»Ich vertrau nur mir selbst und schau, dass ich mich selbst in den Griff kriege« // Kool Savas im Interview

-

Kool SavasBerlin, 12.10.2009

Die Nummer eins kann man Savas nicht mehr nehmen. Seine »Aura« sowieso nicht. Davon konnten sich tausende Besucher seiner »Aura«-Tour überzeugen. Heute veröffentlicht Kool Savas sein »Aura live«-Album, das neben dem Auftritt in der ausverkauften Columbiahalle in Berlin auch etliche Eindrücke um das Tour-Leben Essahs enthält. Passend dazu gibt es hier das ausführliche Interview aus der Kool Savas-Sonderausgabe.

Einer von diesen herrlich sonnigen Spätsommertagen, an einer Tankstelle kurz vor Konstanz am Bodensee. Berlin liegt gut 700 Kilometer hinter uns. Ich sitze im Wagen und tippe auf meinem Telefon herum. Ein Mann in Bermuda-Shorts und bunt gemustertem Hemd jenseits der 40 schaut in meine Richtung, grinst und hebt anerkennend den ­Daumen. Was will der? Rastplatz-Horror­storys gibt es ja zur Genüge. Er kommt näher. Seinen extravaganten Kleidungsstil toppt ein bemerkenswerter Mittelscheitel, die einem Sunpoint-Abo geschuldete Hautfarbe eines Fünf-Cent-Stücks, reihenweise selbstgestochene Tattoos und eine Madonna-Zahnlücke. Er kommt zum Auto, das Fenster ist offen. In breitestem Schweizerdeutsch fragt er: »Wie viel PS hat der?« »Keine Ahnung.« »Schöner Wagen, sehr selten. Wollen wir ein bisschen spielen?« »Was? Wie spielen? Geh mal lieber weiter.« Der Typ lacht. »Nein, nein. Auf der Autobahn spielen.«

Savas kommt aus der Tankstelle, Mezzo Mix in der einen, Wagenschlüssel in der anderen Hand. »Was ist los?« Der Kerl lächelt ihn an. »Schöner Wagen, wollen wir ein bisschen auf der Autobahn spielen?« »Nein, lass mal. Ich fahr keine Rennen.« Savas setzt sich kopfschüttelnd ins Auto. Der Typ fragt erneut: »Wie viel PS hat der?« Savas, jetzt leicht genervt: »571.« Der Schweizer hebt würdigend die Augenbrauen. »Lass uns doch ein wenig spielen.« Entnervt willigt Savas ein. »Gut, fahr mal vor.« Der Kerl steigt in seinen Wagen, ebenfalls ein CL, allerdings aus dem Jahr 2005. Die Vorfreude ins Gesicht geschrieben fährt er an uns vorbei, auf dem Beifahrersitz eine vollbusige Brünette Ende 30. Savas: »Die Alte war gerade in der Tanke und hat Pfandflaschen weggebracht.« Gelächter.

Auf der Autobahn werden wir trotz 571 PS, schnurgerader Fahrbahn und 297 km/h auf dem Tacho eiskalt von dem Rentner-Luden abgezogen. Keine Chance, auch nur annähernd an ihn heranzukommen. Nach der geraden Strecke geht es runter vom Gas, das Bermuda-Pärchen drosselt das Tempo, fährt neben uns, lacht uns fies aus. Der Kerl kramt in seiner Tasche, holt einen kleinen Totenkopf-Schlüsselanhänger hervor und winkt uns damit zu. Dann tritt er aufs Gas und ist weg. Was für eine Scheiße. Noch beschissener, dass ich in dem Moment nicht die Kamera draufgehalten habe. Lustig war er, dieser Sommer mit Kool Savas, in dem die »Making Of ‘Aura’«-DVD und dieses Interview entstanden sind. Ein Gespräch mit einem nachdenklichen Rap-Monarchen.

»Aura« ist nun endlich fertig. Ist dir eine Last von den Schultern gefallen oder geht das Grübeln weiter?
Heute ging das Album ins Presswerk. Das war jetzt die letzten Tage ein ewiges Hin und Her. Das Schlimme ist, dass man jetzt im Nachhinein viele Sachen hört, die man gerne noch anders gemacht hätte, sei es im Mix oder im Arrangement. Das ist eine unendliche Story. Wenn man sich nicht zwingt aufzuhören, dann geht das ewig weiter. Wenn ich noch zwei Jahre weiter arbeite, habe ich sicherlich irgendwann ein Produkt, mit dem ich wirklich zufrieden bin. Aber das ist dann nur für Fanatiker, das ist dann das Jamiroquai-Level, wo es nur noch um Irrsinn geht. Man muss schon auch mal fünfe ­gerade sein lassen.

