Snoop Dogg

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Über Snoop Doggs zehntes Solo­album »Malice N Wonderland« konnte man lesen, es sei paradox. Songs über Gangbangs, Gewalt und Groupies treffen auf Liebeserklärungen an die Ehefrau, Partys und Erfolg. Niemand beherrscht den Wechsel zwischen nettem Onkel und hartem Gangster so gut wie Snoop. Im Reality-TV langzeitverheirateter Familienvater, auf Street-DVDs ein O.G., der noch mit beiden Chucks fest in der Hood steht. Während sich andere damit für alle Seiten unglaubhaft machen ­würden, hat sich Snoop als Konsensliebling auf Lebenszeit etabliert. Dass die Westcoast-Legende ihre Texte ­mittlerweile von anderen schreiben lässt, schockierte trotzdem viele Fans. Ist der meist­respektierte Rapper alive doch nur noch ein sympathischer Popstar? Wenn jemand diese ­etablierte Schattenwirtschaft zum akzeptierten Teil der HipHop-Kultur machen kann, dann er. Aber vielleicht lassen wir es auch nur Uncle Snoop durchgehen.
 
Bei deinem letzten Album »Ego Trippin’« ging es dir schon darum, auf niemanden außer dir selbst Rücksicht zu nehmen. Jetzt betonst du, dass du dich bei »Malice N Wonderland« mehr denn je wie du selbst fühlst. War es vorher ein Problem für dich, das, was die Masse von dir erwartet, mit dem zusammen zu bringen, was du selbst machen willst?
Ein Problem war das nicht. Ich fühle mich bei meiner Musik immer gut, sonst würde ich sie nicht machen. Ich musste mich als Musiker nur selbst finden. Man lebt oft einfach im Moment, es ist aber nötig, auch mal inne zu halten, um den besten Weg zu finden, man selbst zu sein. Verstellen musste ich mich noch nie, weil ich es nie nötig hatte, mich nach dem Publikum zu richten. Das Publikum hat sich immer nach mir gerichtet. Ich musste nie dem aktuellen Trend folgen. Deshalb bin ich auch immer noch da, während so viele andere weg sind.
 
Du hast die aktuellen Trends aber auch immer in deiner Musik verarbeitet. Es gibt auch ­wieder R&B- und Dirty South-Tracks auf deinem Album. Wie gelingt es dir, dabei eine eigene Linie beizubehalten?
Indem ich nicht versuche, wie andere zu sein, sondern all diese Styles auf meine Art mache. Du musst auch sehen, dass der Sound der Westcoast sehr viele beeinflusst hat. Selbst die Ostküste, die HipHop erfunden hat. Als HipHop in den Westen kam, haben wir unseren Lifestyle und unsere Kultur eingebracht. Wir waren damals die Einzigen, die ihre eigene Kultur in die Musik einfließen lassen haben. Heute kann ich leicht die Musik anderer Regionen machen, weil da so viel von unserem Sound drinsteckt.
 
Jerk ist ein neuer Trend, den du auf »Malice N Wonderland« häufig erwähnst. Der Tanz und die Kultur kommen aus deiner Region. Der Lifestyle unterscheidet sich aber schon deutlich von dem Bild, das man vor Augen hat, wenn man an den Snoop Doggy Dogg von 1993 denkt. Findest du dich in der Jerk-Kultur trotzdem wieder?
Ja, weil diese Kids ein Produkt von dem sind, was wir damals gemacht haben. Wir wurden von den R&B-Artists der Siebziger geprägt, haben dann aber unser eigenes Ding gemacht. Heute respektiert meine Generation die Jerk-Kids, weil sie das Herz haben, es wiederum anders zu machen als wir.
 
Die Pre-Single »Snoop Dogg Millionaire« war ein Remake des Dubstep-Tracks »Eastern Jam« von Chase & Status. Überraschend.
Ich bin ein Fan von guter Musik. Eines Tages habe ich den Song in einem Club in Europa gehört und direkt gemocht. Also wollte ich herausfinden, wer und was das ist. Wir haben das Ding gefunden und ich habe darauf gerappt. So einfach läuft das. Ich habe keine Ahnung von Dubstep, aber ich wollte meine Stimme darauf hören. Hat das für dich ­natürlich zusammengepasst oder klang es, als würde ich versuchen, ihre Musik zu machen?
 
