Skepta – Konnichiwa // Review

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konnichiwa klein

(Boy Better Know / Sony Music)

Wertung: Fünfeinhalb Kronen

Pardon my Binsen-Swag: Weniger ist manchmal schlicht und ergreifend mehr. Also Mülltonne aufgeklappt und sich alles überflüssig Gewordenen entledigt: des teuren Designerfummels, des Schweizer Chronografen, der käsigen Tanzmoves und hirnrissigen Videokonzepte (Porno-Musikclip-Hybrid, anyone?). »Put it all in the bin cos that’s not me«, konstatierte Skepta vor rund zwei Jahren gemeinsam mit Bruder JME und DJ Maximum vor einem Green Screen, das Videobudget gerade mal 80 Pfund Sterling hoch. Jene Reduktion auf die Essenz sollte nicht nur der Reset-Knopf für die Karriere des Joseph Junior Adenuga werden. Nein, »That’s Not Me« war gleichzeitig der Beginn eines Grime-Revivals, das längst zum erdball-umspannenden Megahype angewachsen ist. Während man sich in England mittlerweile über das Selfie-Video eines amerikanischen Teenie-Weißbrots schlapplacht, der in seiner verhaspelten Version von »Shutdown« von Selassie, touching road und faken Rasta-Moslems erzählt, krönt Skepta mit »Konnichiwa« seinen zweijährigen Siegeszug als Flugmeilen sammelnder Botschafter britischer Rave-Kultur. Das vierte Album des MCs aus Tottenham orientiert sich über weite Teile am Fundament der schmutzigen Musik: stahlharte Beat-Skelette treffen auf ultrapräzise gespuckte Flows und simple, streckenweise einfältige Synthie-Melodien. Statt aalglatter Schnulz-Hooks findet man auf dem Chorus zu »Ladies Hit Squad«, einem Koitus-Slowjam im Grime-Gewand, nur einen schief krächzenden A$AP Nast wieder. So klingt keiner der zwölf Tracks nach Kompromiss – keine Selbstverständlichkeit, weiß man um die Historie des Genres Grime und dessen geschmacksverirrende Popausflüge während der Spielzeiten 08 bis 12. »Konnichiwa« dreht sich stattdessen um die Unabhängigkeit von der Plattenindustrie, die man nach Jahren der kommerziellen Ausschlachtung zurückgewonnen hat. Es geht um die teilweise menschenunwürdigen Lebensumstände, die der sündhaft teure Moloch London für die Menschen am unteren Ende des sozialen Spektrums bereithält. Vor allem aber handelt das Album von Skeptas Unantastbarkeit am Mikrofon, denn Grime ist abseits seiner sozialkritischen Töne die elektroide, von anderen Bassmusik-Genres der Insel und afrokaribischer Musikkultur geprägte Form dessen, was man im deutschen »Rap über Rap« nennt. Gut zwei Drittel des Albums nutzt Skeppy, um seinen Status als König dieser Disziplin zu zementieren. »You don’t wanna hear my verse come after your verse«, rappt er und stellt klar, dass jegliche Freundschaft spätestens an der Tür zur Gesangskabine aufhört. Würdige Sparringspartner findet er dementsprechend nur in den eigenen Reihen: Wiley, JME, Shorty, Frisco und Jammer verewigen sich neben dem Protagonisten, während Novelist beweist, dass man sich keine Sorgen um die Zukunft des Genres machen muss. Die rar gesäten US-Features (der bereits erwähnte Nast, der früher als A$AP Bari bekannte Young Lord und ein deplatziert wirkender Pharrell) laufen hingegen außer Konkurrenz und fügen dem ansonsten durch und durch britischen Album nur Nuancen hinzu. Drake, der Skepta und dessen BBK-Kollektiv seit 2014 umschmeichelt und sich die unverfälschte Coolness des Tottenham-Native abzapft, sucht man unterdessen vergebens. Aller neuen Freundschaften zum Trotz (»I got day ones and I got new ones, no fakes ones, trust no one«), weiß Skepta, dass er die Cosigns befreundeter Weltstars nicht nötig hat. Um die eigene Welle zu surfen, braucht er lediglich einen harten Riddim und einen einfarbigen Tracksuit. Alles andere liegt zu Recht in der Mülltonne.

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