Mena: »Aber ich möchte gar nicht posen.« // UnderTheRadar

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September 2015: bei den Kollegen von Noisey packt Sierra Kidd einen Geheimtipp aus. Einer, der nach Meinung von Sierra »noch richtig groß werden könnte«. Mena. Man kennt diese übereuphorischen Behauptungen, die sich zu oft als viel Gerede um nichts entpuppen. Überhaupt: wie ernstzunehmen ist ein Co-Sign von Wunderknabe Sierra Kidd? Im Falle Mena muss man dem jungen Ex-Indipendenza-Signing beipflichten. Die neue »Strawberry Avenue«-EP des Hamburgers ist eines der zukunftsgerichtetsten Releases im Deutschrapjahr 2016. Damit knüpft er an die progressiven Entwicklungen in der norddeutschen Trap an, die schon seit Jahren durch Leute wie Yunis, John Known und Saturate Records befeuert wird. Woher Mena plötzlich kommt, bleibt dagegen auf den ersten Blick verschwommen. Außer einzelnen Informationsfetzen auf Twitter und Soundcloud, die eine Affinität zu Mode und futuristischen Sounds offenbaren, bleibt Mena ein Phantom. Teil einer Gruppe namens Heroin Chique in Bremerhaven war er wohl mal, näheres ist auch da nicht bekannt. Aber wenn man jemanden kennt, der jemanden kennt, dann erreicht man ihn bei WhatsApp.

»Ich habe in den letzten drei Jahren zusammen mit wednesdays Musik gemacht. Wir kennen uns seit der 3.Klasse«, erzählt Mena per Sprachnachricht und es wird klar, warum die neue EP so ausgereift klingt. Ein Schnellschuss war das nicht. Durch den Einfluss von besagtem wednesdays türmen sich die üblichen Bassline-Monster vor hektisch eingeschobenen Drums, ändert sich das Tempo und schwirrt die Stimmung zwischen der minimalistischen Bedrohlichkeit von »TRILLIONAIRE« und dem mit Popkniffen gespickten »MULA« umher. Post Malone habe FKI, Drake hätte Noah »40« Shebib und er eben wednesdays, analysiert Mena die enge Verbindung zu seinem Producer. »Unser Sound ist nicht trennbar, eigentlich kann man sagen: Wir sind eine Crew.«

Melodiöse Gesangs-Bridges brechen die Strukturen schließlich weiter auf. Die erwartete zeitgeistige Autotune-Overdose dieser Tage bleibt aber aus. Das Volumen von Menas Stimme reicht offensichtlich. Stattdessen wird »Loneley Hearts Club« mit Sierra Kidd und Yen Junge vollends durch Übersteuerung verzerrt und landet dadurch beinahe ganz weit draußen in den Noise-Welten von Death Grips. Mit ähnlich viel Streetwear-Knowledge in der Hinterhand wie der A$AP Mob, kämpft sich Mena in ГОША und Yeezys auf der Erdbeer-Straße durch die Bass-Landschaften und kratzt am Größenwahn. »Aber ich möchte gar nicht posen«, sagt er. »Mode ist mir eine Herzensangelegenheit. Ich wurde von meinen Eltern und meinem Umfeld geprägt, arbeite bald für ein Mode-Magazin und möchte Mode studieren. Bei mir ist das tief verwurzelt.« Man glaubt es Mena, der es sich glücklicherweise spart, die ganze Zeit nur darüber zu sprechen, wann er wo welches Teil geschossen hat und wie teuer ein Sweater ohne Aufdruck so ist.

Das Selbstbewusstsein in Menas Musik, das man auch als eine gewisse Grundarroganz interpretieren könnte, wirkt nicht aufgesetzt. Stattdessen hat man das Gefühl, dass Mena tatsächlich eine Entwicklung in der deutschsprachigen Rapmusik verkörpert, die von Vibes und nicht bloß von streberhafter Technik dominiert wird. Die Lyrics geraten da in den Hintergrund; es zählt die Ästhetik des Gesamtpakets. »Ich habe das Gefühl, Rapper in Deutschland nehmen sich und ihre Musik nicht ernst genug«, sagt er noch. »Wenn man dumme Scheiße macht und Leute über einen lachen, dann verkauft es sich. Ich wollte Ernsthaftigkeit und Coolness in die Sache reinbringen.« Fürs Erste ist Mena das gelungen, wenn auch noch ziemlich unter dem Radar. Vielleicht bewahrheitet sich Sierra Kidds Prognose in naher Zukunft tatsächlich. Immerhin klingt Menas Musik genau danach: Zukunft.

Die Menge an Musik, die tagtäglich durchs Netz kursiert, ist unüberschaubar. Zwischen einer Menge Trash versteckt, blitzen immer wieder Rohdiamanten hervor: die nächsten Hypes der Stunde. #UnderTheRadar widmet sich ebenjenen Artists.

Foto: Laura Kaczmarek

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