Real Talk #4

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Staiger
 
Als die Rap-Welt wieder einmal ein Statement erreicht, diesmal von ­Manuellsen, dachten viele, dass es ein weiteres Mal um »Ehre«, »Verrat« und »Loyalität« ginge. Das Thema war aber ein ­Größeres: Es ging um Rassismus und das N-Wort. Und um es kurz zu machen: Manuellsen hat Recht. Es ist nicht korrekt, das N-Wort zu benutzen, doch beim Blick auf Facebook & Co scheint es, als müsse man dazu noch mal ein paar Dinge klarstellen.
 
Zunächst fällt auf, wie penetrant so mancher darauf beharrt, er dürfe das N-Wort nutzen. Das erinnert mich an Gespräche mit älteren Verwandten, die darauf bestehen, »Negerkuss« sagen zu dürfen, weil sie das schon immer gesagt haben. Diese Menschen ­begreifen nicht, dass nicht sie darüber zu ­bestimmen haben, ob eine Bezeichnung beleidigend ist oder nicht. Das Urteil darüber kann nur von denen gefällt werden, die mit dem N-Wort angesprochen werden, und die haben ihr Urteil gefällt: Sie wollen nicht so betitelt werden. Das Wort ist geschichtlich vorbelastet und wurde stets als Ausdruck eines Überlegenheitsdenkens eingesetzt. Sprache als Herrschaftsmittel! Und wenn man die Beziehungen der Menschen untereinander neu sortieren will, ist es wichtig, derlei Ausdrücke aus dem ­Sprachgebrauch zu verbannen.
 
Das ist eigentlich nicht schwer zu verstehen. Bei der Verwendung kränkender Spitznamen in eurem Freundeskreis wehrt ihr euch doch auch. Nur ihr selbst entscheidet das – nicht die anderen. Aus diesem Grund ist Flers Hinweis, Manuellsen solle sich doch bitte auch für Kinder stark machen, die als »Kartoffel« beschimpft werden, eigentlich richtig, wenngleich er an einer Stelle hinkt. Wird ein Deutscher in einer von Migranten dominierten Umgebung aufgrund seiner Herkunft beschimpft, dann ist das ebenso rassistisch.
 
Äußern sich hingegen Menschen mit Migrationshintergrund über die »scheiß Kartoffeln« in der Politik, hat das ein anderes Gewicht, als wenn sich irgendwelche Hohlköpfe über »scheiß N**ger« äußern. An der Spitze der Welt stehen eben in der Regel immer noch weiße Männer. Sie üben Herrschaft aus. Und eine Beleidigung von unten ist immer noch etwas anderes, als eine Beleidigung von oben (im konkreten Fall Schulhof sieht das ganz anders aus, deshalb geht das nicht klar). Das sind jetzt Spitzfindigkeiten und ganz sicher können wir uns darauf einigen, dass Beleidigungen, die auf die ­Herkunft abzielen, immer whack sind. Deswegen war das, was in der ­Diskussion um Manuellsens ­Statement an Beleidigungen ­angeboten wurde, ganz klar ­rassistisch. Fast scheint es so, als wäre ein Damm gebrochen und Leute würden sich daran aufgeilen, endlich wieder ­dumpf-­nationalistische Scheiße auspacken zu können. Kann sein, dass manch einer ­dachte, man könne Manuellsen mit solchen Äußerungen am besten aus der ­Reserve locken. Aber die ­Diskussion beweist leider auch, dass die Rassismus-Keule die ganze Zeit im Schrank ­gestanden haben muss – und zwar gut versteckt ­unter dem Deckmantel der ­eigentlich so liberalen HipHop-Kultur. Dann kam der »Hey, das wird man doch wohl noch sagen dürfen«-Moment. Natürlich darf man das. Man darf vieles in diesem Land. Aber warum sollte man? Warum sollte man so etwas sagen wollen, wenn man diese Kultur liebt? Warum sollte man überhaupt irgendwen aufgrund seiner Herkunft oder seines Aussehens beleidigen wollen? Dafür habe ich kein Verständnis.
 
Doch in letzter Zeit scheint sich diese Scheiße wieder ­verstärkt eingebürgert zu haben. Kay One wird von Bushido als »Thai-Nutte« beschimpft. Jude ist auch auf ­Facebook wieder ein ­beunruhigend beliebtes Schimpfwort. Deutsche werden als Kartoffeln ­gedemütigt. Und Fler beleidigt nicht nur ­ehemalige Freunde rassistisch, sondern ruft zu einer Wiederholung der »Neuen Deutschen Welle« auf.
 
Jungs, mal ganz ernsthaft: Ich bin kein Linguist und war schon ­immer ein großer Freund origineller Beschimpfungen. Und klar, man findet auch in meiner ­Geschichte und der meines ehemaligen Labels Royalbunker genug rassistische, ­homophobe und sexistische ­Scheiße. Ich kann auch immer noch ein Bushido-Album lustig finden, auf dem er an jeder ­passenden und ­unpassenden ­Stelle das Wort »schwul« benutzt – und es gleichzeitig scheiße finden, dass er leider auch im echten Leben ein Problem mit der ­Homosexualität anderer Menschen hat. Mit Sicherheit bin ich auch nicht die moralische ­Instanz, die alles aburteilen kann und möchte, aber eine Sache ist mir wichtig: Als ich anfing mit diesem HipHop-Ding, da galt ein Spruch für alle: »Es kommt nicht darauf an, woher du kommst, es kommt darauf an, wer du bist.« Mit anderen Worten: Ich scheiße auf Nationalfahnen. Ich scheiß’ darauf, wenn Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ­Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit ­beleidigt werden. Und ich scheiße auf jeden, der nicht kapiert hat, dass man niemanden aufgrund seiner Sexualität zu beleidigen hat. Auch diese Stadtverbote und das Bedrohen von Leuten – was soll das?!
 
Das ist alles so behindert (an dieser Stelle möchte ich mich aufrichtig bei allen ­gehandicapten Menschen für den Gebrauch dieses Wortes entschuldigen, denn ich weiß natürlich, dass ich »behindert« nicht als Schimpfwort benutzen sollte), dass ich gar nicht mehr weiß, was ich noch sagen soll. HipHop war cool, weil er in ein paar Sachen anders war als die Gesellschaft: Er war ­antirassistisch, antinationalistisch und mit all seinen Fehlern doch immer für die Schwachen. Ich fände es schade, wenn ich mir eingestehen müsste, dass ich mich ­dahingehend all die Jahre geirrt habe.
 
Diese Kolumne ist erschienen in JUICE #158 (hier versandkostenfrei nachbestellen).
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