Casper – Hinterland // Review

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Casper-Hinterland

(Four Music/Sony)

Wertung: Sechs Kronen

Im JUICE-Katalog der verbotenen Phrasen steht eine Formulierung ganz oben: (Genre-)Grenzen sprengen. Ganz selten kommt man jedoch um das No-Go-Mot nicht herum. Das Grenzensprengen wird auf »Hinterland« zum alles bestimmenden Moment. Konventionen, Erwartungen, Regeln und Status quo – alles pulverisiert im Getrommel, Geschrammel, Geklatsche, Gesinge, Geklimper und Gekrächze, im ganzen Gestus dieses so lauten wie leisen Werkes. Gut, erst mal fast eine Minute lang ruhige Stimmungsmache, aber dann die Percussions, Gitarren, Bläser und anderen Töne, die fast über das gesamte Album gewittern. »Dies ist kein Abschied, denn ich war nie willkommen/Will auf und davon und nie wiederkommen.« Für Casper ist dieses Hinterland verhasster Käfig, aber eben auch geliebte Höhle. Es geht ihm mit Rap wohl ähnlich. Über die Referenzen Tom Waits, Nick Cave und Tom Petty wurde bereits geschrieben, TV On The Radio oder Grizzly Bear gibt es von mir. Wir wissen: Da ist viel Platz in Caspers Mixtape-Herz. Wenn die perkussiven Elemente sich nicht mehr überschlagen und zu gerade werden, kommt man als Mensch mit schmalerer Mixtape-Samm­lung schon in Schwierigkeiten. Zu »Alles endet« kann man live mit Rockergrimasse auf die Monitorboxen stampfen. »La Rue Morgue« ist eine Seefahrer-Trinker-Schunkelei, die auch auf dem Pfadfin­derlager geht. Aber: La la la, la la la la, las gut gen. »Hinterland« ist durchzogen von Triggern für das gemeinsame Live-Erlebnis, aber eben auch von intimen Stellen, die man ganz für sich alleine hat. Aber: Es ist eben ein gottverdamm­tes Rap-Album. Auf »20qm« hört man Caspers großes Talent am einfachsten heraus, wenn er auf einem Nicht-HipHop-Beat seinen Rap-Drang von der Leine lässt und wieder singsangig ranholt. »Ariel« versinkt in analogisiertem Cloud-Rap, Feengesängen und im Hall vernebelnden Drums. »Endlich angekommen« ist mit klickenden Hi-Hats und Unterbauchbässen noch viel mehr 2013er Rap – und auch da kann man ja im Chorus immer noch den modernen Kram runterdrehen, damit man auf der Bühne die Leute zu Gitarrenzupfen auffordert, die letzte Silbe immer noch mal zu wiederholen. »Alles zieht vorbei, bei, bei, … bei.« Schließlich »Jambalaya« – Soul-Claps und Flexen, Karneval-Bounce mit Bläser-Chorusline, Kinderchor und den ganzen verfickten Ansagen, die sich einer der besten Rapper in diesem Lande nicht nur erlauben kann, sondern muss. Ausnahmsweise gibt es eine weitere inakzeptable Phrase: Die Messlatte für deutschen Rap wurde gerade höher gehängt. #catchcasper

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