Review: Muso – Stracciatella Now // Review

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(Chimperator/Groove Attack)

Wertung: Vier Kronen

Gerade noch stolperte Muso durch die Heidelberger Altstadt. Der Morgen ist bereits angebrochen, die Luft ist feucht und riecht nach Sommer. Jetzt sitzt er in seinem WG-Zimmer, die Konter-Cola neben sich und kann nicht schlafen. Die Narkotika der vergangenen Nacht, sie wirken noch. Also nimmt sich Muso seinen Stift und schreibt. Ohne Beat, ohne Verstand, einfach so – zwischen Restwahnsinn der vergangenen Party und jener Klarheit, die einen nur nach einem durchlebten Sonnenaufgang ereilt. Dann, Stunden später, steht dort auf dem Blatt ein Text, so abstrakt und obskur wie der von »Garmisch-Partenkirchen«. Einer, der zwischen kryptischen Halbweisheiten, absurden Ausrufen (»Der Heidelberger Modezar, ich kauf die Drogen, klar!«) und intelligenten Sinneseindrücken jene Weirdness liefert, die man sich von diesem Projekt erwartet hatte. Bislang vermochte es im deutschsprachigen Pop niemand, den Geisteszustand hedonistischer Vielfeierer zwischen übermächtigem Ja/Nein/Vielleicht-Ethos, Selbstdarstellung und der Vorfreude auf die nächste Clubnacht adäquat auf Platte zu bannen. Nun aber: Muso. Er schafft es mit seinen Texten, einen solchen Menschen voller innerer Widersprüche schlüssig zu porträtieren. Der Soundtrack von scheinbar grenzenloser Bandbreite, der dieses Unterfangen begleitet, wurde von Markus Ganter und Konstantin Gropper geschaffen. Ob nun edelster Pop wie bei »Blinder Passagier«, dem einzigen klarsichtigen Hit der Platte, klinisch gestalteter Club-Sound (»All Eyes On You«) oder das völlig freidrehende »Knutsch nicht mit dem Disco-Muso«, das klingt wie die Filmmusik zu einem unter Wasser spielenden Drogenfilm – alles geht, nichts muss. Kurzum: Dieses Album klingt sehr gut und macht zudem die Frage überflüssig, ob Muso nun genia­ler Lyriker oder verrückter Hochstapler ist. Tatsächlich stellt er, ganz einfach, beides dar und bildet damit einen notwendigen Gegenpol zu all der Rapmusik, die um jeden Preis verstanden werden möchte. »Stracciatella Now« ist radikale, eigensinnige, moderne Musik, die manchmal überfordert – HipHop eben.

 

Text: Sascha Ehlert

 

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