Kool G Rap: Kings of HipHop // Features

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Kool-G-Rap

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wenn man in den Achtzigern geboren wurde, hat man sein ganzes ­Leben lang Kool G Rap gehört, selbst wenn man ihn eigentlich nie gehört hat. ­Ghostface Killah und Raekwon sind Kool G Rap, Nas und AZ sind Kool G Rap, 2Pac klang mal ähnlich, Biggie war Kool G Rap und Jay-Z irgendwie auch. Gangsta-Rap ist Kool G Rap, bis hin zu The Clipse und dem Tag, an dem Rick Ross schließlich Kool G Rap so übertrieb, dass man sich fragte, ob das wirklich noch Rap, wirklich »G« und vielleicht trotzdem noch kool war. Das Original veröffentlicht im Frühjahr sein neues Album »Riches, Royalty & Respect«, und mindestens zwei der drei Rs hat er sich in den vergangenen 22 Jahren redlich erarbeitet. Da sollte man schon wissen, mit wem man es zu tun hat.

De facto wusste ich selbst nicht viel mehr, als dass er zu den ganz großen Großvätern gehört, ähnlich wie Rakim, KRS-One und Big Daddy Kane. Diese Jungs, die die ältere Generation für heilig hält, die Tupacs und Biggies der Generation Pac Man. »Dann muss ich wohl noch mal nachsitzen, was die Achtziger angeht«, sagte ich zum Chef der ­JUICE Crew. »Genau genommen ist Kool G Rap vor allem Neunziger«, antwortete der. Tatsache. Das erste Kool G Rap-Album »Road To The Riches« erschien noch gerade eben 1989 – als er Rap revolutionierte, standen aber immer zwei Neunen in der Jahreszahl. Wie hatte ich all die Jahre an ihm vorbeihören können? Meine Neunziger begannen mit Baggys und »Menace II ­Society«, mit G-Funk und Wu-Tang, sie endeten mit Black Star und »The Real Slim Shady«.

Ansonsten sind Neunziger eben das, was DJ Premier und Pete Rock produziert haben. Aber nicht nur, dass die Neunziger auch eine erste Hälfte hatten, diese war wohl sogar noch wichtiger. Sie beherbergt das sagenumwobene Golden Age der Rapmusik, das Zeitalter von den späten Achtzigern bis zu den frühen Neunzigern, in dem Rap erwachsen wurde und Subgenres in die Welt setzte. Die Zeugung von Gangsta-Rap hätte New York dabei fast verpasst. Wäre da nicht Kool G Rap gewesen. Ohne ihn wären viele unserer Lieblings­alben nie recordet worden.

Seit 1986 hatten Kool G Rap & DJ Polo als Teil der legendären Juice Crew um Marley Marl Singles veröffentlicht. Dann kam ihr erstes Album. Und es begann autobiografisch: Der junge Abdul (Nathaniel nannte ihn seine Mutter, bis sie konvertierte) arbeitet hart, muss im Supermarkt für ein paar Groschen den Boden wischen. Die weiblichen Fische im Teich beißen zu selten, was nur an der dünnen Brieftasche liegen kann. Milliardär zu werden, würde ein paar Jahre harte Arbeit erfordern, stellt der 20-Jährige fest. Unter der Dusche fallen ihm erste Lyrics ein. Das Geld kommt aber anders: Fasziniert von Junkies, die für Crack-Rocks in kleinen Fläschchen Kleiderschrank und Hausrat versetzen, beginnt er, gekochtes Koks zu verkaufen: »Murders and homicides for bottles of suicide.« Er bricht Beine, würgt Hälse und lässt die Glock rauchen. Er kommt sich vor wie Al Pacino. Zum ersten Mal in seinem Leben leiht er seinem Vater Geld, nicht andersherum. In Strophe drei wird der Text komplizierter, vielleicht abstrakter, definitiv brutaler. Der Ich-Erzähler schießt einem dreadgelockten Konkurrenten ins Gesicht, ­Bomben werden gelegt und Kinder entführt. Er macht sich Gedanken: Auf der Straße bist du hart, aber im Knast? Er lebt wie John Gotti und steht auf Partys und Maseratis, all das passt in keine Zelle. Also macht er einen U-Turn und überlegt sich was Neues.