Gab es einen bestimmten Song, bei dem der Knoten geplatzt ist?
Komischerweise war es andersherum. Am Anfang hab ich den »Aura«-Beat gehört und den Song geschrieben. Da wusste ich: Das ist es, so muss das Album klingen. Dann kamen »Stimme« und »Und dann kam Essah«. Das lief auch unproblematisch. Beides sind super Songs, die gleich zu Anfang aus mir rauskamen. Dann hab ich »Nichts bleibt mehr« geschrieben und dann aufgrund meiner privaten Geschichten und meinem Umzug eine Blockade bekommen. Ich hab bis zum Schluss den Kopf nicht mehr freigekriegt. Bei mir ist es wirklich so: Wenn ich ein Problem habe, und es gibt ja welche, die schwer zu lösen sind, dann bleibt das einfach in meinem Kopf drin, bis es komplett erledigt ist. Ich kann mich dann einfach nicht locker machen. Ich blockiere mich da selbst.

Wie äußert sich diese Depression?
Es kommt ja wirklich darauf an, ­woher sie kommt. Es war nicht so, dass ich Angst ­hatte, nicht fertig zu werden, ­sondern ­einfach, dass ich nichts schreiben ­konnte. Mein Kopf war voll. Ich habe über ­zehntausend andere Sachen nachgedacht, aber kein Wort rausbekommen. Horror.

Ist dieser Zustand in dein Album ­eingeflossen?
Kann ich so nicht sagen. Vielleicht zwischen den Zeilen, unbewusst. Auf jeden Fall hat mich diese Frustration aggressiver gemacht. Aber ich hab diese Umstände nicht offensiv und explizit thematisiert und angesprochen. Es gab einfach viele Dinge, die mir sehr zu schaffen gemacht haben.

Spielt deine Herkunft in dieser ­Zerrissenheit auch eine Rolle?
Unterbewusst sicherlich. Das schwingt alles mit. In mir herrscht eine tiefe Grundmelancholie, die einfach immer da ist. Das Türkische in mir. Wir Türken gehen in Musik auf. Erwachsenen Männern kommen bei türkischen Liedern die Tränen, weil wir uns an irgendeinen Scheiß erinnern. Bei mir sind es meine ganzen Umzüge, die vielen Wohnorte, aber auch jede Trennung – das wiegt alles schwer und nagt an mir. Ich bin alles andere als gefühlskalt. Diese Melancholie ist allgegenwärtig. Ich weiß ganz genau, dass es Leute gibt, denen es viel schlechter geht. Aber die Emotionen, wie die Probleme auf uns wirken, das können wir nicht bestimmen und müssen es hinnehmen. Ich weiß nicht. Ich denke, dass ich mir durch die Erfüllung des einen Traums so viele andere Wege versperrt habe. Vielleicht wäre mein Leben ganz anders gelaufen.

Aber was hättest du sonst getan?
Keine Ahnung. Einfach ein festes Zuhause haben, sich heimisch fühlen. Menschen ganz neutral kennen lernen, ohne dass man voreingenommen ist. Die Menschen sind eben so, man wird anders behandelt. Es ist nicht mehr möglich, mich einfach als Mensch, ohne Kool Savas, ohne Rap-Karriere kennen zu lernen. Weder als Frau, noch als Freund. Ich bewundere und beneide Leute, die ganz normal arbeiten gehen, ein Zuhause und Familie haben. Ich kann natürlich nicht hinter die Fassade blicken, möglicherweise würde ich mich dann nach etwas anderem sehnen. Aber ich sehe bei diesen Menschen eine Grundzufriedenheit, die bei meinem Job einfach ausbleibt, weil es nicht ­miteinander vereinbar ist. Andererseits hätte ich ein ­Album wie »Aura« nicht machen können, wenn ich nicht so viele Enttäuschungen erfahren hätte.

Hat das auch damit zu tun, dass du alleine wohnst, seit du 15 bist?
Bestimmt. Zu der Zeit wollte ich das so und bin davon ausgegangen, dass man nichts weiter braucht. Aber als Jugendlicher hat man ohnehin eine Macke. Ich habe neulich gelesen, Wissenschaftler hätten herausgefunden, dass bei pubertierenden Jugendlichen im Kopf die gleichen Dinge vorgehen wie bei Verrückten. Die Hormone machen, was sie wollen. Damals wollte ich mich mit vielen Situationen, die zu Hause geherrscht haben, nicht auseinandersetzen. Ich hab mich voll gefreut: Yeah, ich penn aus, ich mach was ich will, mir kann keiner was sagen. Bei mir hat sich dann bald alles auf die Musik konzentriert. Bei anderen geht es ja nur um Party, Drogen und Ficken. Ich hatte zum Glück die Musik. Aber schau dir mal die Künstler an! Die meisten sehen irgendwann total kaputt aus, sind mit den Nerven am Ende und alles andere als relaxt. Im Endeffekt stehen die alle unter Strom. Anerkennung kommt immer nur Tag für Tag. Mit jedem Projekt musst du dir all die Liebe, die du so sehr willst, neu erarbeiten. Warum kiffen die Menschen oder saufen sich zu? Weil sie mit etwas nicht klarkommen. Wir betäuben uns ja alle auf irgendeine Art und Weise, aber ich versuche mich von dem Drogending komplett fernzuhalten. Rede mal mit echten Dope-Heads. Jedes zweite Wort ist »Krise«, und ich glaub das auch jedem, der das sagt.

Hast du nie Gras geraucht?
Ich hab es mit 14 mal probiert, aber das ist überhaupt nicht mein Ding. Da ist mein Gehirn vor lauter Gedanken explodiert.

