Lance Butters: »Oberflächlich mag es immer dasselbe sein: Girls, Kush und Cash.«

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Jetzt ist es also endlich da: das langerwartete Debütalbum von Lance Butters. Titel: »Blaow«. Nach vier EPs (eine davon zusammen mit Kollege Coru), einer ausgewachsenen Schreibblockade und der damit verbundenen Release-Verspätung von einem Dreivierteljahr steppt Lance Butters aus dem dichten Dunst des Desinteresses wieder ins Rampenlicht, um uns seine anschaulichen Tales über Girls, Kush und Cash vor den Latz zu knallen. Grund genug, mit dem reflektierten Rapper ein paar andere Themenfelder abzugrasen wie Freundschaft, Rentenvorsorge und First World Problems.
 
Auf deiner »Selfish«-EP von 2012 hast du gesagt: »Routine am Mic macht noch lange nicht tight.« Was braucht es stattdessen?
Style, Attitude, Wiedererkennungswert, Beat-Verständnis. Die meisten relevanten Rapper heute sind ja routiniert – wobei es selbst unter denen noch welche gibt, die unsauber rappen. Am wichtigsten ist, dass man etwas Eigenes hat. Aber auch das ist natürlich Geschmackssache. Ich habe ­meiner Ansicht nach viel Eigenes, mögen muss man mich deshalb aber noch lange nicht. Ich werde jedoch lieber von einigen gehasst als so zu klingen wie alle anderen auch. Man muss für etwas stehen.
 
Wofür steht Lance Butters?
Ich bin ein ganz normaler Typ, der sich nichts darauf einbildet, Mucke zu machen. Ich bin weder ein Made Man, noch Teil der Szene. Ich stehe für alles, was ich in meinen Songs sage, aber dahinter steht keine Lebensphilosophie.
 
Wir haben eben über Routine ­gesprochen. Hat dich deine Routine zu einem besseren Rapper gemacht?
Jein. Ich weiß mittlerweile, was ich kann und was zu mir passt. Das fehlt anderen leider. Vielen deutschen Rappern merkt man an, was sie privat hören – ohne dass es deshalb zwangsläufig in ihren eigenen Künstlerkosmos passt.
 
Wie bei Leuten, die sich in Skinny Jeans zwängen, aber nicht die Figur dafür haben.
Genau. Die können den Style ja feiern, ­müssen ihn deswegen aber doch nicht auf Teufel komm raus selbst sporten.
 

 
Wo bist du sonst noch routinierter ­geworden?
Ich habe früher komplexer geflowt, aber auch etwas holpriger. Mittlerweile rappe ich sauberer, ohne dass ich deshalb an Style eingebüßt hätte. Und ich bin besser im Beat-Picking geworden.
 
Routine kann auch gefährlich sein, wenn sie dazu führt, dass man an Biss verliert und sich wiederholt. Hast du Angst, dass dir das passieren könnte?
Mir wird doch eh oft vorgeworfen, ich würde in jedem Song das Gleiche erzähle. Aber man: Ich will euch ja auch nichts mit auf den Weg geben. Mein Fokus liegt auf dem Vibe, auf dem Flavour: Hör das, rauch dir einen, nick mit dem Kopf – aber such doch nicht überall die krasse Message dahinter. Insofern: Nein, davor habe ich keine Angst. Ich weiß, dass ich den Kosmos, in dem ich mich bewege, noch viel weiter ausfüllen kann. Oberflächlich mag es immer dasselbe sein: Girls, Kush und Cash. Aber das sind ja nie endende Themenfelder. Deshalb werde ich auch nicht plötzlich anfangen, über Liebe und Schicksalsschläge zu rappen.
 
Du hast eben erwähnt, dass du deine Stärken kennst. Experimentierst du trotzdem noch herum oder konzentrierst du dich auf deren Perfektionierung?
Ich habe »Blaow« bei Ahzumjot aufgenommen, der selbst viele Beats macht, und da macht man auch schon mal ein bisschen Quatsch zwischendurch. Ich lasse mich auch gerne überzeugen, neue Wege einzuschlagen. Aber es gibt auch Sachen, die mich gar nicht turnen – wie diese Rock-angehauchte Indie-Schiene. Das hat alles seine Daseinsberechtigung, ist aber nicht meins. Wenn mich ein Künstler, der cool ist, aus diesem Bereich aber nach einem Feature fragen würde, würde ich das machen.
 
