Lil Wayne – I.A.N.A.H.B.

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Bevor wir das erste musikalische Lebenszeichen nach Weezys Freilassung einer kritischen Beurteilung unterziehen, müssen wir hier erst mal die besonderen Umstände klarstellen. Immerhin haben wir es mit einem der fünf besten lebenden Rapper der Welt zu tun, der wie kaum ein anderer MC sein Leben, seinen Körper und seinen Alltag zur Kunstform stilisiert hat und in den letzten Jahren stets auf dem schmalen Grat zwischen extremem Genie und purem Wahnsinn gewandelt ist. Dass das kurzfristig von einer EP zum Album aufgepustete „I Am Not A Human Being“ über weite Strecken wie ein gut gemachtes, aber leider ein klein wenig austauschbares Rap-Album von 2009 klingt, ist für so jemanden natürlich eine Beleidigung. Aber ja, gemessen an „Tha Carter III“ und erst recht an dem, was die Welt von „Tha Carter IV“ erwartet, ist diese Veranstaltung nicht sonderlich beeindruckend. Der beste Song ist bereits fast ein Jahr auf dem Mixtape-Markt – der hypnotische Codein-Slowjam „I’m Single“, für den Drakes Buddy Noah „40“ Shebib eine einzigartige Atmosphäre zwischen Neunziger-R&B, DJ Screw-Tapes und Ambient Electronica kreiert hat. Wäre sie nicht seit 15 Jahren verbrannt, hätte man die Worthülse Trip Hop für diesen Song erfinden müssen. Die Single „Right Above It“ ist der andere klare Höhepunkt, wobei Gast Drake seinem Mentor darauf mindestens die Hälfte der Butter vom Brot nimmt – wie übrigens auf jedem der vier Tracks, auf denen er gefeaturet ist, besonders auf der eröffnenden Crunk-Sause „Gonnorhea“ („I’m With Young Money, tell them magazines stop askin‘ me/I be with the dread with the tattoos on his head/and a flag the color red like a fuckin‘ low battery“). Andere YM-Zöglinge wie Lil Twist, T Streets und Jay Sean bleiben erschreckend farblos, allein Miss Minaj weiß auf „What’s Wrong With Them“ einmal mehr mit beeindruckender Präsenz und Melodiegespür zu überzeugen. Am Ende sind neun der zehn Songs erstklassiges Mixtape-Material. Eine schale Rick Rubin-Reminiszenz macht aus dem Titeltrack leider kein neues „99 Problems“, dafür entschädigt die herrlich schmalzige Soulsample-Abfahrt „With You“ oder auch das größenwahnsinnige „Bill Gates“. Allerdings sucht man nach einer inneren Verbindung oder ernsthaft spannenden Inhalten auf den 10 (plus 3 Bonus-)Tracks (wobei letztere nicht der Rede wert sind) leider vergeblich. Man merkt eben, dass „I Am Not A Human Being“ aus älterem Material besteht, das Wayne bereits vor seinem Knastaufenthalt aufgenommen hatte und das jetzt dringend raus musste, weil es den Test der Zeit bis zur Veröffentlichung von „Tha Carter IV“ einfach nicht bestanden hätte. Dafür reichen ein paar lustige Lines auf kreischenden Eurodance-Synthies, ein paar „Rebirth“-Leftovers und bloß ein einziges HipHop Quotable pro Track dann doch nicht aus. Für den Moment bleibt die CD trotzdem im Handschuhfach. Weil selbst die Ausschussware von Lil Wayne mehr Spaß macht als neunzig Prozent des Restmülls, den der amerikanische Indierap derzeit so fabriziert. Gerade diese eingangs erwähnten besonderen Umstände heben Weezy F. ja auch so deutlich aus dem Mittelmaß heraus.

Universal

Stephan Szillus

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