Und wie ist das mit Kollegen? Viele Rapper und Produzenten rauchen ja gerne mal Weed bei der Arbeit. Kommst du damit klar?
Ja, aber ich bin kein Fan davon. Ich hasse es, den Unterschied zu sehen. Der normale Dude und dann der normale Dude auf Gras oder auf was anderem. Das ist das Gleiche, wie alleine zwischen zehn Besoffenen zu stehen. Da ist es schwer, über die ­gleichen Sachen zu lachen, da man auf einem ­anderen Vibe ist.

Auf dem Weg von Berlin nach Konstanz. Beats werden durchgehört, der Wagen hat endlich die 1.500-Kilometer-Marke durchbrochen und kann nun mit dem gepflegten Bleifuß umgehen. Die Sonne scheint, Moskitos klatschen in beruhigender Regelmäßigkeit an die Windschutzscheibe, Fastfood-Ketten werden aufgesucht. Je weiter wir Richtung Süden kommen, desto öfter spricht Savas von der Natur und dem einfachen Leben auf dem Dorf. Eine Entscheidung, die er zutiefst bereut, sei es, nicht im richtigen Moment zugeschlagen zu haben, als es um ein Haus in einem bayrischen Hundertseelen-Kaff ging. Denn genau das sei es, was er eigentlich will: ein gutbürgerliches, ja, spießiges Leben, ein Haus im Grünen, ein paar Freunde als Nachbarn, den Enkeln von der Veranda beim Spielen zuschauen. Genau das Szenario, vor dem die Menschen der Retweet-Gesellschaft fliehen, um in jenen aufstrebenden Innenstadtbezirken zu leben, die aussehen wie eine Smartphone-Werbung.

»Banjo redet oft von Schicksal«, sagt Savas. »Wenn man daran glaubt, ist sowieso alles richtig. Dann gibt es für jeden ein bestimmtes Programm, mit dem er zu dem Ziel gelangt, das für einen vorgesehen ist. Aber es ist nicht einfach. Das darf keiner vergessen. Weder der Weg dahin, noch das Ziel.« Noch schwieriger als ein Rap-Star zu werden, scheint die richtige Beat-Auswahl zu sein. In Konstanz angekommen, werde ich Zeuge der sagenumwobenen Stimmungsschwankungen. Referierte Savas auf der Fahrt noch bestens gelaunt über Reimschemata, HBO-Serien und Samba-Schokoaufstrich, verwandelt er sich im Kreuzlinger Studio seines Produzenten Sir Jai in einen waschechten Fatalisten. Alle Beats seien furchtbar, die Herangehensweise der Produzenten schauderhaft, nichts mache mehr Sinn und die Idee mit dem Album war ohnehin ein Hirngespinst. Savas redet sich in Rage, geht im Studio auf und ab. Sir Jai scheint solche Reden gewohnt zu sein, stimmt ihm hin und wieder leise zu und werkelt weiter an den bereits aufgenommenen Songs. Savas jedoch ist so aufgebracht, dass erst am nächsten Tag weitergedreht werden kann.

Ich habe bei den Aufnahmen gemerkt, dass viel von deiner Laune abhängt. Du kannst in einem Moment vom glücklichsten Menschen der Welt zum traurigsten werden.
Voll. Alles hängt vom Vibe ab. Ich bin auch nicht so abgebrüht, dass ich sage: Jetzt ist Studiozeit, nimm auf. Manche können das ja. Die mieten sich ein Studio und sagen sich, die nächsten drei Monate werde ich recorden. Bei mir geht das nicht. Manchmal habe ich von einem Tag auf den nächsten keinen Bock mehr und höre einfach auf. Dann drehe ich auf einmal durch und rappe wieder ganz viel ein. Deswegen war es für mich auch immer leicht, Mixtapes zu machen. Ich hab ja nie wirklich viel gesoffen, aber ich hab mich eine Zeit lang locker gemacht, ein paar Zigaretten geraucht und im Studio getrunken. Alles in Maßen, aber da waren wir immer zu fünft im Studio. Da war das Leben eine einzige Party. Jetzt zügle ich mich auch in jeder Hinsicht selbst. Komplett. Manchmal grenzt es schon fast an totalen Verzicht. Auf der einen Seite hat es was Gutes, manchmal ist es aber auch schwer, dieses geordnete, strikte Leben zu führen.

Der Verzicht auf Laster?
Zum Beispiel. Einfach, dass man total bewusst lebt. Das fängt bei Zigaretten und Alkohol an. Dann Fleisch essen. Ich muss einfach schauen, dass ich für mich richtig handle. Viele stürzen sich sorglos in den Tag. Bei mir rattert die ganze Zeit der Kopf. Ich mach mir die ganze Zeit Gedanken, was richtig ist und was nicht. Ich habe für mich entschieden, moralisch zu leben und ehrlich zu bleiben. Weil es ja auch das reflektiert, was man ist. Ich geh nicht perfekt mit mir selbst um, bin aber auch bei weitem nicht so selbstzerstörerisch wie andere Leute, die ich kenne. Die gehen immer in die Vollen, jedes Wochenende. Keinem Problem aus dem Weg gehen und immer Konfrontation suchen. Das ist nicht mein Ding.