Du hast in einem früheren Interview erzählt, dass du bisweilen auch mal über Herzschmerz schreibst, es dann bloß nicht veröffentlichst.
Ja, das stimmt. Ich bin aber nicht der Typ, der sich hinsetzt, um sein Leben zu verarbeiten. Wenn mir etwas auf der Seele liegt, dann quatsche ich darüber mit meinen Kumpels. Ich verstehe nicht, warum alle ­ihren persönlichen Scheiß immer in ihre Texte packen anstatt mit ihren Freunden darüber zu reden. Und ganz ehrlich: Was passiert einem Rapper hierzulande denn schon Schlimmes, dass man rumheulen muss?
 
Auch Erste-Welt-Probleme sind ­Probleme.
Ich möchte aber, dass die Leute sich bei mir auf die Musik konzentrieren. Ich möchte nicht, dass die meinen Namen kennen, ­meine Schuhgröße wissen und wie ich ­meine erste Freundin kennengelernt habe. Man, hier geht’s doch um Musik. Ich möchte die Leute in meine musikalische Welt hineinholen, nicht in meine private.
 
Interessiert dich selbst denn auch nie der Mensch hinter einem Künstler und dessen Image?
Nein. Ich habe kein privates Interesse an anderen Rappern und will auch nicht mit denen abhängen. Ich meine das gar nicht böse. Aber ich hänge nicht mit Leuten ab, weil sie denselben Beruf haben wie ich, sondern weil es eine coole menschliche Ebene gibt. Hinzu kommt: Ich wohne eh ab vom Schuss, habe da meinen Freundeskreis und brauche niemanden mehr – und erst recht keine oberflächlichen Musikbekanntschaften.
 
Hast du gar keine Rapper-Freunde?
Doch, Rockstah und Ahzumjot. Aber mit ­denen hänge ich nicht ab, weil sie coole Rapper sind, sondern coole Menschen.
 
Du scheinst generell mehr Wert auf Qualität als auf Quantität zu legen – ­sowohl in der Musik als auch im ­zwischenmenschlichen Miteinander. Warst du immer schon so?
Ja, schon als Kind. Damals habe ich zwar noch keine Businesspläne erstellt, aber ich hatte bereits Grundsätze und Denkweisen, die ich beibehalten habe. Ich bin stets ich selbst geblieben.
 
Dann hast du vermutlich auch nur ­wenige, dafür aber gute Freunde.
So ist es. Für die zwei, drei Menschen bin ich aber voll und ganz da. Wenn ich mal zufällig alte Klassenkameraden treffe und die fragen »Ey, wie geht’s dir?«, dann denke ich mir nur: »Man, fick dich. Smalltalk ist richtig krass langweilig.« Ich muss nicht mit jedem cool sein. Warum auch? Das bringt nur unnötige Verpflichtungen. Ich muss dann auf dreißig belanglose Whatsapp-Nachrichten pro Tag mehr reagieren. Da habe ich keinen Bock drauf. Und bei der Mucke ist das genauso: Ich mache lieber weniger, dafür aber geile Musik. Wenn ich dann von anderen Rappern höre »Ich muss ja jedes halbe Jahr etwas releasen, sonst wird es knapp mit dem Geld«, dann denke ich mir nur: »Mann, dann such dir besser einen anderen Job.«
 
Der Titel »Blaow« deines aktuellen Albums basiert auf einem Ausspruch, den du schon vor Jahren getätigt hast. Hast du den Titel auch deshalb gewählt, um zu unterstreichen, dass sich dein bisheriger Style nicht verändert, sondern lediglich weiterentwickelt hat?
Nein, so durchdacht war das nicht. Ich hatte für das Intro eine Hook-Idee mit »Blaow«, und damit stand plötzlich der Albumtitel. Ich finde »Blaow« wahnsinnig plakativ. Es sagt zwar nichts aus, klingt aber nach was. Das hat so was Hingerotztes. Das gefällt mir.
 
Die Platte war ursprünglich für August 2014 angekündigt. Was hat zu dem Delay geführt?
Ich habe viel zu spät angefangen und hatte auch keinen Bock. Ich war mit meinem Kopf woanders.
 
