»Prinz Porno One, der Untergrund-Don« ist jetzt »König vom KaDeWe« // Kommentar

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Zum Valentinstag beschenkte Prinz Pi uns mit zwei Alben. Der Berliner holt sein Alter Ego Prinz Porno von den Totgeglaubten zurück, droppt »Mit Abstand« und bringt als Pi »Wahre Legenden« auf den Markt. So weit, so normal: Ein Rapper droppt ein Album und bedient sich kreativ an seinem Alter Ego. Mir bescherte die Nachricht des Doppelalbums jedoch einen wilden Mix an Gefühlen in der Magengrube.

Denn fragt man mich nach meiner Sozialisation mit Rap, fällt der Name des einstigen Untergrund-Dons aus Zehlendorf intuitiv. Mit »20.000 Meilen Untergrund«, »Heiskalt« oder »Kkff« schrieb Porno den Soundtrack meiner Jugend. Dementsprechend groß waren meine Bedenken gegenüber seines bevorstehenden Werkes. Denn für wen sich nicht bereits bei »Donnerwetter!« ein Kapitel schloss, der steckte spätestens bei »Rebell ohne Grund« den Kopf in den Sand. Egal, was uns auf der Platte erwarten würde, klar war: Porno konnte Pi in sich nicht leugnen.

Kann es überhaupt noch einen Porno in Pi geben?

Die Kunstfiguren Pi und Porno, sowie deren Bedeutungen für ihre Fans stehen sich quasi diametral gegenüber – Pi hat jedoch schon lange die Oberhand gewonnen. Schafft der Prinz es trotzdem, in altgewohnter porn’scher Arroganz zu flowen? Mit harten Battle-Lines eine auf unergründliche Weise bedrohliche Atmosphäre zu schaffen? Ist es nach den Erfolgen eines Prinz Pi überhaupt noch möglich, den unermüdlichen Hunger früherer Jahre in Pornos Stimme zu hören? Und erwarten uns vor dem Hintergrund der jüngsten Konflikte um ihn (Stichwort: Panel Discussion von HipHop.de) Battle-Tracks und wenn ja, gegen wen werden sie sich richten? Kurzum: Legendärer Porno-Spirit oder der Versuch, es sich mit 40 noch mal beweisen zu wollen?

Ein angeschlagener Krieger

Vor einem hochwertigen Sideboard, dekoriert mit edlen Lampen präsentiert der Prinz nicht nur sich selbst und seine Box, sondern auch einen Teil seines schicken Zuhauses. Die Box erscheint im Buchformat und ist laut eigenen Aussagen die schönste, die er jemals auf den Markt gebracht hat. Des Weiteren erklärt er: »Man kann sie einfach in den Bücherschrank stellen, neben andere Klassiker, eben die Klassiker, die ihr Zuhause habt und da gehört das auch hin.« Arrogantes Lachen bei ihm, Fremdscham bei mir. Das Cover der Platte zeigt Porno illustriert als angeschlagenen Krieger. In Uniform, bewaffnet mit zwei Schwertern präsentiert er sich entschlossen bei strahlender Sonne vor eindrucksvoll rotem Himmel. Sein Gesichtsausdruck ist ernst und herausfordernd, seine Brillengläser sind gesprungen, im Gesicht verdecken Pflaster mehrere Wunden und um seinen Kopf wurde ihm lässig ein Verband skizziert. Schenkt man dem Motiv Glauben, ist Prinz Porno der Battle-Krieger zurück aus dem Ruhestand und bereit für die Schlacht.

»Weil ich rapp‘, wie ich rapp‘, hab‘ ich ein’n Waffenschein«

Bereits beim ersten Hören der Platte zeigt sich: Die Zielsetzung besteht nicht darin alte Porno-, gar Beatfabrik-Zeiten aufleben lassen zu wollen. Der Krieger Prinz Porno kehrt auf »Terrorbyte« mit Piano-Instrumentals, einem melodisch, hellem Beat und Lines wie »2019 Frauen lassen sich den Po operieren/Ich werd mit Majors nicht kooperieren/Es tut mir leid, ihr müsst mich so akzeptieren« zurück von den Totgeglaubten. Sein Flow wirkt weichgespült und ich sehne mich nach den dunklen Drums und Battle-Ansagen auf »Unsere Zeit feat. Abroo« zurück. Die Beats wurden durchweg von Lucry oder Young Kira produziert, die selbstverständlich Meister ihres Fachs sind. Jedoch haben ihre Kreationen nichts von den skelettartigen Sounds, die einst Kick und Sash schufen. Lucry lieferte zuletzt den Beat zu dem Hit »Roller« von Apache, Young Kira steht für melancholische Vibes und Cloudrap und coverte letztes Frühjahr mit Money Boy den Welthit »Old Town Road«. Beide verpassen »Mit Abstand« eine moderne und eigene Note.