Warst du auch früher nie groß feiern?
Doch. Als ich jung war, habe ich mir in jeder Hinsicht die Kante gegeben. Da hab ich auf alles geschissen. Aber das kann ich nicht mehr. Ich bin mittlerweile so verkopft. Ich denke wirklich sehr viel nach. Wenn ich Dinge tue, die moralisch nicht in Ordnung sind, werde ich sie nicht mehr los. Das habe ich gemerkt. Deswegen versuche ich straight und ehrlich zu sein.

Geht es darum, ob du für dich selbst das Richtige tust oder ob andere Menschen denken, dass es es das Richtige ist?
Schwer zu sagen. Ich merke halt, dass ich mir selbst keinen Freiraum lasse, um mal richtig abzuspasten. Wie oft würde ich andere Leute, die mir wirklich auf den Sack gehen, gerne in ihre Schranken weisen. Aber dann halte ich mich absichtlich zurück, weil ich weiß, dass es so mühsam und nervig ist. Man hat das ja alles schon oft selbst erlebt. Das Endresultat ist dann oft: Ich vertrau nur mir selbst und schau, dass ich mich selbst in den Griff kriege. Das bedeutet dann in letzter Konsequenz: Einsamkeit.

Auf »O.N.U.R.« sagst du seit langem mal wieder, was du von anderen hältst – wenn auch nicht wirklich explizit.
Auf dem Album hab ich schon ausgeteilt. Aber eben nicht explizit. Manchmal fragt man sich auch, ob sich das überhaupt lohnt oder Sinn macht. Ich will auch nicht so fahrlässig damit umgehen. Mittlerweile weiß ich die Macht des Wortes auch zu schätzen. Man denkt oft nicht darüber nach. Aber du musst dich schon fragen, ob du nicht nur darauf eingehen willst, sondern ob es auch richtig ist, jemandem, der dich nervt, gleich eine reinzudrücken oder direkt in den Krieg zu ziehen.

Hast du teilweise ein schlechtes Gewissen, was du bei einigen angerichtet hast?
Nee, ich sehe das schon als Competition und Battle. Aber es ist hart. Bei MC Rene war es auf jeden Fall ein Fehler in der Kommunikation. Da hat man am Zeiger gedreht und ist verrückt geworden. Wir haben einfach Renes sogenannte Karriere beendet und zerstört. Total fertig. Und dann sehe ich einen Bericht, wie er durch Deutschland tingelt, wie so ein Obdachloser, um Comedy-Gigs zu ergattern. Ganz ehrlich, in dem Moment tut mir das leid und ich denke, dass es wirklich asozial von uns war. Aber das ist jetzt auch nicht mein Hauptproblem. Auf der anderen Seite finde ich, wenn er gute Mucke gemacht hätte, dann würden ihn die Leute auch weiterhin hören. Jeder ist seines Glückes Schmied.

Diesen Verzicht, den du im täglichen Leben übst, wendest du ja auch auf deine Karriere an.
Ja, da bin ich sehr streng. Sonst würde ich viel mehr Sachen annehmen. Das sehe ich sehr oft nur von außen. Ich bin da auch extrem vorsichtig und sage wirklich viele Anfragen ab. Selbst wenn es da um schnell verdiente 20.000 Euro geht. Denn wenn man es objektiv betrachtet, würde ich das bei jemand anderem auch peinlich finden. Ich kann eben oft nicht dahinter stehen. Auch bei Features. Jeder große deutsche Rapper, den man kennt, hat mich schon mal um ein Feature gebeten. Da waren auch Angebote dabei, bei denen ich definitiv wusste, dass ich mit einem 16er mehr verdienen kann als viele in einem halben Jahr. Da musste ich auf die Kohle scheißen. Ich will jetzt nicht den großen Märtyrer darstellen. Ich sag bloß, dass ich streng mit mir selbst bin. Und das übertrage ich auch auf andere. Deswegen bin ich auch so ein kleiner Loyalitäts-­Fanatiker.

Was das Wirtschaftliche angeht, hat sich ja eigentlich vieles zum Guten entwickelt. Du machst ja unabhängig einen weitaus besseren Schnitt als ­damals zu BMG-Zeiten.
Schon. Es ist zwar mit einem hohen Risiko verbunden, aber es läuft wirklich gut. Da kann ich mich nicht beschweren. Es war allerdings auch sehr harte Arbeit. Das war der ganz klassische Weg: Blut, Schweiß und Tränen. Ich hab quasi als Praktikant in dem Rap-Betrieb angefangen und mich zum Chef hochgearbeitet. Nach zwanzig Jahren. Man weiß einfach am Ende, was man davon hat. Ich habe die Sicherheit, dass meine Karriere wie ein Fundament ist, was mir keiner mehr nehmen kann. Man hat sich ein Denkmal gebaut und das lässt sich jetzt nicht so einfach erschüttern. Das bringt natürlich auch Freiheiten. Ich kann ein Senna-Feature machen, ohne dass alle auf die Barrikaden gehen. Früher hätte das für einen Rapper noch das Todesurteil sein können. Ich bin wirklich dankbar, dass die Fans mir treu bleiben und mich verstehen. Genauso mit der Limited Edition für das Album. Die Fans haben am Anfang gesagt, dass sie zu teuer ist. Ich kapiere das auch, die ist brutal teuer. Aber sie kostet halt so viel in der Herstellung. Wir verdienen da nicht mehr daran, als bei einer normalen Box, da wir in der Produktion schon so viel reinbuttern. Das habe ich denen erklärt und dann haben sie auch verstanden, dass ich sie nicht verarsche, um den großen Reibach zu machen. Das ist natürlich ein schöner Komfort.