Es klang wie Snoop auf Dubstep. Manche Dubstep-Fans mochten den Track nicht, weil es keine Dubstep-Vocals waren, sondern eben Snoop-Lyrics in einem normalen Rap-Song­pattern. Für mich klang es trotzdem nicht künstlich. Ich mag solche Mischungen.
So etwas kann gut funktionieren, wenn man es ­richtig macht. Es muss halt von jemandem gemacht werden, der es drauf hat. Und das bin ich.
 
Als ich meine Jahrescharts für die JUICE ­zusammengestellt habe, fiel mir auf, wie viele Alben ein Retro-Feeling hatten. Ist es das, was der Fan momentan will?
Es ist das, was er braucht. Was du willst und was du brauchst sind manchmal zwei Paar Schuhe. Vielleicht wünschst du dir ein Auto zu Weihnachten, wenn du aber stattdessen ein Fahrrad bekommst, fährst du auch damit. Ich gebe den Fans das, was sie meiner Meinung nach bekommen sollten.
 
50 Cent hat auf »Before I Self Destruct« auch auf einen härteren Style gesetzt, wie in alten Zeiten. Gut verkauft hat sich das bislang nicht.
Es kommt drauf an, ob du einen direkten Draht zu deinen Fans hast. Ich weiß, was meine Fans ­brauchen. Ich richte mich auch nicht nach Verkaufszahlen. Wenn es nur zwei Leute kaufen, ist das egal, weil sie gecheckt haben, was ich ausdrücken wollte. Manchmal zeigen die Verkaufszahlen nicht, wie gut ein Album ist. Gute Alben verkaufen sich gar nicht, Scheißalben stürmen die Charts wegen einer guten Single.
 
Du bist jetzt Creative Chairman von Priority Records. Ihr wollt Gangstarap-Klassiker aus dem Katalog des Labels neu releasen. Welche Alben werden das sein?
Ich denke vor allem an N.W.A. und Eazy-E, aber auch an EPMD… Die Westcoast war das Zentrum des Erfolges von Priority, aber sie hatten auch Acts aus anderen Gegenden, die man heute wieder an die Leute bringen sollte. Da EPMD ihre ersten Alben bei Priority releaset haben, muss ich sie neu auflegen. Das war der heiße Scheiß. Die Neuauflagen werden genau so sein wie die Originalversionen der Alben. Wenn überhaupt, wird es einen Remix von mir darauf geben.
 
Wie weit bist du mit deinen Gedanken über ­potenzielle neue Signings auf Priority Records? Ist Nipsey Hussle ein Kandidat?
Klar, er kann der Topstar des Labels sein. Er steht aber noch unter Vertrag, und wir werden abwarten müssen, was sein jetziges Label tut. Generell kann ich keinen Star machen, ich kann ihn aber finden und aufgehen lassen. Neue Acts müssen sich zuvor selbst eine Fanbase aufbauen, interaktiv im Internet unterwegs sein und hart arbeiten, bis die Leute sie und ihren Sound lieben. Ich kann sie nicht von null aufbauen. Das ist die Zeit, in der wir leben.
 
Ich habe gelesen, Ja Rule würde über sein ­Label MPire Entertainment bei Priority ­releasen. Stimmt das?
Davon habe ich noch nichts gehört.
 
Du müsstest es ja wissen. Ich habe auch ­gelesen, du würdest ein Album mit B-Real ­aufnehmen.
Definitiv. Cypress Hill sind ein Teil der Capitol/­Priority-Familie und B-Real ist ein Eastsider von der Westcoast. Er ist mein Homeboy, und es gibt nichts, das ich nicht für ihn tun würde.
 