Zwar sind auch die düstereren Sounds, die Porno-Fans sich vermutlich gewünscht haben, zu hören, doch gehen sie zwischen Straßenbeats und Trap-Elementen beinahe unter. Bei den Featuregästen setzte der Prinz auf Hype, statt auf alte Weggefährten. Während auf »pp=mc2« Jonarama und Kobra vertreten waren, lud er sich lieber Samra für zwei Tracks ein und ließ Produzent Young Kira auf einen Beat rappen, außerdem sind sein Freund Manuellsen und dessen Singing KEZ am Start. Obwohl Pornos Skills am Mic indiskutabel sind und er mit lyrischen Relikten aus »Waffenschein« wohl nicht nur mein Herz für ein paar Takte höher schlagen lässt, fehlt ihm der unbändige Wille vergangener Jahre.

Der Prinz spricht jetzt arabisch

Die Hook von »Terrorbyte« startet mit dem eingängigen Vers »Sag, was machst du jetzt Akhi?«, was im Arabischen soviel wie »Mein Bruder« bedeutet. Der Prinz spricht jetzt also arabisch, denn auch im »Lifestyle Intro« rappt er mehrmals von Akhis, die Adlibs spucken ein »Haram« auf den Beat und der Zenit ist mit »Milchschnitten- Shake nach dem Sparring, Habibi« erreicht. Bei »Ich bleib‘ auf dem Teppich allerhöchstens, wenn ich bete« auf »Eau de Provence« frage ich mich endgültig: Ist er zum Islam konvertiert?

Zwar betont Pi, Porno, Friedrich bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass er zwanzig Jahre in Kreuzberg gelebt hätte, aber tun die arabischen Ausdrücke Not? Porno versucht etwas zu verkörpern, was er nicht ist. In vergangenen Texten rappte er als messerscharfer Beobachter über seine Brüder aus dem Wrangelkiez, die aus allen verschiedenen Nationalitäten stammten und auf der Straße zusammenkamen. Es schien, als hätte er seinen Platz als Freund bei ihnen gefunden, ohne sich untreu werden zu müssen. Schließlich war Porno weder Street-Pusher noch ein krasser Krimineller. Genau das schätzen seine Fans an ihm: Authentizität – die sie nach jenen Lines vermissen dürften. Dabei macht kein noch so angesagter Street-Slang so untouchable wie Authentizität.

Alte Motive

Wer seine Lauscher ordentlich spitzt, wird den alten Porno jedoch an der ein oder anderen Stelle raushören können – lyrisch und beattechnisch. So kommt bei »Lifestyle Intro« dank des Donner-Samples zu Beginn nicht nur die drückend, mystische Stimmung auf, die Fans des frühen Prinz Pornos so lieben, der Beat wirkt außerdem teilweise inspiriert vom Soundbild seines »Blackbook No. 2«. Was auf Pornos neustem Werk »Eau de Provence« heißt, trug auf dem Vorgänger den Namen »Eau de Porneau«. Eine klare Anspielung. Und auch sonst verfolgt er immer wieder alte Motive: Sophia Loren als Frau seiner Träume oder literarische Anspielungen auf Bücher von Marcel Proust. Vor allem »Ich kann sagen, was ich will in einem coolen Flow/ Octagon Pentagon Hexagon – Hurensohn« auf »Paul Newman« erinnert an den jungen MC. Auf selbigem Lied kehrt der Prinz zurück in die Zeit, in der ihn keiner gemocht hätte: Lines wie »Los erinnere dich! Keiner wollte uns drinnen sehen, jetzt wollen alle mit mir trinken gehen« ähneln stark »Früher stand ich außen vor, deshalb bin ich heute drin« auf »Neubeginn feat. Separate«. Ein Thema, das ihn noch immer umzutreiben scheint: »Die Wichser haben mich noch nie gemocht, darüber dachte ich nach – viel zu oft / … / Wichser ist noch viel zu soft, denn sie säten Zweifel in diesem Kopf«. Die Emotionalität ist Pornos Stimme deutlich anzuhören. Und obwohl diese Anspielungen auf sein Alter Ego Porno neben Pi unverkennbar wachsen lassen, täuschen sie nicht über Lines wie »Ist das die schwarze Karte? Alter, yes! Doch bitte nenn sie afroamerikanische Express« hinweg. Als ich die Line zum ersten Mal hörte, zuckte ich zusammen. Sie lässt Raum für persönliche Deutung. Nach Prinz Pis Relativierung von Rassismus und Sexismus innerhalb der Rapszene (Stichwort: Panel Discussion von HipHop.de) dürfte sie jedoch das ein oder andere hitzige Gemüt entfachen.