Essah Entertainment sind ja eigentlich nur zwei Menschen: dein ­langjähriger Manager David Laube und du. Wie kann man sich die Arbeit an sich ­vorstellen?
Im Prinzip sind es wirklich nur David und ich. David arbeitet auch extrem viel, wofür ich ihm unendlich dankbar bin. Wir haben allerdings auch einige Helfer. Wir splitten alles in verschiedene Deals. Wir checken einfach all unsere Kontakte, gucken was sinnvoll ist. Ich bin da total frei. Ich kann mir meine Geschäftspartner aussuchen, jeder würde mit mir arbeiten. Ganz alleine geht das nicht mehr, dafür ist so ein Release zu groß. Wenn wir ein Album wie »Aura« rausbringen, dann musst du schon den Wert einer schönen Eigentumswohnung investieren, um das ordentlich zu machen. Das darf man nicht vergessen. Alles ist mit harter Arbeit und Zeitaufwand verbunden, aber dafür behalten wir unsere Freiheit.

Gibt es Dinge, die du geschäftlich ­verändert hast?
Ich bin nicht so hart, wie ich gerne wäre. Aber wenn ich jemanden nicht kenne oder nichts mit ihm zu tun habe, dann verkaufe ich mich nicht mehr unter Wert. Das Live-Geschäft ist ein gutes Beispiel. Die meisten Veranstalter sind Bastarde. Ganz einfach. Die haben kein Problem damit, dir irgendeinen Müll zu erzählen, damit sie dir weniger Kohle zahlen können. Am liebsten wäre es denen, wenn ich eine 2.000er Halle fülle und 1.000 Euro Gage nehme. Aber da haben sie die Rechnung ohne mich gemacht. Ich bin da jetzt ganz trocken. Keine Freundschaftsdeals mehr. In dem Business gibt es eh kaum Freunde. Die wenigen, die ich habe und denen ich vertraue, denen würde ich jederzeit einen Gefallen tun, aber der Rest? Nein, danke. Ich bin da viel straighter geworden, aber es geht auch nicht anders. Wenn du am Ende des Jahres deine Kohle haben willst, dann musst du ein harter Hund sein. Die ganze Steuersache, das muss man alles ernst nehmen. Es bringt mir ja nichts, wenn ich am Ende an einer Platte 5.000 Euro verdiene. Ich wringe hier meine Seele aus und das muss auch in irgendeiner Form finanziell Sinn machen.

Wir bist du dieses Mal die Technik und die Themen angegangen?
Seit »Bello 3« lege ich extrem viel Wert auf Themensongs. Irgendwann kannst du einfach nicht mehr zwölf Songs hintereinander machen, wo es nur ums Rappen geht. Das ist zwar weiterhin intensiv, aber bei mir hat jeder Song ein Konzept in sich. Das muss jetzt nicht immer ein dramatisches Thema sein, sondern kann auch eine bestimmte Reimstruktur oder ein Flow-Wechsel sein. Einfach ein roter Faden. Ich wusste ja, wie »Aura« klingen soll und habe alle Begriffe auf Karteikarten ins Studio gehängt. Dann habe ich auch die Beats nach diesen Begriffen gepickt, die Augen geschlossen und den Beats so zugehört, dass sie mir selbst etwas erzählen können. Deswegen gibt es jetzt auch nicht diese typischen Knaller, sondern das ganze Album hat einen gewissen Vibe. Aber ich musste mich nicht zu den Themen zwingen.

Und technisch? Hattest du die Konzepte bereits im Kopf?
Definitiv. Aber das ist gar nicht so schwer. Ich schreibe eh so, dass ich weiß, dass ich an dem Song kaputtgehe. Wenn ich den Text und die Silben zähle, weiß ich beim Schreiben schon, dass ich nach dem Einrappen keine Luft mehr haben und heiser sein werde. Das ist schon sehr sportmäßig. Aber anders komme ich nicht an diesen Punkt. Ich muss da einfach zehn Stufen über allen anderen sein, das ist mein Anspruch. Wenn ich auf dem letzten Intro krass gerappt habe, muss ich jetzt noch astronomischer rappen. Manchmal geht es auch nur um das Konzept – aber in dem Moment, wo ich sage, dass ich auf einem Beat alles auseinandernehmen will, wie bei »O.N.U.R.«, dann ist genau das meine einzige Motivation. Dann müssen einfach 30 verschiedene Reimpatterns her, auch wenn das nicht jeder merkt. Man will sich auf der Ebene mit Jazz-Solisten oder krassen Gitarristen vergleichen. Sir Jai sagt dann immer, dass ich wieder im Hendrix-Modus bin. Genau so sehe ich das auch. Wieso will jeder Hendrix hören? Weil er der Krasseste an der Gitarre war. Er hatte jetzt nicht diese ultimativen Pop-Hits im traditionellen Sinne, sondern man kennt ihn, weil er der krasseste Gitarrist war. Er hat gezaubert. Genauso mit Miles Davis. Alle, die technisch so superkrank waren, dass man es irgendwann nicht mal mehr verstanden hat. Das feiere ich.

