Mykki Blanco – Mykki // Review

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(Dogfood / Indigo)

Wertung: Viereinhalb Kronen

Richtig, Mykki Blanco ist multisexuelle Drag Queen, transgender und offen HIV-positiv. Damit sollte das Thema dann auch gegessen sein. Zwar hat sich die dreißigjährige Kalifornie­rin Zeit ihrer schon jetzt vielseitigen Karriere für die Rechte der Community eingesetzt und öffentlich mit einem Berufswechsel hin zum investigativen Journalismus für LGBT-­Themen kokettiert. Doch die Rapperin ob ihrer (im Hip-Hop immer noch recht exotischen) Sexualität in eine Schublade zu stecken, wäre nicht nur geschmacklos, es würde auch den vielschichtigen Sound Blancos unnötig in mundgerechte Häppchen zerschneiden. Denn, so viel gleich zu Beginn: »Mykki« ist ein kleines Meisterwerk. Klangen Mixtapes wie »Cosmic Angel: The Illuminati Prince/ss« trotz allerhand Wut und Kühnheit noch wie die musikalische Entsprechung einer Fahrradfahrt über Kopfsteinpflaster, ist es der Künstlerin mit ihrem Debüt gelungen, ihre Agenda in passende Form zu bringen. Es geht um Sex, Liebe, Drogen, Krankheit und Weltpolitik, schwule und sonstige Clubkultur. Und die versammelte Bigotterie in allem. Allerdings wirkt »Mykki« nicht mehr wie die audiovisuelle Semesterarbeit von der örtlichen Kunsthochschule, sondern flowt über dreizehn Songs makellos. Das schwüle »Fendi Band« setzt dabei die Wegmarke: »Fuck being low-key« rotzt Blanco zu beginn. Songs wie »The Plug Won’t« und »My Nene« gehen mit widerspenstigen Beats aus dem PC-Instrumente-Ordner für Fortgeschrittene und Blanco als gewachsener Rapperin direkt auf die Zwölf, andere Songs erweitern kaum merklich den Referenzrahmen, in dem Banger entstehen können: Streichereinlagen abseits der Tränendrückerei eines R. Kelly? »Mykki« macht’s möglich. Als wäre das alles nicht genug, hat das Album mit der ausladenden Wir-sind-alle-eins-Nummer »Highschool Never Ends« auch noch einen Indie-»World Song« im Programm. Die Figur Mykki Blanco verlässt mit »Mykki« endgültig den Kunstprojekt­rahmen und will trotzdem in keine Schubladen passen. Das ist gut so – und nur eines der vielen wichtigen Fragezeichen, die das Album setzt.

Text: Dennis Pohl

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