Deine erste Schreibblockade?
Ja, aber nicht aus Panik, sondern aus ­Desinteresse. Ich hatte mehr Lust rumzuhängen, zu ­zocken, Serien zu schauen. Ich will in meiner Musik ja in erster Linie einen Vibe transportieren. Und wenn ich den nicht habe – was soll ich machen?
 
Sind dein Management und Label schon nervös geworden?
Ja, aber die sind ja genauso machtlos. Wenn ich nichts habe, dann habe ich nichts. Und letztlich ist es mein Problem, denn mir geht irgendwann der Vorschuss aus. Ich habe jedenfalls übertrieben rumgeeiert. Wenn ich mich hingesetzt habe und mir nach zehn Minuten nichts eingefallen ist, habe ich halt doch erst mal wieder eine Serie geguckt – so sind die Tage verstrichen.
 
Irgendwann bist du aber offensichtlich doch wieder in den Vibe gekommen.
Ja. Irgendwann war ich ­angepisst genug, um wieder battlen zu wollen. Aber ich habe kaum Ausschussware. Was ich schreibe, verwende ich auch. Die aktuelle Platte hat 13 Songs, weil ich 13 Songs fertig hatte. Ich habe zu Hause keine Festplatte rumliegen mit unveröffentlichten Songs. Ich ­funktioniere einfach nicht auf Knopfdruck.
 
Inwiefern war die Herangehensweise an dieses Album nun etwas anderes als bei deinen vorherigen EPs?
Ganz ehrlich: Ein Album zu ­machen, finde ich richtig ­scheiße. Du musst auf zu viele Dinge achten, wenn du einen gewissen Anspruch an dich selbst hast. Du musst dich in deinem Kosmos breiter aufstellen, ohne dich zu verraten – also keinen Song über deine Exfreundin machen, das ­Clubleben oder Politik, sondern deine ­Themen vielfältiger verpacken. Das ist anstrengend.
 
Auf der Platte rappst du: »Mein Label will mich soft sehen/Ich mache mein Ding aber trotzdem«. Gab es tatsächlich Diskussionen darüber?
Four ist eben ein Majorlabel mit einem bestimmten Künstlerkatalog und einer Vorstellung davon, was sich verkauft. Es hat daher lange gedauert, den Leuten zu ­vermitteln: »Ey, ihr habt mich gesignt. Ich gehe also davon aus, dass ihr wusstet, was ihr tut. Ihr kennt doch meine Mucke.« Die imaginäre Checkliste in deren Köpfen, auf der steht, wie man eine Promo aufzieht und einen Hit platziert, musste ich denen ­zerknüllen und sagen: »Läuft nicht bei mir.« Da bin ich wie ein bockiges Kind.
 

 
Dennoch: Wie gehst du mit den ­Erwartungen von Seiten deines Labels, der Szene und deinen Fans um?
Ach, über so etwas habe ich mir früher einen viel größeren Kopf gemacht. Mittlerweile ist mir vieles scheißegal geworden. Die ­Szene ­erwartet etwas von mir? Scheiß auf die. Wer sind die überhaupt? Das Label hat Erwartungen? Ja, und? Und wenn ich die nicht erfülle, sind die Leute dort sauer auf mich? Sollen sie doch. Die verdienen schließlich Geld mit mir.
 
Und wenn sich die Platte nicht verkauft?
Was soll dann sein? Wär doch okay. Dann wüsste ich wenigstens, woran ich bin. Ich würde jedenfalls nicht auf Krampf versuchen, meine Karriere am Laufen zu halten. Wenn den Leuten nicht gefällt, was ich mache, dann muss ich das akzeptieren. Verbiegen werde ich mich jedenfalls nicht.
 