Kool G Rap: »‘Road To The Riches’ war eine Mischung aus Erfahrungen und Übertreibungen. Irgendwann konnte ich meinem Stiefvater und meiner Mutter wirklich Geld geben. Wenn ich davon spreche, die ganze Stadt mit Blut zu streichen, ist das natürlich Übertreibung. Ich war in Straßensachen involviert, ohne das jemals zu wollen. Ich rappte bereits mit zwei Kollegen unter dem Namen The Rapeteers, wir haben mit Hurby ‘Luv Bug’ Azor gearbeitet, der auch Salt’n’Pepa produziert hat. Ich war mit dem Bruder von Eric B. befreundet. Nachdem Eric B. & Rakim ihren Durchbruch hatten, stellte er mir DJ Polo vor. Der brachte mich wiederum zu Marley Marl, wo ich ‘It’s A Demo’ und ‘I’m Fly’ aufnahm – meine erste Single. Als ich die Gelegenheit bekam, mein Leben zu ändern, habe ich sie ergriffen und bin nie wieder zurück gegangen.«

Im Video zu »Road To The Riches« erzählt der Protagonist all das seinem Sohn, dem er erklärt, dass er zwar gerne Rapper, aber sicher kein ­Gangster werden dürfe. Die Moral von der Geschicht’: Mach so was nicht! Sonst landest du im Knast. Wie immer haben die kleinen Jungs dann doch genau das gemacht, wovor Papa gewarnt hat. Bis heute hat er hunderte Kinder, die wie er zwischen Gangster und Rap pendeln.

Hört man das New Yorker Dreigestirn aus Rakim, Big Daddy Kane und Kool G Rap im Vergleich zur damaligen Konkurrenz, wird klar, warum sie heute auf ein Podest gehoben werden. Rapmusik war global expandiert, hatte sich von den Jams emanzipiert, auf denen DJs Platten drehten, während Breaker über den Boden kugelten. Rap lief im Radio und im Musikfernsehen. Hätte die Qualität zu dieser Zeit nicht gereicht, wäre das kommerziell erfolgreiche Genre vor Freude geplatzt wie eine Silvesterrakete am Himmel. Müll wäre dann von ihr übrig geblieben, mehr nicht. Stattdessen reifte die Musik handwerklich. Die neue Generation verwandelte Sprechgesang zu Rap und hatte dabei sogar noch eine Aussage.

Um die Jahrzehntwende öffnete sich das unendliche Feld komplexer Reimstrukturen: Deine Wörter können sich in allen ihren Silben reimen! Ein Reim kann auf jeden der vier Schläge eines Taktes gepackt werden! Du kannst schreien, aber auch smooth rappen! Rapmusik war vielseitig geworden und immer neue Richtungen, Styles und Themen erschienen auf der Landkarte. Public Enemy zogen in den Krieg gegen das weiße Amerika. N.W.A. leiteten aus sozialer Ungleichheit das Recht zu Kriminalität und Gewalt ab und zeigten eine Welt, von der man bisher kaum mehr wusste, als dass sie existierte. Die Beastie Boys waren weiß! Und das war nicht mal das Spektakulärste an ihnen. Sie zogen auch noch die Skater mit in die HipHop-Welt. Die 2 Live Crew wurde in die Porno-Abteilung verbannt, der Fresh Prince war in den Charts und im Fernsehen. Selbst der »Rolling Stone« horchte auf und erklärte 1988 zum besten Jahr der Rap-Geschichte.

Kool G Rap: »Ich war beeinflusst von Rappern wie Grandmaster Caz, Kool Moe Dee, Melle Mel und Silver Fox. Mich beeindruckte, wie Caz das Publikum angesprochen hat. Kool Moe Dees hohe Geschwindigkeit. Wie Melle Mels auf ‘The Message’ über die Straße sprach. Silver Fox hat mich dazu gebracht, technisch einen Schritt weiter zu gehen. Er war komplexer, er hatte Doppelreime und diesen Offbeat-Flow. Ich kannte Big Daddy Kane, aber ich wusste nicht, dass es zu der Zeit auch noch einen Typen in Long Island und einen in der Bronx gab, die das Gleiche wie ich machten. Vier Individuen, die alle ungefähr gleichzeitig bekannt wurden und ihrer Zeit voraus waren. Dann wollte natürlich jeder noch mal besser als der andere sein. Ich denke, viele packen Rakim, mich und Big Daddy Kane in eine Kategorie, weil wir alle die gleiche Cleverness in den Lyrics und einen ähnlichen Flow hatten. Wir alle haben mit der gleichen Aggressivität lyrisches Talent bewiesen. KRS-One hatte auch seine Songs, er war lyrisch verrückt, aber jeder denkt bei KRS einfach nur an den Teacher. Gut, ich war ja auch der Gangster, Rakim der Gott und Kane der Player – das tut sich nicht viel. Von mir aus passen alle vier in eine Kategorie.«

Gehört Kool G Rap überhaupt in diese Kategorie? Er hatte nie die Verkaufszahlen, die Chartplatzierungen oder auch nur die gleiche Menge an Fans wie Big Daddy Kane, Rakim oder KRS-One. Er ist der Einzige in der Runde, der nie eine Höchstwertung von der »Source« bekam. Was unterschied die Vier? Rakims Reimtechnik war schon auf dem übernächsten Level, und thematisch ging es ihm vor allem darum, dass seine Reimtechnik schon auf dem übernächsten Level war. Kane hatte ebenso wie Rakim einen innovativ-smoothen Flow und wurde dann der Big Daddy für Amerikas Töchter. KRS-One, der oft deshalb ausgeschlossen wird, weil er nicht boogie down mit der Juice Crew war, hatte Gangster-Rap bereits erfunden und wieder aufgegeben und begann nach dem Mord an seinem BDP-Partner Scott La Rock stattdessen, Vernunft und Überzeugungen zu predigen.