Du sagtest im Studio auch, dass du das Soloinstrument sein willst.
Genau. Aber was ich unter Rap verstehe, das unterscheidet sich maßgeblich von dem, was die meisten Leute als Rap wahrnehmen. Den wenigsten geht es ja um eine ­körperliche oder mentale Herausforderung. Die wollen einfach nur sagen: Das ist ein dicker Beat, das ist ein fetter Bass, das sind miese Bars. Und das war es dann. Manche bringen ja heute Sachen raus, die ganz ­offensichtlich nicht im Takt sind. Für mich ist ein ­Doubletime-Rap, der nicht im Takt ist, eine krasse Beleidigung an den Zuhörer. Wer so was macht, der spinnt. Ich kapiere das nicht. Das muss man doch hören. Spätestens wenn die auf ihrem iPod Jay-Z, Eminem oder Twista hören, muss denen doch klar sein, dass sie nicht vergleichbar damit rappen.

Kamen in letzter Zeit Songs raus, die dich auf technischer Ebene ­beeindruckt haben?
Auf jeden Fall. »6 Foot 7 Foot« war einer der krassesten Songs in letzter Zeit. Da kann man nichts sagen. Sei es die Technik oder die Punchlines – da stimmte alles, weil jeder Spruch eine krasse Punchline ist. Zuerst denkst du, Lil Wayne erzählt nur Blödsinn, aber wenn du dich etwas hineinversetzt, erkennst du dauernd neue Sachen. Die Lasagne-Line zum Beispiel ist verrückt. Sein Flow ist nicht krass, aber seine Einstellung, dieses Selbstbewusstsein und die Lines. Das ist schon sehr brutal. Auch die Kombi mit Corey – beide Flows sind abgedeckt. Aber es müssen auch nicht immer neue Sachen sein, es gibt ja auch genug alte Songs, die man entdecken kann, wo man sich fragt: Mein Gott, wie haben die das gemacht? Rap ist schon geil. (lacht) Ein guter Text muss so sein, dass du keinen Satz weglassen würdest. Eigentlich sogar kein Wort. Der Zuhörer muss merken, dass alles Sinn macht.

Ercandize meinte ja auch, dass du Rap studiert hast, inklusive Silben zählen und Flows analysieren.
Total. Ich sehe Rap-Verses wie Zahlen und Punkte, wie in der Matrix. Das ist keine Lüge. Ich wusste früher nicht, warum mir MC Eiht, Ice Cube oder Too $hort gefallen. Schon bei N.W.A. hab ich verstanden: Okay, die machen am Anfang einen kurzen Satz, dann eine Pause und dann einen langen Satz. So hat es angefangen. Seitdem sehe ich vor meinem inneren Auge immer den Takt: Bumm-tschack-bumm-bumm-tschack. Und dazwischen in Punkten und Zahlen die Wörter und Silben. Das ist Mathematik. Das Geile ist, wenn du das Visualisieren des Taktes und der Silben entdeckt hast, dann gibt es kaum etwas, was dich schocken kann. Da trennt sich die Spreu vom Weizen, weil du sofort merkst: Okay, der Typ ist richtig mies. Du hörst und siehst es ja gleichzeitig. Amar hab ich zum Beispiel nie gepeilt. Oft setzt er die Worte so, dass es für mich wirklich schwer nachzuvollziehen ist. Deswegen war es bei Jay-Zs alten Sachen auch so schwer, seinen Flow nachzumachen. Das ist bei ihm das Im-Kopf-Schreiben, einfach über das Ding rübergehen. Wenn wir im Studio sind, kommen oft Leute vorbei und sagen: Hier, der ist krass. Aber ich kann das so schnell analysieren, dass ich sie dann immer enttäuschen muss. Das ist nicht böse oder überheblich gemeint, wenn ich sage, dass mir irgendjemand nicht gefällt. Ich finde es zu einfach.

Weil du die Formel direkt vor dir siehst?
Genau. Worte, Swag und der Style spielen natürlich auch eine Rolle. Aber dann muss jemand schon eine Menge Style haben, um die Einfachheit seiner Mathematik wett zu machen. Drake hat zum Beispiel eine extrem simple, primitive Mathematik – er fängt oftmals nach dem Takt an und hört ein oder zwei Silben nach der Snare auf. Bei ihm sind es nicht die Lines, sondern seine Worte und die Art, wie er es sagt. Too $hort ist auch einfach nur ein Styler, genau wie Devin the Dude.

