The Roots – … And Then You Shoot Your Cousin // Review

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Roots-cover(Def Jam/Universal)

Wertung: Vier Kronen

Nie zuvor in ihrer 27-jährigen Karriere waren The Roots berühmter als heute. Fünfmal wöchentlich treten sie in Jimmy Fallons »Tonight Show« als inoffizielle Schlaflied-Lieferanten der USA auf. Bandleader ?uestlove hat sich mit seiner letztjährigen Autobiografie »Mo’ Meta Blues« zu einer der geist- und einflussreichsten Stimmen in allen Popkulturfragen des Landes aufgeschwungen. Der Output von The Roots hat trotz solcher Nebentätigkeiten bisher nicht gelitten. Weiterhin erscheint ungefähr alle zwei Jahre ein neues, mindestens solides Studioalbum, »… And Then You Shoot Your Cousin« ist inzwischen das elfte. Je bekannter The Roots werden, desto ambitionierter wird aber auch ihre Musik. »Undun« war zuletzt eine kurze, komplizierte Gangster-Ballade, von der Band rückwärts und sogar mit den Mitteln moderner Klassik erzählt. »… And Then You Shoot Your Cousin« versteht sich als Konzeptalbum über Anspruch und Wirklichkeit von HipHop im Jahr 2014. Rap ist längst allgegenwärtig, der größte und lukrativste Schauplatz der Popmusik. Den Kontakt zur Basis hat er im Zuge seines Aufstiegs aber verloren, glauben The Roots. Die Musik stagniert im engen Rahmen aus Beats und Reimen, die Themen und Protagonisten werden immer weltfremder und gewaltbereiter. Man muss der Band hoch anrechnen, dass sie ihr neues Album mit diesen nicht mehr ganz neuen, eher trockenen Überlegungen niemals überfrachtet. »… And Then You Shoot Your Cousin« ist wie jede Roots-Platte ein bestechend musikalisches Bandalbum, dabei aber genauso kompakt wie »Undun«. Streicher und Tasteninstrumente spielen größere Rollen als Samples, Raps und Gastgesang von Patty Crash, Mercedes Martinez und Raheem DeVaughn stehen beinahe gleichberechtigt nebeneinander. ?uestlove bleibt trotz seines inzwischen erreichten Status ein songdienlicher, uneitler Schlagzeuger, Black Thought ist noch immer ein kluger, grimmiger (und womöglich stark unterschätzter) Geschichtenerzähler. The Roots beweisen so ihre anhaltende Wichtigkeit als Fragensteller, Gegengewicht und schlechtes Gewissen im modernen Rap, auch wenn sie ihrer längst ausformulierten Klangsprache diesmal keine entscheidenden Neuerungen hinzufügen. »… And Then You Shoot Your Cousin« mag nur 33 Minuten dauern, um es vollständig zu entschlüsseln, wird man aber einige Folgen der »Tonight Show« auslassen müssen.

Text: Daniel Gerhardt

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