MoTrip: »Manchmal würde ich mich gerne einsperren oder raus mit der Bazooka.«

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MoTrip: »Mama« war nun mal, wie bei so vielen Menschen, das erste Wort, das ich gesagt habe; und Worte sind das, was mich alltäglich umgibt. Ich arbeite mit ihnen und lebe mit sowie von ihnen. Mal abgesehen davon ist meine Mutter nicht nur der Mensch, der mich als Kind am stärksten geformt hat, sondern sie ist auch diejenige Person, die mich wieder aufgerichtet hat, als ich die Lust am Rappen verloren hatte. Eine Zeit lang kam mir das Game vor wie ein Sumpf, aus dem es kein Entkommen gibt. Meine Mutter hat mich mit beiden Händen aus dem Morast gezogen, und dafür bin ich ihr unendlich dankbar.

Hättest du ohne deine Mutter dieses Album vielleicht nie aufgenommen?
Das ist eine harte Formulierung, aber ja, das ist durchaus möglich.

Warum hattest du die Lust am Rappen verloren?
Ich möchte dir hier keinen Scheiß erzählen, aber – ganz ehrlich? Manchmal würde ich mich gerne einsperren oder raus mit der Bazooka. Ich wollte auf keinen Fall so tun, als gäbe es nicht verdammt viel Scheiße auf der Welt. Musik machen, in der ich so tue, als wäre alles gut? Das geht nicht.

Aber findest du denn wirklich, dass deine Musik so tut, als wäre die Welt in Ordnung?
Teilweise schon.

Ich finde, man erkennt selbst in deinen Battle-Stücken durch Andeutungen ­immer auch dein Weltbild. Und das ist im Zweifelsfall doch angenehmer, als wenn jemand versucht, seinen Hörern eine Meinung aufzudrängen.
Das stimmt. Manchmal habe ich mich auch dabei ertappt, wie ich so kleine Moralattacken aufgeschrieben habe – zum Beispiel bei dem Song »David gegen Goliath«. Ich will auch gar nicht meine eigene Kunst schlecht machen, bitte verstehe das nicht falsch. Ich stehe total hinter dem, was ich mache. Manchmal hätte ich dennoch gerne die Zeit, um einfach nur noch zu vermitteln, selbst wenn das Leute dann als »conscious« abtun. Ich hatte in der Zeit der Albumproduktion auch mal eine Phase, in der ich nur noch ­Sachen geschrieben habe, die gute Reime und eine schöne Melodie hatten – ich dachte, ich will unbedingt ins Radio. Ich habe sogar eine ganze Platte in dem Stil aufgenommen, bis ich irgendwann realisierte: Nein, ich will keine Musik machen, die für nichts steht.

Du wolltest also eine Zeit lang Songs schreiben wie »Easy« von Cro oder ­»Bilder im Kopf« von Sido, also sogenannte Hits?
Ja, da brauche ich dir auch gar nichts vorzumachen. Ich habe mich sogar an deutschsprachiger, gesungener Musik ­orientiert. Wie gesagt, eine Zeit lang wollte ich zu dieser Welt gehören, und es hat ­relativ lange gedauert, bis ich merkte, dass das gar nicht zusammen­passt. Ein kleiner Teil von mir will auch immer noch zum Fernsehen, zu Talkshows und ins Radio, aber der größte Teil von mir ist zufrieden damit, wie es jetzt ist.

 
Sind deshalb seit »Embryo« drei Jahre vergangenen, bis nun dein zweites Album erscheint? Weil du erst heraus­finden musstest, dass die Popwelt nichts für dich ist?
Das wäre zu kurz gegriffen. Ich habe in dieser Zeit ja auch zweieinhalb Alben geschrieben, von denen ich kein Wort selbst gerappt habe. Außerdem hat es mich ziemlich aus der Bahn geworfen, dass ich fast ein ganzes Album geschrieben hatte, das ich am Ende dann aber wieder verwerfen wollte. Ich hätte nicht gedacht, dass das je passiert. Ich habe diese Stücke definitiv aus einer ehrlichen Intention heraus geschrieben, ich wollte ja ins Radio, ich wollte mich anpassen. Das, was dadurch entstand, entsprach mir aber einfach nicht mehr.

Die HipHop-Szene hat mich genervt, genauso wie die Tatsache, dass die Aufmerksamkeit der Hörer immer kürzer anhält, zumindest gefühlt. Alle sind gehetzt und nehmen sich kaum mehr die Zeit, Musik richtig zu genießen.