Kool G Rap hatte noch nicht ganz so hart geschossen wie KRS auf »9mm Goes Bang«, aber er war unverdächtig, später mal auf Lehramt zu studieren. Stattdessen hatte er ignoranter Gewaltverherrlichung mit »Road To The Riches« eine Tür geöffnet. In seiner »Tellerwäscher wird Millionär«-Geschichte ließ er ein wenig Italienisch fallen, namentlich die Reimpärchen Al Pacino und Valentino, John Gotti und Maserati. Im Video präsentierte er sich als Drogenboss, der vor dem »Scarface«-Poster Geldkoffer tauscht. Hier begann die Entwicklung, die ihm seinen Platz in der heiligen Trias Rakim/Kane/G Rap einbrachte. Das, wofür ihm Eminem später bei den Grammys dankte. Das, wofür Big Pun ihm auf den Knien den Ring küsste.

Kool G Rap: »Geschichten waren immer meine Leidenschaft, schon meine ersten Raptexte, die ich mit 13 Jahren schrieb, waren Geschichten. Wäre ich kein Rapper, wäre ich Autor. Nicht Journalist, weil mich nie interessiert hat, was gerade in der Welt los war – ich würde Bücher oder Drehbücher schreiben. Als Rapper war ich immer beides: In ‘Streets Of New York’ war ich Reporter, genauso im ersten Teil von ‘Road To The Riches’, denn in meiner Lebensgeschichte hat sich die allgemeine soziale Situation gespiegelt. ‘Erase Racism’ war sogar von aktuellen Geschehnissen inspiriert. Songs wie ‘A Thug’s Love Story’ oder ‘On The Run’ sind dagegen aus der Hand eines Roman­autors. Sie leben von Fantasie. Gangster lieben gute Geschichten.«

Life In The Fast Lane

Als Kool G Raps Debütalbum im Laden ankam, war nicht nur »Straight Outta Compton« bereits veröffentlicht, im Regal wartete seit zwei Tagen eine Veröffentlichung aus Houston: »Grip It! On That Other Level« von den Geto Boys. Auch hier lebte ein »Trigga-Happy Nigga« das »Life In The Fast Lane«. Der Song »Scarface«, intoniert von einem Rapper namens Akshun, war sogar der erste, der den gleichnamigen Film samplete. Den Film, der mehr zur Persona des Gangsta-Rappers beitrug, als alle Gangstarap-Pioniere zusammen. Akshun änderte seinen Namen anschließend konsequenterweise direkt in Scarface. Wer ist hier der Don?

Kool G Rap: »Als ich 1986 ‘Road To The Riches’ schrieb, kannte ich N.W.A. noch gar nicht. Als die Geto Boys bekannt wurden, war ich schon etabliert. Ich war ein Fan von beiden Gruppen, ein Einfluss waren sie aber nicht. Genauso wenig, wie Scarface mich brauchte, um auf seinen Namen zu kommen. Auf der Straße haben sich echte Gangs­ter schon vor uns nach Tony Montana benannt. Jeder hat ein Stück aus diesem Film mit in sein Leben genommen. Mich haben ‘Der Pate’ und ‘Once Upon A Time In America’ fasziniert. Wenn du je einen Rapper findest, der vor mir über diese Dinge gerappt hat, ruf noch mal an! Wenn ich über die Straße rede, spreche ich über alle Aspekte: den jungen Schwarzen an der Ecke und John Gotti auf dem Cover des ‘Time Magazine’. In New York hatte man seine Jungs und es gab größere Cliquen wie die Decepticons, Bore Busters oder Low Lifes, aber Gangs wie die Bloods und Crips gab es nicht. Von der Mafia hat dagegen jeder etwas mitbekommen. Als Gotti die Gambino-Familie übernommen hat oder als sein Sohn überfahren wurde, war das in allen Nachrichten. Ich habe auch meine persönlichen Erfahrungen mit Leuten gemacht, die solche Verbindungen hatten.«

Kool G Rap bekam seine Krone, weil er New Yorker Straßen- und Gangsta-Rap entwickelte. Was Straßenrap angeht, konnte er genau wie Big Daddy Kane oder Rakim auf der Tradition von »The Message« aufbauen. Das Genre des Gangsta-Rap aber hatte Ice-T an der Westküste erschaffen, nachdem er Schoolly D aus Philadelphia gehört hatte, und N.W.A. hatten es mit Gangsta-Rap schließlich geschafft, New York das Scheinwerferlicht zu klauen. Sie hatten die Lyrics des härtesten Songs von »Criminal Minded« mit der Wut von Public Enemy gemischt und Compton galt fortan als gefährlichster Ort des Planeten. Nur durch Kool G Rap hatte New York ein eigenes Konzept entgegenzusetzen: Mafioso-Rap.

