RAF Camora – Anthrazit // Review

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RAF Camora, Anthrazit, Review

(Indipendenza / Groove Attack)

Wertung: Viereinhalb Kronen

Ist »Anthrazit« nun die Verlängerung des »Plamen aus Plastik«-Hypes oder doch sein »bestes bis jetzt«, wie RAF Camora auf dem Titeltrack seines neuen Albums behauptet? Man rufe sich in Erinnerung, dass RAF Zeit seiner Karriere versucht, Anleihen karibischer und westafrikanischer Musik im deutschen Rap zu etablieren. Nie dürfte sich der West-Wiener so bereit gefühlt haben, sein quintessenzielles Soloalbum zu produzieren wie jetzt, wo Afrobeats-Drums im Club so selbstverständlich klingen wie 808s. Der positive Einfluss von Bonez MC ist hörbar: »Anthrazit« klingt weniger verkopft und überproduziert als sein Vorgänger »Ghøst«. Gleichzeitig hat RAF ein großes Stück Roughness zurückgewonnen, die sich für den ehemaligen Fünfhauser Straßenjungen nicht unauthentisch anfühlen dürfte. Die neu gewonnene Arroganz ist verdient und steht ihm. Damit einher geht auch die Ankündigung, sich in zwei, drei Jahren nach getanem Werk selbst in die Karibik zu verpissen. Alles für die Culture. Zur Introspektion neigt RAF immer noch mehr als sein Hamburger Kollege und kann darin manchmal versumpfen. Wenn er etwa im Storyteller »Alles probiert« versucht, seine vollständige Vita in einen sehr schematischen Flow zu pressen, klingt das ungelenk. Wenn er am Ende hinzufügt, was er schon mit der Tochter seines ehemaligen Schuldirektors angestellt hat, wirkt das zumindest befremdlich. Dafür zündet die großartige Kollabo mit dem deutschen Offbeat-Papst Gentleman. Als langjähriger Beobachter der hiesigen Dancehall-Szene kann man RAF nur fühlen, wenn er auf »Primo« rappt: »Für sie war die Mucke nur ‚Coco Jambo‘, doch sahen dann im Club: Alle Frauen gehen ab« oder »Plötzlich waren Gangster am Tanzen auf westafrikanischem Sample«. Die Verherrlichung Gottes und der eigenen Mutter in Verbindung mit martialischer Siegesrhetorik auf »Donna Imma«, oder dem Kontra K quasi auf den tätowierten Leib geschriebenen »Niemals« mag man pathetisch finden, übersieht damit aber, dass diese Motive Teil der christlich-konservativen Dancehall-Welt sind und auf Patois Hits bekleiden. Mit Ausnahme der berechnenden Popballade »Was jetzt« und des einen oder anderen Moments, der zu tief im Nähkästchen versinkt, ist »Anthrazit« genau das vielseitige und runde Album, das man sich von RAF Camora an diesem Punkt seiner Karriere erhofft hatte.

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