Das klingt sehr rational, fast beleidigt.
Viele Leute halten mich für undankbar, wenn ich so etwas sage, aber das bin ich nicht. Ich freue mich, dass es so gut läuft. Das ist cool. Aber auch nur deshalb, weil es so läuft, wie ich das will. Aber: Mein Lebensglück hängt davon nicht ab. Wenn es heute mit der ­Karriere vorbei wäre, würde ich mir eben etwas Neues suchen. Ich sehe mich in fünf Jahren eh nicht mehr rappen. Irgendwann muss ich schließlich auch mal beginnen, in die Rente einzuzahlen. (lacht)
 
Auf »Deal With It« geht es um die ­Fokussierung vieler Rapper auf ihren Chart­erfolg. Warum stört dich das?
Ich finde das einfach traurig. Geht es denen echt um nichts anderes? Mir ist es viel wichtiger, dass die Leute meine Grundsätze kennen. Viele Leute definieren Erfolg einfach falsch. Denn es ist kein Erfolg, wenn sich deine Platte gut verkauft. Es ist ein Erfolg, wenn du eine Platte gemacht hast, hinter der du zu hundert Prozent stehen kannst. Und wenn die sich dann noch gut verkauft: Jackpot.
 

 
Hält der monetäre ­Gedanke nicht immer Einzug, wenn man sein Hobby zum Beruf macht?
Für mich klingt das aber so, als ob das Hobby nicht zum Beruf, sondern zur Last geworden ist. Klar, jeder muss zusehen, wo er bleibt. Und eine gute Chartplatzierung bedeutet mehr Auftritte und mehr Kohle. Das verstehe ich. Aber wenn du so hustlen musst, damit du Kohle reinbekommst, dann mach vielleicht besser etwas anderes.
 
Die Platte ist wieder komplett von ­Bennett On produziert. Was schätzt du an seinen Beats?
Er hat einen eigenen Sound und mit mir jemanden gefunden, der diesen Trademark-Sound, dieses Stylishe, Schleppende, Rumpelnde ausfüllt und danach schreibt. Ich habe den passenden ­Style für seine Beats, und seine Beats haben den ­passenden Style für meinen Rap. Das passt einfach.
 
Bennett On kommt aus dem Emsland, du lebst in Süddeutschland. Wie oft seht ihr euch?
Nicht so oft. Unsere Kommunikation läuft vor allem über Whatsapp und Dropbox. Er schickt mir Beats, ich gebe meinen ­Kommentar dazu ab, er verändert was.
 
Was muss ein Beat haben, damit es ein Lance-Butters-Beat wird?
Ich bin relativ offen. Bloß keine Streicher, Wobble-Bässe und epische Pianos. Das Wichtigste ist Vibe. Aber mit schnödem Rumgeklimper kriegt man mich fast immer. (grinst)
 

 
Ahzumjot über Lance Butters und »Blaow«
 
Du hast »Blaow« gemischt. Wie kam es dazu?
Ich habe Lance mal auf Tour mitgenommen, seither sind wir gut befreundet. Bei seinem aktuellen Album habe ich von Anfang an eine Beraterfunktion innegehabt. Als ich ihm im Zuge dessen auch mal Sachen von mir vorgespielt habe, war es von dem Sound so begeistert, dass er wollte, dass ich seine Platte mische. Dazu muss man wissen: Lance arbeitet nicht gerne mit Fremden. Es bot sich also an, mich ins Boot zu holen.
 
Worum ging es dir beim Mixing?
Mir war vor allem wichtig, dass es zu hundert Prozent nach Lance klingt – mehr nach »Selfish« als nach »Futureshit«, aber ausgereifter; nach Homestudio, aber nicht billig. Als Rapper habe ich zudem viel Wert auf Lance’ Vocal-Performance gelegt. Deshalb haben wir alle Rap-Parts noch mal neu aufgenommen, weil er vorher zu unmotiviert klang. Klar, Lance Butters muss ein bisschen leiern, aber es muss trotzdem on point sein.
 
Das war das erste Mal, dass du professionell ein Album gemischt hast. Hatte Four Music keine Bedenken, einen Rookie ranzulassen?
Doch, und wie! Die hatten Roe Beardie, der das Album gemastert hat, bereits vorgewarnt, dass er ganz roughe und kaputte Tracks bekommen würde. Die meinten zu ihm: »Du, das macht ein krasser Amateur, das ist ein Kumpel von Lance. Aber wir wollen die Platte jetzt endlich mal fertigbekommen.« (lacht) Aber am Ende des Tages waren alle positiv überrascht. Das war natürlich cool.◘
 
Foto: Christoph Voy
 
Dieses Interview ist erschienen in JUICE #167 (hier versandkostenfrei nachbestellen).
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