Wenn man im Netz nach dir sucht, kann man sich stundenlang Reality-Shows, Talkshows, Filmauftritte, Musikvideos oder Interviews ­angucken. Du bist eine Entertainment-Maschine. Hast du davon nie die Schnauze voll?
Doch, jetzt, lass mich schlafen. (lacht) Nur Spaß. Ich liebe es, das ist mein Leben.
 
Zum Beispiel hast du die Show »Dogg ­After Dark«. Macht es mehr Spaß, Leute zu ­interviewen, als interviewt zu werden?
Ja, da kann ich andere in Verlegenheit bringen, dafür sorgen, dass sich mal der Andere unwohl fühlt. Das Ding ist aber: Ich tue das gar nicht wirklich. Ich will eigentlich, dass sich die Leute, dich ich ­interviewe, wohlfühlen. Deshalb erzählen sie mir auch alles.
 
Du hast dich bei Crooked I und Soulja Boy ­dafür entschuldigt, sie öffentlich ­runtergemacht zu haben. Man merkt, dass es Werte gibt, für die du stehen willst. Fällt es dir manchmal schwer, deinen Ansprüchen an dich selbst gerecht zu werden?
Ich habe kein Problem damit, mich zu ­entschuldigen. Ich bin ein Mann, jeder macht ­Fehler. Man muss den Leuten auch zeigen, dass es okay ist, sich zu entschuldigen. Man muss nicht ­hochnäsig durch die Gegend rennen, wenn man weiß, dass man im Unrecht ist.
 
Soulja Boy ist sogar eines der wenigen Rap-Features auf »Malice N Wonderland«. Hatte das musikalische Gründe oder wolltest du durch ihn die Jugend erreichen?
I mean, he’s just… he’s the shit. Seine Musik ist geil, er versteht die ganze Sache, er hat einen Plan. Soulja Boy ist eine Maschine. Der nächste Snoop Dogg. Er ist so gut vermarktbar, ist sich darüber im Klaren und geht seine Karriere mit ­Geschäftssinn an. Er stellt sich auch den negativen Dingen. Ich habe ihn gehatet, die ganze Welt hat ihn gehatet, aber er hat das überwunden. Jetzt ist er an einem Punkt, an dem er einfach Musik ­machen kann.
 
Soulja Boy ist ein Vertreter der Internetgeneration. Was kann ein Veteran wie du von ihm lernen?
Genau das, meinen Arsch ins Netz zu bewegen. Er zeigt, wie man sich interaktiv verhält und dem Fan nah bleibt. Meine Generation hat sich auf Labels verlassen, Soulja Boy sorgt selbst für seinen Erfolg. Wenn ich dir mein Album verkaufen will, kann ich nicht meinem Manager sagen, er soll dich überzeugen. Keiner kann dir so gut sagen, warum du meine Musik kaufen sollst wie ich selbst. Vielleicht würde mein Manager Argumente bringen, die dich anpissen. Wenn ich etwas sagen würde, das dich anpisst, wärst du immer noch anderer Meinung, aber würdest meinen Standpunkt respektieren, weil ich ihn ehrlich und persönlich rübergebracht habe. Manchmal einigt man sich auch darauf, sich uneinig zu sein.
 
Heute ist deine halbe Familie im Showgeschäft. Brandy, Nate Dogg, Daz, RBX, Lil’ Half Dead und Ray J sind allesamt verwandt mit dir. Hattest du als Kind schon das Gefühl, Teil einer musikalischen Familie zu sein?
Immer. Wir haben bei Talentshows mitgemacht, ­Tapes aufgenommen und waren uns sicher, dass es einer von uns schaffen würde.
 
Nate Dogg hatte im letzten Jahr zwei ­Schlaganfälle, geht es ihm wieder besser?
Ja. Ihr müsst weiter für ihn beten und es wird ihm weiter Stück für Stück besser gehen. Ob er jemals wieder Musik aufnehmen können wird, muss man abwarten. Er lebt sein Leben von Tag zu Tag.
 
Du hast dieses Jahr öffentlich gemacht, dass du Mitglied der Nation Of Islam bist.
So wird das überall gesagt, es stimmt aber nicht. Meine Religion ist es, Gott zu lieben. Ich liebe alle Menschen, unabhängig von ihrer Religion. Ich habe mit Minister Farrakhan und seinen Leuten eine enge Beziehung, sie sind Familienmitglieder, ich ­unterstütze, was sie tun. Aber ich bin selbst nicht in der Nation Of Islam.
 
