Raekwon – Shaolin vs. Wu-Tang // Review

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(Ice H20/ Emi)

Wertung: Fünf Kronen

Schon mal aufgefallen, dass eigentlich niemand mehr New York zurückbringen mag? New York ist vorbei, endgültig, ein Fantasieort wie das Detroit von Drexciya und Derrick May oder das Taka-Tuka-Land von Pippi Langstrumpf. Und auf bizarre Weise macht genau dieser Umstand Raekwons Fünftling »Shaolin vs. Wu-Tang« zu einem so guten Album. Weil es frei ist vom Ballast der Historie und wie ganz normale Kunst funktionieren darf: im haltlosen, luftleeren Raum. So war HipHop nie gedacht? Geschenkt.  Aber HipHop war auch nie für das Internet gedacht und für 2011 schon gar nicht, und so kann »Shaolin vs. Wu-Tang« für Rap zumindest das sein, was Beady Eye derzeit für Rock und The Weeknd für R&B sind: ein Versprechen wenn schon nicht ewiger Jugend, so doch augenblicklicher Glückseligkeit. Kung-Fu-Filmschnipsel. Bam. Dramastreicher. Bam. Polterbeat. Bam. Verfolgungsjagdflow, Gänsehautstimme, »Shallah Shit«. Und das ist halt gerade mal die erste Minute. Formell ist Raes fünftes Soloalbum »Shaolin vs. Wu-Tang« weniger eng an der Tradition ausgerichtet als der allseits gefeierte Vorgänger und Jahresbestenlistenliebling »Only Built 4 Cuban Linx II«. Von den Kusaren kommen nur Method Man, Ghostface Killah und Inspectah Deck zu Wort. Einen RZA-Beat gibt es nicht. Und im an T.I. angelehnten Schizotitel klingt gar offene Provokation an – eine Meldung von überschaubarem Sensationsgehalt, immerhin hatte sich Raekwon bereits 2007 als erstes Clan-Mitglied öffentlich gegen den Überpapa RZA gewandt und seinen Punkt in mehreren Interviews bekräftigt. Mit seiner eigenmächtigen Experimentierfreude, so sinngemäß der Inhalt der Anklage, verwässere RZA die Marke Wu und verstöre nicht nur die Fans, sondern auch das Kollektiv selbst.

 

Von solcher Verstörung kann hier eher nicht die Rede sein; vielmehr gibt es das volle Paket aus Soul-Schnipseln, Blaxpoitation-Bläsern, Freundes-Featuren, wasserdichtem Storytelling und -schneidigen Drums, wenn schon nicht von RZA, dann eben von Scram Jones, Erick Sermon, Ma-thematics, Alchemist, Sean C & LV, Evidence und Kenny »Dope« Gonzalez (!), die die Traumtänzereien der Generation Drake zumindest eine dralle Dreiviertelstunde lang mehr nach Boi denn nach 1da klingen lassen.  Die eigentliche Sensation aber ist, wie sich gerade die vorsichtigen Öffnungen gen Jetztzeit auf wundersame Weise zusammenfügen. Jim Jones ächzt seinen Sling-Sang passgenau auf die kraftstrotzende Khalil-Granate »Rock N Roll«. Estelle singt ihr tolles Loblieb auf Shaolin über Schwertschwünge und anderen Fernost-Firlefanz (»Chop Chop Ninja«). Und Rick Ross zementiert auf »Molasses« mit einem einfachen »Hoah« seinen Ehrentitel als würdigster Fackelträger in der Ahnenlinie von Ghost und Rae. Zitat Anfang: »I give a fuck what you talking ’bout/Mob meetings, we them only niggas walking out.« Zitat Ende. Darauf einen Teller Spaghetti mit, hm, Cream Sauce? Ein vollwertiger Ersatz für den ausgefallenen True-School-Trojaner »Good Ass Job« ist »Shaolin vs. Wu-Tang« damit zwar noch nicht ganz; dafür fehlen etwa die im Vorfeld angekündigten Kollabos mit Pete Rock, Eminem und Jetztmeister Kanye. Ansonsten aber ist das unbestritten und in jeder Hinsicht Chef. Heute, 2017 und in alle Ewigkeit.

 

Davide Bortot

 

 

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