»Samra macht Porno mit Leichtigkeit vor, was der versucht zu sein. Die Authentizität und der Hunger des jungen Rappers übertönen Pornos krampfhaft aufgesetzte Coolness.«

Kein Polizist fickt Prinz Porno auf dem Ku’damm

Samra scheint bei dem Prinzen hoch im Kurs zu stehen, immerhin hat er ihn für zwei Tracks eingeladen. Auf »Dead Kennedys« rappen die beiden auf einen stabilen Straßenbeat. Porno killt den vorgesehenen Flex des Songs mit Lines wie »Es gibt keinen Polizist, der mich auf dem Ku’damm fickt« oder »Noch immer bei den jungen Damen favorite, dank dem Haar- und dem Bartschnitt von David«. Naja, muss Samra eben ran. Mit brachialer Stimmgewalt und seinem unverkennbaren Hunger steigt er auf den Beat ein: »Ich komm im Oldtimer, Lowrider, Schüsse auf den Pro-Fighter«. Und Zack, der Song ist da. Man fühlt ihn. Der zweite Track »Baldessarini«, benannt nach einer Modemarke, ist ein einfacher Versuch, sich an einem bewährten Rezept zu bedienen: gesungene Hook von Samra und stetige Wiederholung eines Markennamens. Um den Erfolg ins Unermessliche zu steigern, hat Samra für die Hook die verlässliche Line »Himmel ist weiß, denn es schneit wieder Steine« von Capital Bras und seinem Album »Berlin lebt 2« mitgebracht. Der Knackpunkt ist bei beiden Tracks derselbe: Samra macht Porno mit Leichtigkeit vor, was der versucht zu sein. Die Authentizität und der Hunger des jungen Rappers übertönen Pornos krampfhaft aufgesetzte Coolness. Ich bin mir sicher, dass einige Fans und Porno selbst besser bedient gewesen wären, hätte er sich statt Samra alte Weggefährten ins Studio eingeladen. Jüngstes Beweisstück: »Massephase feat. Jonarama und Kobra«.

Der König vom KaDeWe

Ein Motiv, das sich durch das Album zieht wie die eingeschobenen französischen Lines, ist das KaDeWe, dem Porno mit »König vom KaDeWe« einen ganzen Track widmet. Der Beat schafft dank eines Zusammenspiels von Klavier, Trompeten und Glockenspiel eine edle Atmosphäre, die gleichzeitig einen gewissen Retro-Charme birgt. Gepaart mit Pornos Lyrics möchte man fast meinen, man könne den beschriebenen Luxus riechen. Ich bin aufgeregt: Erwartet mich jetzt der porn’sche Hass auf den materialistischen Überfluss einer selbstgefälligen Gesellschaft? Während Porno zuerst den vorherrschenden Reichtum beschreibt und von den 86 Senfsorten und dem vorzüglichen Erdbeerkuchen schwärmt, freunde ich mit dem Gedanken an, dass der Prinz wohl endgültig erwachsen geworden ist. Und ich wollte ja Authentizität! Erdbeerkuchen essen und Senf shoppen, vermute ich, ist genau das, was 40-Jährige gern in ihrer Freizeit tun. Aber der Track ist noch nicht vorbei: In alter Prinz Porno Manier hält er dem Reichtum einen Spiegel vor – nämlich die Armut. Bei Lines wie »Der Duft von Zitronen aus Sizilien, der Tod von Millionen Familien/Im Mittelmeer ertrinken viele Menschen am Tag, wieso hängt man sich dann noch ne neue Fendi an Arm?« hätte ich sonst vor Anerkennung freudig in die Hände geklatscht. Meine Grundannahme wäre immer gewesen, dass der Prinz es in seiner Arroganz schafft, Widerstand anhand unbeschönigter Kontraste zu zeigen. Doch nach dem Hören dieses Albums weiß ich nicht, ob ich klatschen möchte. Zwar stellt er Armut und Reichtum gegenüber, macht auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam und kritisiert jene im selben Atemzug, doch mir fehlt seine einstige Gnadenlosigkeit, die Rotzigkeit und die unerbittliche Forderung nach Veränderung. Schließlich dienen KaDeWe wie Ku’damm als wiederkehrende Motive der Platte. Und zwar als keine, die Porno zu verpönen scheint. Doch als Erwachsener darf man den Kurfürstendamm bestimmt sein zweites Wohnzimmer nennen, die Revolte machen schon die anderen. Am besten die Jüngeren.

