Mädness & Döll – Ich und mein Bruder // Review

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(Four Music)

Wertung: Fünfeinhalb Kronen

Das haben sie sich ganz richtig eingestanden, die zwei Ausnahmerapper aus Darmstadt: Dieses Album musste ­irgendwann passieren. Denn wie ­aufmerksame ­Beobachter des hiesigen ­Geschehens wissen, machen die beiden Döll-Brüder Marco und Fabian schon seit einer ganzen Weile ganz arg gute Rapmusik: Vor rund zehn Jahren war es erst der große Bruder Mädness, der als Technikgott auf Feature-­Augenhöhe mit Savas, Banjo und ­Dilemma auffiel. Dann – mit ein paar Jährchen Verzögerung – ­schickte sich auch der ­jüngere Döll an, sich bei Freunden von gehobenem Rap-Handwerk als ­vielversprechendes Talent zu etablieren. Und das war dann – auch dank stets passgenauer und sympathischer Feature- und Produzenten­auswahl – gefühlt der Stand der Gebrüder-Döll-Dinge seit Anfang dieses Jahrzehnts: Dopeness liegt in der Familie, die sollen mal mehr rausbringen, bittedanke. Und weil man spätestens bei den fast schon als Comebacks ­verhandelten Kleinod-Groß­taten »Maggo« und »Weit entfernt« aus 2014 auch ein bisschen tiefer reinschauen konnte in die Döllsche Psyche, wuchs sich dieses verhaltene Fan-Murren seitdem zu ­hand­festem Unmut aus: Was ist ­eigentlich deren verficktes Problem? Kann nicht zumindest einer von zweien mal ­öffentlichkeitswirksam zeigen, wie man Rapmaschinentum, Geschmack und Seele in ein geiles, kohärentes und bedeutsames Album verpackt? Weil, und mit dieser Weisheitspunchline schlägt Döll dem sprichwörtlichen Nagel geradezu den Schädel ein: »Talent zu verschwenden ist ein Bitchmove.« Womit wir bei »Ich und mein Bruder« wären, dem – wallah – ersten gemeinsamen Rapalbum von Mädness und Döll. Vor dem geschilderten ­Hintergrund hat zwar bereits die schiere Tatsache, dass so was nun endlich (und unverhofft) vorliegt, eine befriedigende Wirkung. Aber, und das ist der viel wichtigere Punkt: Das Album ist tatsächlich richtig, richtig gut. Was schon damit anfängt, dass die Produktionen von unter anderem Torky Tork, Yassin, Fid Mella, ­Dexter und Gibmafuffi äußerst stark reingehen: ­eingängig mit Kante, zeitlos im Jetzt, ­gefühlvoll aufs Maul, mehr Understatement als Brechstange – eben genau so, wie eine ­ernstzunehmende Rapplatte klingen sollte, die jetzt und in Zukunft gerne sehr oft gehört werden will. Und das wird ­passieren, denn Mädness und Döll agieren hier mit einer inhaltlichen und emotionalen Intensität, die man nach dem titelgebenden Vorab-­Eierschaukler mit Stiebers-Zitat (»Ich und mein Bruder«) so nun weiß Gott nicht erwartet hat. Im vollen Bewusstsein darüber, dass sie niemandem mehr beweisen müssen, wie meisterhaft sie den Sport mit den Silben und Flows beherrschen, nutzen die Brüder ihre Kunst nun vor allem, um zu kommuni­zieren, was in ihnen vorgeht: ob Zwiegespräch oder Ansage, Reflexion oder Auskotzen, ­erbauliches oder tragisches ­Privates, das hessische Geschwistergespann lässt den Hörer so nah ran wie bis dato nie in seiner Musik – offen, ehrlich, tief, aber immer unpeinlich und selbst im Angesicht von Tod und Liebe fern der ­Tränendrüse. Deutlich wird dabei über die ­gesunde ­Kompaktheit von zwölf Stücken vor allem eines: Mädness und Döll sind gute Typen mit dem Herz am rechten Fleck. Und deswegen können sie das auch so gut, dieses aller-aller-beste aller Rap-Genres: Musik übers Leben.

Text: Marc Leopoldseder

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