Ich nehme an, du hast nach dieser ­Erkenntnis an dir selbst gezweifelt?
Digger, ich wollte aufhören, Musik zu machen! Es hat mich schon sehr demotiviert, dass ich das verbockt habe. Aber da kam auch vieles zusammen. Zu der Zeit war ich einfach abgefuckt, die HipHop-Szene hat mich genervt, genauso wie die Tatsache, dass die Aufmerksamkeit der Hörer immer kürzer anhält, zumindest gefühlt. Alle sind gehetzt und nehmen sich kaum mehr die Zeit, Musik richtig zu genießen. Ich hatte das Gefühl, dass eh niemand ein neues MoTrip-Album zu schätzen wüsste. Wenn du einmal im Jahr ein Album veröffentlichst, ist es vielleicht auch okay, wenn das dann superschnell im Deutschrap-Sumpf versinkt. Aber wenn du wirklich nur die Sachen an die Öffentlichkeit lässt, die dir zu 100 Prozent gefallen, dann kommst du da einfach nicht hinterher. Ich will gar nicht darüber urteilen, ob man schlechtere Musik macht, wenn man im Jahr zwei Platten rausbringt. Aber ich kann und will so nicht arbeiten. Dazu kommt, dass sich die HipHop-Szene momentan um Oberflächlichkeiten dreht: Was trägst du für Klamotten? Wo kommst du her? Wie groß ist dein Bizeps? All das zählt doch gerade mehr als Flows und Melodien. Das ist natürlich völlig irre. Ich musste erstmal lernen, mich mit dieser Realität zu arrangieren. Als dann parallel zu der Erkenntnis, dass die erste Version meines zweiten Albums scheiße ist, auch noch mein Vater krank wurde, war ich eine Zeit lang völlig raus. Das war sehr ernst und dementsprechend schlimm für mich. Als ich davon erfuhr, stand ich gerade bei Paul NZA und Marek Pompetzki [die Produzenten von »Embryo«; Anm. d. Verf.] im Studio und ließ dann von einem Moment auf den anderen alles fallen, um zu meiner Familie nach Aachen zu fahren. Ich bin dort vier Monate lang geblieben. Und in dieser Zeit war Musik in meinem Leben nicht mehr die erste Priorität. Als es meinem Vater dann zum Glück wieder besser ging, konnte ich auch mit frischer Energie zurück ins Studio.

Du hast gerade Paul NZA und Marek Pompetzki angesprochen. Auf »Mama« hast du nicht mehr mit den beiden ­gearbeitet. Warum?
Das hatte vor allem organisatorische Gründe. Sie hatten einfach nicht die Zeit, mehrere Monate lang auf mich zu warten, weil sie noch andere Aufträge hatten. Die sind nun mal gut gebucht. Wir hätten also nur über einen Kompromiss weitermachen können: Sie schicken mir Beats und ich nehme in Aachen auf, aber das wollte ich nicht. Ich mache lieber mit jemandem gemeinsam im ­Studio Musik. Das war eine bittere Pille, die ich da schlucken musste, aber es gibt wirklich Schlimmeres im Leben.

 
Also bist du nach den Monaten in ­Aachen nach München, um dort mit Eli und David Ruoff zu arbeiten?
Genau, ich bin zu den beiden ins Studio, habe ihnen das bestehende Material gezeigt, und dann haben wir uns den Kopf zerbrochen, Samples gesucht und uns von der Musik inspirieren lassen. So entstand »David gegen Goliath«. Und von diesem Song an hatten wir das Gefühl, das klingt richtig. Als wir unseren Weg gefunden hatten, sind schnell weitere Stücke entstanden, die nun auf dem Album gelandet sind. Im Grunde habe ich es durch »David gegen Goliath« geschafft, endlich den Staub von mir abzuklopfen.

Wie entsteht ein Stück wie »David gegen Goliath«? Womit fängst du an?
Meistens fällt mir eine Zeile ein, von der sich dann alles andere ableitet. Dabei ist es egal, ob das die Hookline oder die letzte Zeile der zweiten Strophe ist. Ich schreibe sowieso eigentlich immer, manchmal auch ohne Beat – in der Bahn, im Bus oder während ich auf jemanden warte. Zeilen finde ich eigentlich immer. Manchmal schreibe ich aber auch nur eine Zeile und lasse den Text dann drei Monate lang liegen. Ab und zu nehme ich auch Fetzen aus verworfenen Songideen und lasse daraus etwas Neues entstehen. Ich starte eigentlich immer von einem anderen Punkt aus.

