falsche Wort. Die Ästhetik ist eher klassisch, und klassische Musik gibt es schon sehr lange und wird es auch noch sehr lange geben. Ich würde nicht sagen, dass unsere Musik eine Weiterentwicklung der Musik der Neunziger ist. Überhaupt nicht. Das ist ein Sound, der für sich steht.

 
Aber die Elemente, die ihr dafür einsetzt, und das Feeling, das ihr transportiert, hat doch ganz klar Vorbilder, oder? Zum Beispiel die Lead-Synthies, die an die G-Funk-Ära erinnern.
Ja, das braucht man auch gar nicht zu leugnen.
Reaf: Das ist doch auch das Natürlichste der Welt: Wenn der Mensch etwas einordnen und erklären will, braucht er Schubladen und Titel. Wenn du meine Beats aber aufbröselst, wirst du rausfinden, dass da eine 808 drin ist und die Bassline- und Percussion-Spur so gar nicht in einem Neunziger-Oldschool-Boombap-Beat stattfinden könnte. Naheliegend für diese ­Vergleiche ist halt die ­Geschwindigkeit im 90er-BPM-Bereich.
Ssio: Es gibt funkige Elemente, ja. Das einordnen zu wollen und so zu nennen, ist völlig in Ordnung. Ich bin auch nicht der Typ, der sich dumm stellt und auf beleidigt macht: (mit Kleinkindstimme) »Nein, ich hab keine Ahnung, was du mit G-Funk meinst.« Ich muss das aber immer wieder erläutern, damit es sich nicht zu sehr manifestiert.

Ssio, du hast jetzt ein Smartphone. Wie hat dieser Umstand dein Leben verändert?
Ich möchte es nicht mehr haben. (lacht)

Aber bist du wirklich so technik- und fortschrittskritisch wie du gerne tust?
Nein. Was will ich mit einem Bananenhandy? Mit einem Smartphone ist man viel flexibler: Du hast Zugriff auf deine Mails, Whatsapp, Facebook. Alles funktioniert entspannter und schneller. Aber der riesige Nachteil für mich ist, dass ich zu viel Zeit verschwende und Gründe suche, um mich mit meinem Smartphone zu beschäftigen. Ich bin ein Mensch, der lieber an der Realität teilnimmt, als sich in der digitalen Welt aufzuhalten. Und das möchte ich genießen, solange ich lebe. Man verliert durch diese Geräte halt die zwischenmenschliche Ader, die Menschenkenntnis. Es ist nicht so, dass ich bewusst dagegen ankämpfe. Aber ich präferiere die Realität!

 

Foto: Maxim Rosenbauer & Phillip Himburg

Dieses Interview ist erschienen in JUICE #173 – hier versandkostenfrei nachbestellen.
JUICE 173

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