»Die porn’sche Arroganz scheint in Schampus-Frustsuff umgeschlagen zu sein.«

Stress und Schluss

Porno endet mit seinem Outro »Stress« – aber nicht, ohne nochmal einen tiefen Blick in seine Gefühlswelt zuzulassen und Seitenhiebe an die Ex zu verteilen (was übrigens auch zu seinem Handwerkszeug gehört). Doch es wird schnell klar: Der Grund, warum er die Mutter seines Sohnes einen »TyrannosaurusEx« nennt, ist ernst. Die Mutter möchte mit dem gemeinsamen Sohn nach Amerika auswandern, will ihn Pornos Nähe entziehen. Er schläft deshalb schlecht. Ich habe Mitgefühl. Mir tun alle Beteiligten leid und ich finde es schön, dass Porno sich zum Ende des Albums emotional so öffnet. Bis dann »Ich hab Stress, deshalb trink ich Schampus, der mir nicht mal schmeckt« aus seinem Mund poltert und ich wieder mit dem Kopf schütteln muss.

Dieses Gefühl steht für mich stellvertretend für das gesamte Album: Kurze Oldschool-Porno Momente geben Hoffnung auf mehr, werden jedoch in der nächsten Adlib à la »Skuur« gnadenlos erstickt. Das Album wirkt, als hätte Porno sich musikalisch ausprobieren und sein Alter Ego zwanghaft modern inszenieren wollen. Ich verstehe nicht, warum. Vermeintliche Battle-Lines wie »Rapper haten Rapper für ihr’n Boxinhalt/Wenn der Typ dich so krass nervt, alter, dann box ihn halt!« wirken müde und schießen ins Leere. Zwar gibt es an den Skills des Rap-Prinzen nach wie vor nichts zu diskutieren, doch die porn’sche Arroganz scheint in Schampus-Frustsuff umgeschlagen zu sein. Die unbeschönigte, gar düstere Atmosphäre, die einst sein Markenzeichen war, wurde zu einer Art angenehmen Überraschung, dem verblassten Zauber zwar ein neuer Anstrich gegönnt, der allerdings nicht glänzen konnte. Ich habe mich auf »Mit Abstand« nach dem Prinz Porno-Spirit zurückgesehnt, aber Prinz Porno One, der Untergrund-Don, ist jetzt eben der König vom KaDeWe. Und das ist ok, denke ich, während ich »Radiumreaktion« laut aufdrehe.

Text: Lena Müller

Foto: Wassif Hoteit

2 Kommentare

  1. Krass, nachdem ich das Album durch hatte, kam im
    Anschluss „Träumer – Remix“ bei spotify und der Unterschied ist so heftig im Vergleich.
    Das Album ist soundtechnisch besser als ich dachte, aber ich fühle einfach nichts mehr, wenn ich die neuen Sachen hören

    • Bin ein bisschen spät dran mit der „Entdeckung“ dieses Albums… Ich finde die Kritik berechtigt, mir ist auch aufgefallen, dass es erstaunlich „seicht“ geworden ist. Aber überhöhte Ansprüche, das alte exakt zu reproduzieren, sind oft ein Ärgernis bei Reviews… Er greift den neuen 2020er Vibe auf und musikalisch gefällt es mir echt gut. Wie hier schon gesagt wurde, ein 40-Jähriger Rapper ist anders authentisch als ein 20-Jähriger 😉 Und ich finde die Features mit Samra nice, grade weil sie helfen, den alten, trotzigen Vibe aufleben zu lassen! Und grade weil das einen Kontrast ergibt, ist es ja spannend.

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