Gibt es auch Phasen, in denen du völlig blockierst und gar nichts schreibst?
Die gibt es schon, zumindest wenn ich für mich selber schreibe. Lieder für andere zu texten fällt mir hingegen unglaublich leicht, wahrscheinlich, weil ich sie nicht so stark hinterfrage.

Ich habe mich nie als einen der besten Rapper gesehen. Meine Idole haben mir das eingetrichtert, ohne das Lob von ­Savas und all den anderen hätte ich nie ­daran gedacht, mal der beste Rapper ­werden zu wollen.

Dir ist es schon ungemein wichtig, als einer der besten deutschen Rapper wahrgenommen zu werden, oder?
Ja. Obwohl, ehrlich gesagt: nein. Das wird man mir nicht glauben, weil das nach ­falscher Bescheidenheit klingt, aber ich schwöre dir: Ich habe mich nie als einen der besten Rapper gesehen. Meine Idole haben mir das eingetrichtert, ohne das Lob von ­Savas und all den anderen hätte ich nie ­daran gedacht, mal der beste Rapper ­werden zu wollen. Ich wollte nur, dass Leute wie Sido mich als einen der ihren ­anerkennen.

Diese Anerkennung hast du bereits sehr früh in deiner Karriere erreicht. ­Welche Menschen haben dir das ermöglicht? ­
Als erstes fallen mir da natürlich meine Mom und auch mein Bruder ein. Elmo [MoTrips Bruder; Anm. d. Verf.] hat ja schon vor mir gerappt und mich da mit reingezogen. Er hat immer vor meinen Augen Texte geschrieben, ich konnte ihn also beobachten und so von ihm lernen. Er war dann letzten Endes auch dafür verantwortlich, dass ich mit Savas in Kontakt kam.

Wie ist das damals eigentlich abgelaufen?
Savas‘ Neffe Dimi lebt ja in Aachen. Den habe ich kennengelernt, als ich 15 war, er war damals zwölf oder 13. Irgendwann stand ich gerade in der Innenstadt von Aachen, als mein Handy klingelte. Daran kann ich mich erinnern, als wäre es gestern gewesen. Als ich abnahm, sagte jemand am anderen Ende der Leitung: »Hallo, hier ist Dimi«. Wer ist denn Dimi? »Ich bin der Neffe von Kool Savas.« Ich war zu der Zeit wirklich der größte Savas-Fan, der in Aachen rumlief, ich habe nur seine Musik gehört. Anscheinend musste also irgendjemand Dimi gesteckt haben, dass ich krasser Fan bin und gut rappe, jedenfalls sagte der zu mir, Savas‘ Bruder Sinan würde mich sprechen wollen und ich solle mal nach Berlin kommen. Ich hab dann einfach aufgelegt, weil ich den Scheiß natürlich nicht geglaubt habe. (grinst) Er blieb aber hartnäckig, rief noch mal an und überzeugte mich davon, dass er mich nicht verarschen will. Trotzdem: Das konnte einfach nicht wahr sein, ich war ja wirklich nur ein Fan damals.

Und dann bist du nach Berlin?
Genau, ich glaube, da war ich 16 Jahre alt und ha­be ­direkt Sinan, Savas und ihre Eltern kennengelernt. Ich konnte es wirklich nicht fassen. Da wurde das erste Mal mein Traum wahr. Ab und zu muss ich mich auch heute noch kneifen, nicht weil ich plötzlich viel Geld habe oder so ein Quatsch, sondern einfach wegen der Tatsache, dass das für mich wirklich ein richtig krasses Ereignis war: Mein erster Kontakt in die HipHop-Szene war gleich mein Idol Kool Savas. Das ist doch krass, oder? (grinst)

Hast du es mit 16 denn für möglich ­gehalten, mal selbst hauptberuflich Rapper zu sein?
Selbstverständlich nicht. Alles, aber nicht das. Dass sich andere Menschen mit dem, was ich schreibe, auseinandersetzen, das war bis zu diesem Anruf unendlich weit weg. Selbst als ich schon wusste, dass Savas mich gut fand, habe ich noch nicht daran geglaubt, dass das mal mein »Job« werden würde. Heute noch geht mir das so. Joka sagt mir immer, ich sei zu bescheiden, ich solle mich doch endlich mal dafür feiern, aber das kann ich nicht. Ich habe mir das zwar damals schon vor meinem inneren Auge ausgemalt, aber ich war eben ein verträumter Junge, der zwar geschrieben hat, aber nie auf ein konkretes Release hinarbeiten wollte.

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