Lil Peep: 808s & Teen Spirit // Feature

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Es folgt eine Reihe von Assoziationen: Pinke Haare, Gesichtstattoos, Kurt Cobain, Harmony Korines »Gummo«, Beerdigungsviolinen, VHS-Filter, Blink 182 auf Xanax, die HBO-Doku »Paradise Lost« über die Kindermorde von Robin Hood Hills. Von allen verrauschten Rapvideos mit angelsächsischer Typografie, die man so in seine Timeline gespült bekommt, bleibt vor allem eins hängen: »Gym Class« von Lil Peep.

Der gesichtstätowierte Milchbubi Lil Peep wird momentan als der neue traurige Posterboy des Soundcloud-Raps gehandelt. Der 20-Jährige mit der zwischen blond und zartrosa changierenden Haarfarbe und dem Kurt-Cobain-meets-Justin-Bieber-Look verbindet seit einem Jahr schamlos Trapbässe, Suizidgedanken und Emo. Aufgewachsen in einer deprimierenden Long-Island-Mittelstandsfamilie fand er schnell zu den trostspendenden Tönen der Musik. Als er feststellte, dass der für ihn vorgesehene Bildungsweg nicht zu ihm passt, startete er seine Karriere auf Soundcloud. Seine Musik, die wie ein Bastard aus My Chemical Romance und Gucci Mane daherkommt, fand schnell eine ähnlich betrübte Fanbase. Auf seinem 2016 erschienenen Mixtape »Hellboy« irritiert Peep mit einer Mischung aus zierlichen Folk-Gitarren, Screamo-Einlagen und Hi-Hat-Rattern en masse, alles über­lackiert mit tiefschwarzen Texten über ewige Trauer.

»I don’t wanna die alone right now, but I admit I do sometimes/These drugs are calling me, do one more line, don’t fall asleep«, grölt ein beunruhigender Peep auf »The Song They Played [When I Crashed Into The Wall]« herum, während der Beat in den unteren Bassfrequenzen Richtung Dancefloor drückt. Lil Peep trifft damit genau ins Schwarze einer Teenagergeneration, die sich nicht mehr zwischen Turn Up und Breakdown entscheiden will. Diese Spielart ist keinesfalls neu, haben doch schon andere Bloghelden wie Bones und $uicideboy$ Depression eine eigene HipHop-Nische gewidmet.

Allerdings wirkt Lil Peep eher wie eine poppige Kunstfigur. Einer Lana Del Rey nicht unähnlich, vermischen sich in seinem Auftreten Nostalgie, Teen-Angst und die Sehnsucht nach seinen Jugendhelden zu einer verklärten Ästhetik. So greifen dann plötzlich Gang-Gehabe, verträumter Indie-Folk und Pop-Punk-Gesang über Drogenabhängigkeit ineinander, als wäre das nicht komplett widersprüchlich.

Ausgerechnet John Frusciante, der Ex-Gitarrist der Red Hot Chili Peppers, hat mal in einem Interview mit der Musikplattform Noisey diese Stärke von Rap essenziell zusammengefasst: »Ich finde, dass Rap sehr formbar ist und jeden Musikstil einfach absorbieren kann. Im Rap kann in den Melodien Synthpop, Klassik und Jazz passieren, solange der Beat hart bleibt.« Diese Weisheit ist nicht nur der Grund für die nicht zu versiegen scheinende Relevanz von Rapmusik, sondern erklärt auch, warum die Generation der Soundcloud-Rapper sich längst von den ursprünglichen Sample-Lieferanten Jazz, Soul und Funk verabschiedet hat. Viel mehr noch übertragen Lil Peep und Konsorten diese Offenheit auch auf Text und Image und formen so ihre eigene Vision von Rap, als wäre es Play-Doh. Der Emotrap von Lil Peep ist nur ein weiteres Indiz dafür, dass HipHop an einem Punkt angelangt ist, an dem nichts mehr heilig, aber alles möglich ist. Ist das gut? Wer weiß das schon. Aber langweilig wird es sicher nicht.

Text: Lukas Klemp

Dieses Feature erschien in JUICE #179 (hier versandkostenfrei bestellen).

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