Wie ist die Mathematik von Nas?
Überkrass. Nas ist einer der Besten. Er setzt die Reime an Stellen, wo man sie nicht erwartet. Das liebe ich an Nas. Je besser du wirst, desto mehr machst du das. Das ist wirklich schwer. Leute wie Nas oder ­Pharoahe Monch – die kannst du fast nicht nachmachen, weil sie einfach im Beat drin sind. Die fliegen über den Beat und veranstalten Dinge ganz intuitiv aus dem Bauch heraus. Nas geht einfach über das ­Instrumental und macht vieles nach Gefühl. Ich schätze, dass er nicht einmal Formeln oder Mathematik beachtet. Nas ist ein Genie. Das Verrückte ist, dass er alles mit seiner Stimme macht. Er doppelt ja wenig. Und immer, wenn du denkst, dass du sein Pattern raus hast, ist er schon wieder ganz woanders.

Hast du Eminems Begabung bei ­»Infinite« auch sofort verstanden? Viele haben ja gefühlt, dass er unglaublich mit Worten umgeht. Aber hast du das sofort gesehen?
Eminem ist irre. Ich mochte ihn auf Anhieb. Viele sagen ja, dass ihnen die alten Sachen mehr gefallen, aber eigentlich geht er jetzt viel verrückter ab. Damals war er im Vergleich einfacher. Er hat meistens nach der Eins angefangen, die Stimme etwas verstellt und diesen kranken Flow rausgeballert. Das war schon ein sehr guter Flow, aber relativ einfach. Ich liebe bei ihm, dass er immer so viel gereimt hat. Jetzt mag ich, dass er sich ein kompliziertes Reimmuster ausdenkt und dieses Pattern auf einem Song erbarmungslos durchzieht. Immer wieder. So dass du dir irgendwann sagst, der muss doch bald mal aus dem Takt kommen oder es verkacken. Aber er zieht es durch, dann bricht er es für vier Bars durch ein anderes komplexes Mus­ter, findet dann aber wieder zu dem ersten zurück und macht einfach weiter, als sei nichts gewesen. Ein richtiges Monster.

Corey Gunz magst du offensichtlich auch sehr.
Corey wird gerade etwas simpler und ist ein wenig auf dem Doubletime-Ding hängengeblieben. Aber er hat sich gute MCs angehört und das Beste daraus für sich angewendet. Das Ding mit der Stimme hat er von Eminem, aber er macht es sehr gut. Ich liebe seine Kombis und die Reimketten, diese Endlosdinger wie bei Em – einfach durchziehen und den Zuhörer fertigmachen. Big Pun hatte auch diese ewig langen Ketten. Hin und wieder klang es bei ihm etwas sloppy, da ist er aus dem Takt gekommen, aber ich glaube, dass es an seinem Gewicht lag.

Gibt es auch deutsche Rapper, die dich von der Mathematik im Text ­beeindrucken?
Ich will jetzt nicht mit den Props übertreiben. F.R. berührt mich nicht extrem, ich kann mit seinem Style und Inhalt nicht allzu viel anfangen, aber er ist schon ein übertriebener Techniker. Ein richtiger Rap-Streber. (lacht) Kollegah ist sehr talentiert, was Vergleiche angeht. Aber sein Flow ist leider Gottes häufig off-beat und mir persönlich zu monoton. Olli Banjo hat extrem gute Patterns, Curse hat auch einen sehr guten Grundflow. Tua finde ich auch sehr gut. Von den jungen Rappern sticht er auf jeden Fall heraus. Das Gute ist aber, dass Technik und Mathe einfach nicht alles sind. Ich mag auch ganz einfache Sachen. Atillah von Automatikk finde ich richtig krass, den höre ich sehr oft. Ich weiß nicht genau warum, aber der hat diese rohe Energie. Ich kauf ihm einfach alles ab.

Hörst du dir französische Sachen an?
Gar nicht. Ich kann das nicht nachvollziehen. Mir gefällt Sefyu, aber das war es auch schon. Das meiste klingt mir zu gelangweilt. Vielleicht ist es genau das, was die Gangsta-Rapper so sehr daran mögen – dass der Rapper so unbeeindruckt klingt, diese ruhende Gewalt. Aber das ist nicht mein Ding.

Wie hast du diesmal die Beats ­ausgesucht? Du hast ja mit einigen ­neuen Produzenten gearbeitet.
Das war schwer. Der erste Track war »Aura«, an dem musste sich alles messen. Danach war ich halt auf dem »Gladiator«- und »Highlander«-Film. Das habe ich auch den Produzenten gesagt, dass sie mir diesen Style schicken sollen. Aber bei vielen haben mir einfach die Drums nicht gefallen. Viel zu krachig oder halt Bruno Mars. 20.000 Steigerungen, viel zu aufgesetzt. Halt simple Beat-CDs, einfach Hits drauf und schauen, was draus wird. Die wenigsten haben sich wirklich mit dem Thema auseinandergesetzt. Schade. Bei »Und dann kam Essah« habe ich das Sample gefunden und Mel geschickt. Sie hat es gleich verarbeitet. Sie versteht mich halt und da wusste ich, dass etwas Gutes rauskommt. Ich hab auch Beats von Smoove bekommen, den hab ich über das Automatikk-Feature kennen gelernt. In Bamberg hab ich ja den ersten Verse für »Nie mehr gehn« aufgenommen. Da habe ich gemerkt, dass es ganz gut passt. Wir haben einen ­ähnlichen Geschmack, haben früher ähnliche Musik gehört.

