RAF Camora – Ghøst // Review

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raf-camora-ghost-cover(Indipendenza/Groove Attack)

Wertung: Vier Kronen

Der Künstler hinter der Person Raphael Ragucci war und ist schwer zu greifen. Beim Switch zwischen seinen Alter-Egos RAF 3.0 und RAF Camora fehlte es stets ein wenig an Trennschärfe, sodass die Unterscheidung zwischen beiden Profilen immer ein bisschen schwer fiel. RAFs musikalische Offenheit ist einerseits ein großes Plus, ander­er­seits steigert diese Grenzenlosigkeit in Bezug auf musikalische Genres wie Rap/Trap, Dancehall/Reggae, Grunge etc. auf Rezi­pientenseite die Wahrscheinlichkeit zum Orientierungsverlust, wenn man RAF auf seinen mannigfaltigen Kreativwegen folgt. Und der Umstand, dass er nicht nur rappt, sondern auch singt, dass er seiner Zeit oft voraus ist (Stichwort Auto-Tune und Dirty-South-Anleihen), dass er keine Angst vor Pop hat – all das macht ihn zu einem der spannendsten, weil unberechen­barsten Deutschrap-Künstler, aber auch zu einem der sperrigsten, wenn es darum geht, einen Zugang zu ihm und seiner Musik zu finden. Auch »Ghøst« ist von dieser zwiespältigen Vielfalt durchsetzt. Aber RAF zelebriert diese Diversität. Allein wie viele verschiedene Flows er auf der Platte auspackt, ist wahnwitzig. Und der Umstand, dass er seine Raps zusätzlich mit Gesang variieren kann, steigert seine Modifizierungsmöglichkei­ten ins Unendliche. Das funktioniert hervorragend in Stücken wie dem Titeltrack, für dessen düstere Atmo man keinen besseren Namen hätte finden können, oder im reminiszierenden »Magnetisch«, auf dem RAFs sonst stets gen Zukunft gelenkter Blick einen spannenden Richtungs­wechsel erfährt. Gleichzeitig ist diese Stärke von RAF auch seine größte Schwäche, denn nicht ­jeder stilistische Kniff, jede Modu­lation ist allein deshalb gut, weil sie anders ist. Deutlich wird das im Stück »Panzer«, das mit seinen Chören, seinen Strings, seinen Klavierklimpereien und der damit einhergehenden Orchestralität schon fast Klassikzüge trägt. Durch diese Andersartigkeit sticht der Song zwar einmal mehr aus dem Albumkontext heraus, besser macht es ihn deshalb aber nicht. Im Gegenteil: Er nervt. Am Ende bleibt man auch nach mehreren Durchläufen zwar beeindruckt, aber leicht überfordert zurück, denn die Vielfalt erschwert den Zugang zur Platte sehr. Auch wenn das ewige »Manchmal ist weniger mehr« eine Binse ist: Selten war sie so zutreffend wie hier.

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