Review: eRRdeKa – Paradies

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errdeka_cover(Keine Liebe Records/Groove Attack)

Wertung: Fünf Kronen

Es war mir lange nicht klar, was mir eigentlich plötzlich im deutschen Rap fehlte, schien doch alles so wie immer zu sein, andere sagten sogar besser denn je. Doch gerade der sogenannte Mittelstandsrap machte mich fertig – langweilige Lieder über die langweiligen Probleme einer gelangweilten Jugend. Ewiges Selbstbespiegeln ohne Erkenntnisgewinn und aus gutem Grund im Schnellverfahren in die Hall of Bedeutungslosigkeit aufgenommen. Mit einigen wenigen Ausnahmen, waren alle Rapper, die nicht gerade Straßenrap machten, plötzlich nur noch Epigonen von Casper, Prinz Pi, Marteria oder schlimmstenfalls Cro. Ihr Auftreten, ihre Texte, ihre Beats: alles gleichermaßen berechnend wie berechenbar. Ich muss das alles sagen, weil ich fürchte, manche könnten den vorliegenden Text in den falschen Hals bekommen. Denn eRRdeKa, mögen die Zeichen auch leichtestens anders deutbar sein, ist kein Epigone, keine Kopie der Kopie der Kopie, ist weder berechnend noch berechenbar. Mit seinem Debüt »Paradies« ist ihm schlicht ein durchweg starkes Rapalbum gelungen, das selbst über die größten Zweifel erhaben sein dürfte. So erfrischend ist es aber auch deswegen, weil er nicht nur sein Mittelstandsleid vom Jugendlichen mit zu viel Zeit und zu vielen Drogen beschreibt, sondern dazu Wack-MCs zwischen den Fingern zerreibt. Aber selbst die verhältnismäßig alte Leier vom seelisch verwahrlosten Twentysomething stört bei eRRdeKa nicht. Es sind Herangehensweise, Originalität in Schmerz und Witz, die besagten Langweilern höchstens einmal pro Album gelingen und die eRRdeKa auf seinem Debüt im Sekundentakt abfeuert. Die Produktionen von Max Mostley tun ihr Übriges und sorgen mit rumpelnden Drums und cloudy Samples dafür, dass auch der letzte Realkeeper nickt. Was der Szene also fehlte und was eRRdeKa ihr zurückgibt, sind schlichte Glaubwürdigkeit und eine gnadenlose Vortragsweise. Gerade der Augsburger Jungspund, der vielen durch seine Optik Anlass zu Vorurteilen gibt, macht die Szene mit Tugenden aus dem HipHop-Grundgesetz wieder gesund. Das letzte Wort gehört traditionell dem Künstler selbst, denn wer könnte das oben gesagte besser in zwei Sätzen zusammenfassen: »Was real? Von euch hört man nur Spraydosengeklimper/Meine Raps findet ihr nur wegen den Gay-Hosen behindert.«

Text: Max Lessmann

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