Auch weil er diese »normalen HipHop-Beats« macht, wie du sie nennst?
Genau. Ich finde auch, dass das überhaupt nichts Schlechtes ist. Einfach gute Beats. Nicht zu modern. Für mich ist das schon ein Unterschied. Es gibt HipHop und das, was gerade im Trend ist. Und das müsste man fairerweise einfach Pop nennen. Auch wenn das fies klingt, da es ja auch aus der Rap-Ecke kommt. Denn es orientiert sich an dem, was gerade angesagt ist, das bleibt ja nicht so. Natürlich verändert sich die Musik und bekommt neue Einflüsse, das geht mir ja genauso. Aber einen guten Rap-Beat würde man heute genauso wie vor zehn Jahren picken. Früher hat Mel immer gesagt, dass ich andauernd Beats picke und erst Jahre später drauf schreibe. Aber für mich ist das egal. Gute Beats sind für mich zeitlos.

Du hast ja auch zahlreiche Beats von US-Producern wie Ski Beatz, Havoc, Buckwild und Diamond D geordert, aber alles verworfen.
Ich bin Fan von all diesen Produzenten, aber da hat nichts ins Album gepasst. DJ Absolute war auch dabei, der eine Dude von den Jungle Brothers, auch Leute aus dem Dipset-Umfeld. Aber es klang nicht stimmig. Es ist auch nicht dem gerecht geworden, was ich erwartet habe. Das war jetzt kein Müll, das waren schon gute Beats. Aber ich habe kein Adrenalin gefühlt und dachte mir halt, bevor ich denen das Geld schicke, bezahle ich lieber deutsche Produzenten, mit denen ich down bin und weiß, dass sie sich reinhängen. Smoove hat sich hingesetzt und jede Woche 15 Beats für mich gemacht. Davon sind zwar nur fünf auf dem Album gelandet, aber der hat jetzt eine ganze Festplatte mit super Sachen und kann damit weiterarbeiten.

Sir Jai meinte, er lege viel Wert auf die technische Umsetzung und hätte gerne zwei Monate Zeit für den Mix. Bei dir hänge aber alles von der Stimmung ab, so dass man sich oft in die Quere kommt, weil er erst so spät anfangen kann.
Ich weiß, dass es für ihn schwer ist. Auf der anderen Seite muss ich aber auch sagen, dass ich nur so arbeiten kann. Ich picke die Beats ja aus einem bestimmten Grund. Und genau so soll der Beat dann auch ­klingen. Ich hasse eigentlich auch ­Produzenten, die noch zehn Jahre an der Scheiße arbeiten, Dinge verwerfen und hinzufügen. Dann hat es nämlich nichts mehr mit dem zu tun, was mich mal dazu ­bewogen hat, überhaupt darauf zu ­schreiben. Das ist so, als ob du eine Frau kennen lernst, die genau so ist, wie du es liebst und ab dem Tag, an dem ihr zusammenkommt, fängt sie an, sich total zu verstellen. Amber Rose-Frisur, ­Hippie-Klamotten, Tyson-­Tattoo im Gesicht. Sorry, aber das ist nicht die Frau, die ich getroffen habe. Das ist doch scheiße. (lacht)

Hast du in Gedanken mit »Aura« ­abgeschlossen und denkst schon an das Projekt mit Xavier Naidoo?
Mit dem Album habe ich abgeschlossen. Ich denke noch an die Videos, die Tour und die scheiß Promophase. Das Xavier-Ding läuft eh von selbst. Xavier ist so ein mieser Profi, dass ich mich da sehr fallen lassen kann. Weil er älter ist, gehe ich ganz anders mit ihm um. Das sind meine türkischen Wurzeln. Xavier Abi. Er ist auch einer der wenigen, von dem ich mich zum Essen einladen lasse. Ich lass mich kaum einladen. Jetzt bin ich mal der Kleine, lasse mir was beibringen und neue Dinge erzählen. Ich bin gespannt, wie die Leute darauf ­reagieren werden. Es ist auch schön zu sehen, welche Türen aufgehen. Xavier schnippt ja einmal mit dem Finger und alles um dich herum ändert sich, wie bei einem Zauberer. Ich habe ihm schon gesagt, dass es das Geilste ist, was mir passieren konnte, mit ihm abzuhängen und unterwegs zu sein. Ich interessiere die Leute dann nicht mehr, denn er ist der Star. Das ist so schön. (lacht) Das kann sicher auch ätzend sein. Wenn ich nie berühmt geworden wäre, wäre das sicherlich schwer. Das könnte dieses Backup-Rapper-Syndrom sein, von dem viele reden. Viele Backups werden ja depressiv, weil sie mit dieser Rolle nicht klarkommen. Aber jetzt gerade feiere ich das übertrieben.

Text: Ndilyo Nimindé
Fotos: Katja Kuhl

4 Kommentare

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein