KitschKrieg: »Man muss nicht alles unnötig verkomplizieren« // Interview

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Wer hätte das gedacht: Mitte 2016 ist Trettmann, fka der lustige Dancehall-Typ aus Ostdeutschland, einer der Wegweiser einer ganzen Sound-Generation. Was war passiert? Mit KitschKrieg hatte sich schon vor knapp zwei Jahren ein kreatives Kollektiv formiert, welches Tretti Anfang des Jahres sowohl visuell als auch soundtechnisch zur Reinkarnation als stilsicherer Autotune-Rudebwoy verhalf. Nach den zwei gleichnamigen EPs des Reggae-Sachsen teilte sich das Trio kürzlich Studiozeit mit Haiyti aka Robbery, um eine gemeinsame EP auf die Beine zu stellen, welche vor einigen Tagen Release feierte. Kurz vor Veröffentlichung besuchten uns Fizzle, Fiji Kris und Art Director °awhodat° zum Plausch über Langlebigkeit von Musik, Arbeit im Kollektiv und Genre-Bezeichnungen.

Bevor es um die Zusammenarbeit mit Haiyti geht, würde ich gerne nochmal über eure EPs mit Trettmann sprechen. Die Verbindung zu ihm besteht ja nicht erst seit gestern. Erzählt doch mal, wie ihr euch damals kennengelernt habt.
Fizzle: Trettmann kenne ich persönlich seit 2006. Damals bin ich eines morgens aufgestanden, hab Kaffee gekocht und bin ins Internet. Dort bin ich dann auf »Der Sommer ist für alle da« gestoßen, inklusive einer Biografie von Trettmann, die ihn als den »neuen deutschen Reggae-Star aus Obergräfenhain« bezeichnete. Als ich das hörte, dachte ich mir »wunderbar!«, habe mich erstmal totgelacht und ihn direkt kontaktiert. Für SoulForce ist dann so der erste Remix von »Was läuft hier falsch« und eben »Der Sommer ist für alle da« entstanden. Da haben wir uns kennengelernt. Seitdem sind wir uns regelmäßig über den Weg gelaufen und haben zusammengearbeitet. Da wir alle aus der Reggae-Szene kommen, ist die Verbindung immer schon da gewesen. Kris hat ihn dann glaube ich im Brain Club in Braunschweig kennengelernt, oder?
Fiji Kris: Genau. Ich hab die ganzen Sachen aus der Reggae-Szene natürlich auch mitbekommen.

Kommt ihr alle auch aus der Richtung?

Fiji Kris: Ja, wir alle. Soundsystem, Dancehall – all das. Deswegen ist es auch lustig, dass sich der Kreis jetzt wieder so ein bisschen schließt.

War es für euch schwierig, diesen Sprung von Reggae und Dancehall zu dem jetzigen, zeitgemäßen Sound zu meistern?
Fizzle: Es war eigentlich ganz natürlich und einfach, weil wir auch bei unseren Vorgänger-Projekten – sei es SoulForce oder Symbiz – nie mit einer Einstellung eines Genre-Nazis rangegangen sind. Die Devise war immer: über die Grenzen hinaus denken, hin- und her remixen oder Sachen verwursten. Es war überhaupt keine bewusste Entscheidung, jetzt Cloudrap oder Ähnliches zu machen, sondern es lag eher an den persönlichen Hörgewohnheiten.
Fiji Kris: Wir haben schon immer sehr viel nach England geschaut, weil dort der Mix aus karibischen Einflüssen und den Sachen aus den Staaten – was ja eigentlich eine total naheliegende Verbindung ist – nochmal präsenter war und ist. Unsere Beats haben schon immer alles mögliche zitiert.

Also seid ihr auch überhaupt keine Fans von Schubladendenken?
Fizzle: Das hasse ich. Furchtbar.

Wie lange gibt es euch denn schon in der jetzigen Konstellation?
°awhodat°: Fast auf den Tag genau zwei Jahre.
Fiji Kris: Echt? Krass!
Fizzle: Wow. Das ist interessant. (lacht)

 
Um mal auf Trettmann zurückzukommen: Man hat selten das Gefühl, dass Produzenten-Vocalist-Kollabos so gut funktionieren wie bei euch. Was ist das Geheimnis für die harmonische Zusammenarbeit?
Fiji Kris: Ich glaube, dass diese Wandlung von Trettmann vom lustigen Reggae/Dancehall-Typen zu dem, was er jetzt verkörpert, schon immer in ihm drinsteckte. Der hat diese ganze neue Musik gefeiert und immer wieder gesagt, dass er sowas auch mal machen will. Wir haben ihn vielleicht ein bisschen gezwungen, aber er wollte das auch selbst (grinst). Das Geheimnis liegt darin, dass wir ihm zugehört haben, um zu erkennen, was er will. Wir hatten sowieso Bock auf so einen Sound – auf Denyos »#Derbe« waren ja auch ein paar Songs, die in diese Richtung gingen. Wir haben dann geschaut, wo die Überschneidungen waren. Die Bausteine waren alle schon da, als Trettmann mit dem Entwurf zu »Skyline« kam. Wir haben praktisch einen Remix dazu gemacht und den Entwurf in ein neues Soundgewand gesteckt. Das war der Startschuss. Es dann auch Klick gemacht hat und alle haben gemerkt, dass da eine neue Formel entsteht, die total gut funktioniert.

Inzwischen ist es relativ leicht für Produzenten und Rapper, sich über das Internet zu connecten und Projekte auf die Beine zu stellen, ohne sich einmal gesehen zu haben und Studiozeit geteilt zu haben. Kommt so eine Herangehensweise für euch überhaupt infrage?
Fizzle: Ich würde nicht auschließen, dass man auch so zu guten Liedern kommt, aber grade bei Trettmann und Haiyti basiert das auf mehr. Tretti kenne ich wie gesagt schon zehn Jahre und bin mit ihm befreundet. Und Haiyti haben wir dann auch kennengelernt und viel Zeit mit ihr verbracht.

Alles ist fließend, wenn man immer das macht, was sich in dem Moment richtig anfühlt.

Wie war denn die ersten Begegnung mit ihr?
Fizzle: Lustig. (lacht) Wir haben sie beim splash! Mag-Videodreh zum »WKMSNSHG Remix« von Ron & Shusta zum ersten Mal getroffen. Davor haben wir alle schon ihr »City Tarif«-Mixtape die ganze Zeit gepumpt und gefeiert. Einen Tag nach dem Videodreh waren wir mit Tretti im Studio und dachten uns »Komm, lass mal Haiyti anrufen und fragen, ob sie noch in der Stadt ist und Lust hat vorbeizukommen«. Ne Stunde später war sie im Studio und dann ging das alles los.
Fiji Kris: »120 Jahre« ist dann direkt bei der ersten Session entstanden.
Fizzle: Genau. Wir haben ihr Beats gezeigt und sie hat 15 Minuten später angefangen zu schreiben. Weitere 20 Minuten später stand sie schon in der Booth und fing an, die Sachen einzurappen.

Was hat euch an Haiyti so fasziniert, dass ihr weiter mit ihr zusammenarbeiten wolltet?
Fizzle: Der erste Auslöser war, wie gesagt, »City Tarif«. Wir haben das alle abgefeiert bis zum Gehtnichtmehr, weil das einfach großartig ist, was sie und Asad (Asadjohn, Ann. d. Vf.) da auf die Beine gestellt haben. Unfassbares Mixtape. Das war der Startpunkt für die Begeisterung.
Fiji Kris: Ich finde es einfach total kreativ, echt und frei, was sie macht – eine Künstlerin im besten Sinne.
°awhodat°: Ohne Grenzen.
Fiji Kris: Bei »City Tarif« wurde eine Facette von ihr gezeigt, aber sie kann noch viel mehr.
Fizzle: Da ist noch viel verborgen.

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