Zu »Malice N Wonderland« hat dich der Sound des Filmmusikkomponisten Lalo Schifrin inspiriert. Du wolltest einen düsteren Vibe rüberbringen und allen zeigen, dass du immer noch die härtesten Lyrics bringst. Später hast du den »Wonderland«-Aspekt hinzugefügt und heute beschreibst du das Album sogar manchmal als »Feelgood-Musik«. Was ist passiert?
Lalo Schifrin hat mich nicht nur inspiriert, er hat mir auch den Titel vorgeschlagen. Ein Konzept zum Namen hat er mir aber nicht gegeben. Das war mein Job. Konzeptionell habe ich mit einer Menge Boshaftigkeit begonnen und fand mich am Ende des Weges im Wunderland wieder. Am Anfang ist das Album ­düster und böse, am Ende hörst du Glück und Freude.
 
Dein aktuelles Mixtape »I Wanna Rock» ­konzentriert sich auf den »Malice«-Aspekt. Würde dein Album wie das Mixtape klingen, wenn sich die harten Tracks so gut wie die ­positiven verkaufen würden?
Wenn ich bei einem großen Fernsehsender eingeladen bin, kann ich auch nicht meinen Schwanz auspacken schreien: »Ich will dich ficken, du Schlampe!« Du musst wissen, in welcher Situation du gerade bist. Durch meine Alben kann ich Popmusik machen, die das Radio spielt. Die Mixtapes mache ich hingegen, weil ich meinen Leuten geben muss, was sie von mit gewohnt sind. Wäre mein Album komplett in diesem Style… Nimm zum Beispiel Nas’ »Untitled«-Album. Ein super Album, aber mit diesem Konzept und Inhalt lief es nicht im Radio. Ich will in beiden Welten stattfinden, und ich weiß, wie das geht, ohne mich bei einem von beidem verstellen zu müssen. Wie viele Artists kennst du, die das können? Da gibt’s nur mich.
 
In einer deiner Shows hat Teddy Riley zu dir gesagt, du wärst einerseits ein Familienmann, andererseits würde dich die Straße immer noch anziehen. Repräsentieren die ­»Malice«- und die »Wonderland«-Songs die beiden ­bestimmenden Pole in deinem Leben?
Definitiv. Ich weiß aber, in welche Richtung ich gehen muss. Die Straße ist Vorstellung, die Familie ist die Realität. Und manchmal muss ich mich von der Vorstellung lösen, um zur Realität zurückzukehren.
 
Hattest du nie Angst, dass der Comedian, der ein Kinder-Footballteam trainiert, und der Gangster aus Long Beach für den Hörer nicht mehr zusammenpassen?
Nein. Weil ich beides bin. Ich war immer lustig, aber auch ernst, ein cooler Zeitgenosse, aber manchmal auch ein Arschloch.
 
Du stehst dazu, dass du inzwischen mit ­Ghostwritern arbeitest. Kannst du mir sagen, wer welchen Song auf deinem neuen Album geschrieben hat?
Da muss ich dir erstmal ein wenig Geschichte erzählen. Von Dr. Dres erstem Album »The Chronic« habe ich 85 Prozent geschrieben. Mein Album »Doggystyle« habe ich zu 100 Prozent selbst geschrieben, genau wie »Tha Doggfather«, »Da Game Has To Be Sold…«, »Murder Was The Case« oder »Top Dogg«. Wieso sollte ich anschließend nicht mal anderen eine Gelegenheit geben? Für »The Chronic« habe ich nicht nur meine eigenen Strophen, sondern auch die von Dr. Dre, Daz, RBX und manche von [Lady of] Rages Strophen geschrieben. Was wäre, wenn Dre mir diese Chance nicht gegeben hätte? Dann hätte es kein »Deep Cover«, kein »Nuthin’ But A G Thang«, kein »Let Me Ride« oder auch kein »Chronic 2001« gegeben. Das war eine Chance für mich und die will ich jetzt anderen geben. Wie könnte ich das besser zurückgeben? Welchen Unterschied macht es, welcher Song von mir selbst geschrieben wurde? Ich gebe Liebe. Chancen.
 
Also sagst du mir nicht, wer was geschrieben hat.
Lies das Booklet.
 
Okay. [Wie sich später herausstellte, stehen die Autoren nicht im Booklet, Anm. d. Verf.] Ich habe aber ein anderes Problem damit. Du hast mal gesagt, dass auch in anderen Genres der Interpret nicht zwangsläufig gleichzeitig der Songwriter ist. Rap bezieht sich aber doch viel stärker auf das Leben des Interpreten.
Nein. Als ich Dres Texte geschrieben habe, waren die aus meiner Perspektive geschrieben. Er hat dieses Leben nicht gelebt. Er hat kein Chronic geraucht und war nie in Gang-Kämpfe verwickelt. Er hat nichts von dem getan, was ich auf »The Chronic« beschrieben habe. Ich habe es so geschrieben, dass es ihn angesprochen hat. Was er getan hat, hat uns angesprochen. Er war der O.G., der es schon geschafft hatte und war bei dem Album einfach so etwas wie der Aufseher. Wenn du für jemanden schreibst, muss es nichts mit dem Leben dieser Person zu tun haben, es kann einfach das Leben allgemein widerspiegeln. Nimm Will Smith, der hatte früher gute Songs, die nichts mit dem zu tun haben, was er heute darstellt. Ein Song ist ein Song. Nur weil ein Rapper aus einer schlechten Gegend kommt, ist das nicht alles, wovon seine Songs handeln dürfen. 50 Cent und ich kommen aus solchen Gegenden, aber jetzt sind wir Bosse, also müssen wir auch darüber schreiben dürfen.
 
Das ist ja etwas anderes, denn ihr seid heute wirklich in dieser Situation.
Okay, aber was ist mit denen, die nicht in dieser besseren Situation sind? Ein Song sollte Musik, Melodie und Wörter mitbringen, die dir ein gutes Gefühl geben. Mehr nicht. Diese Versuche, das personalisieren zu wollen… When real niggas took control of it, we fucked the whole game up. Wir haben der Musik Identität gegeben. Es ging darum zu sagen: Scheiß drauf, wie ihr lebt, wir leben anders. Ich war der erste Rapper, der einen Song eines anderen Rappers neu aufgenommen hat, als ich [auf »Doggystyle« Slick Ricks] »Lodi Dodi« gebracht habe. Das ist dasselbe, was RB-­Artists machen. Habe ich damit gebitet? Nein! Ich habe einem Artist Respekt erwiesen, der mich ­beeinflusst hat.
 
Du hast den Text auch angepasst und ihm deine Note gegeben.
Das passiert immer, wenn jemand einen Song neu interpretiert! Man macht es nie wie der Originalkünstler, sonst ist es Zeitverschwendung. Schon als Elvis oder Pat Boone unsere Songs geklaut haben, haben sie dabei ihre eigene Note eingebracht und dadurch mehr damit verdient als wir. Jetzt sind wir, die Schwarzen, am Zug. Wir wollen Hommagen aufnehmen und wir wollen andere für uns schreiben lassen. Das ist etwas, dass es seit 40 Jahren gibt, nichts Neues also.
 
Ein Rapper verkörpert auch abseits der Bühne das Image, das er in seinen Songs ­inszeniert und brüstet sich damit, ­besonders real zu sein. Als Rap-Fan hast du kein Problem damit, ein Hardcore-Gangstarap-Album von jemandem zu hören, der dieses Leben nie ­gelebt hat?
Wenn jemand weiß, wie er etwas so ausdrücken muss, dass es funktioniert, musst du ihm Res­pekt dafür geben. Guck dir Arnold Schwarzenegger an, der hat nur Filme gemacht, in denen er Leute abgeschlachtet hat. Also wer ist er? Der Terminator oder der Governator?
Er ist Schauspieler. Er hat nie behauptet, er wäre privat der Terminator. Ich weiß nicht, ob das so ist. Als Politiker verhält er sich nicht anders als auf dem Bildschirm – he’s still killing motherfuckers. Für mich ist Musik wie ein Film. Es muss nicht alles echt sein. Manches sollte vorgespielt sein. Guck dir große Rockmusiker wie die Beatles an. Die waren bei den Aufnahmen auf jeder Droge der Welt. Nüchtern hätten sie solche Texte nie hinbekommen, das war pure Fantasie. Die haben nicht gelebt, was sie gesungen haben, sie waren einfach nur high. Aber weil sie weiß und aus London sind, wird ihre Musik nicht als »fake« bezeichnet. Wenn jemand einen guten Song macht, egal in welchem Genre, hör auf darauf zu gucken, wieso er es richtig gemacht hat, wie er es richtig gemacht hat oder was er beim Richtigmachen falsch gemacht hat. Bei den Beatles machst du das auch nicht. Recherchier da mal. Haben die Beatles ihre Songs immer selbst geschrieben? Elvis?
 
Rap ist für mich aus zwei Gründen anders als andere Genres. Erstens, weil ein Rapper immer angibt, von seinem eigenen Leben zu sprechen. Und zweitens, weil man als Rapper stolz auf seine lyrischen Fähigkeiten ist und damit angibt. Letzteres geht nicht, wenn du den Text nicht selbst geschrieben hast.
Aber denk dran, was ich gesagt habe! Wir haben damals die Kontrolle übernommen. Unsere Generation hängt nicht mehr von den Bäumen, wird nicht in Wasserlöchern ertränkt, von Hunden gehetzt und ausgepeitscht. Unsere Generation fickt alles. Deshalb hatten wir zwei große Aufstände in unserer Generation. Wir sind anders als unsere Vorfahren. Du musst das so sehen: James Brown, Sam Cooke und Curtis Mayfield hatten alle schon ihre eigenen Labels. Aber als wir übernommen hatten, wollten wir noch mehr: Wir wollten der Boss sein und das ganze Geld selbst verdienen. Trotzdem kommen wir noch nicht überall hin. Kein Schwarzer besitzt einen Vertrieb, obwohl wir die Musikindustrie beherrschen. Wieso? Das ist das nächste Level, das die nächste Generation erreichen wird. Dazu gehört für mich auch die Freiheit, die Texte von anderen schreiben zu lassen. Wenn du denkst, unsere Ge­neration wäre verrückt, warte was nach uns kommt. Guck auf die, die vor uns kamen: Martin Luther King, Malcolm X – alle erschossen. Guck auf uns: alle am Leben. Und alle haben Kinder. Was werden deren Kinder tun? Die werden genauso unterdrückt werden und man wird mit ihrer Reaktion rechnen müssen. Die werden die Verlage und das Fernsehen übernehmen. Es sollte bei Musik nicht darum gehen, ob sie mein Leben ist. Es sollte darum gehen, wie gut sie ist. Die Hälfte der Countrysänger schreibt keine Texte, gewinnt aber Awards. Lionel Richie hat »Lady« von Kenny Rogers geschrieben. Wie kann ein Schwarzer einen Countrysong schreiben? Ist das falsch? Dolly Parton hat wiederum einen Song für Whitney Houston geschrieben: »I’ll Allways Love You«, Whitneys größter Hit. Musik ist Musik und sollte als solche respektiert werden. Das ist meine Antwort an alle, die Fragen nach Rappern und Ghostwritern stellen. Jeder weiß, dass ich freestylen kann. Ich brauche also nicht mal einen Text, um über jedes Thema der Welt zu rappen. Wenn ich jemanden schreiben lasse, sollte man das so verstehen, dass ich jemandem die Gelegenheit gebe, der nächste Snoop Dogg zu werden. Darauf wurde HipHop aufgebaut: das nächste große Ding zu werden. Ich kann darauf nicht sitzen bleiben, ich muss es weitergeben.
 
Text: Tobias »Toxik« Kargoll
 
 

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