Sein zweites Album »Wanted Dead Or Alive« eröffnete er mit »Streets Of New York«. »The Message«-mäßige Sozialkritik, er benutzt seine freundlichere Stimme und führt durch seine Stadt. Er erzeugt Bilder, lässt Filme abfahren, ohne dabei an Technik oder Flow zu sparen. Ein ehrlich wirkender, gerader Kerl, mit dem Herz am rechten Fleck. Ein Rapper, der wirklich rappen kann, die Blaupause für Straßenrap der New Yorker Schule. Noch genauer lässt sich der Stil an seinen Stadtteil Queens pinnen und noch viel genauer an den Queensbridge-Wohnkomplex, in dem Marley Marl seine Jungs versammelte. Nas, AZ und Cormega standen später für solchen Straßenrap, der an Blockrealität orientiert war und Herz, Verstand und Eier auf eine Linie brachte. Der zweite Stil, den Kool G Rap mit dem zweiten Song desselben Albums geprägt hat, ist weit weniger auf Realismus festgelegt. Der Rapper weiß vielleicht, wovon er spricht, vor allem spinnt er aber eine spektakuläre Geschichte zusammen. Auf »Wanted Dead Or Alive« flieht der Protagonist über einen mit Leichen gepflasterten Weg, denn die Polizei sucht ihn wegen »armed robbery, homicide, third degree murder – plus shit you never heard of«. Genau wie bei Ice-T oder N.W.A. erzählt der Ich-Erzähler von Schießereien, Drogen und Nutten in der Hood. Aber Kool G Rap war eben der Typ mit den Geldkoffern vorm Scarface-Poster.

 

Der ebenfalls von Marley Marl produzierte Spoonie Gee nannte sich schon 1987 »The Godfather Of Rap«, ihm ging es dabei aber noch um seine Rolle als Urvater der Rapmusik. Sich als Rapper mit einem Mafiaboss zu vergleichen, ist die eine Sache. Das in den kommenden Jahren zu einer akustischen »Der Pate«-Saga auszubauen, aber noch mal etwas anderes. Im »Ill Street Blues« vom dritten Album »Live And Let Die« beginnt Kool G Rap, für die Mafia Schutzgeld einzutreiben. Die Geschwindigkeit seiner Reime ist inzwischen im Zungenbrecher-Bereich angekommen, seine Songs heißen »On The Run«, »Crime Pays«, »Train ­Robbery« und »Go For Your Guns«.

Gangsta-Rap, nicht über Bubbles in der Backe und Drive-bys, sondern über das ganz große Geld im organisierten Gesetzebrechen. Auch das schlug sich bei der nächsten Queensbridge-Generation nieder. Capone von CNN wählte schon den Namen entsprechend mafiös, auch die Crew von Nachbar Havoc trägt den Mobb im Namen. Lyrisch verließen die Crews gerne mal den Block, um sich an der Welt der Anzug tragenden Schwerkriminellen abzuarbeiten. Und Raekwon und Ghostface Killah würden später auf »Only Built 4 Cuban Linx« das mafiöse Storytelling perfektionieren.

Während Ice Cube für sein erstes Soloalbum nach New York ging und mit den Produzenten von Pub­lic Enemy arbeitete, ließ G Rap sein nächstes Album von Ice Cubes Jugendfreund Sir Jinx produzieren. Vor allem, »weil niemand die Skits so realistisch gemacht hat wie er. Bei ihm waren sie wie ein Film.« Die Kunst guter Skits rückte nach den Neunzigern in den Hintergrund, im goldenen Zeitalter wurde sie geschaffen. Auf »Live And Let Die« werden auch die Songs von Schüssen und Sprachfetzen unterbrochen.

Rap war dabei nicht der einzige New Yorker, der nach Kalifornien reiste. An einem der Tage, an denen er dort seine Texte schrieb, hatte Sir Jinx auch Tupac zu Gast. Wenn man »Live And Let Die« und »Strictly 4 My N.I.G.G.A.Z.« vergleicht, hört man, dass sie sich auch musikalisch nahe kamen. »Ich weiß nicht, wie sehr ich ihn beeinflusst habe. Er war aber wohl schon ein Fan von meinen Sachen. In dem Film ‘Tupac: Resurrection’ nennt er mich neben Marvin Gaye als Einfluss.« Während Jinx seine Beats vorspielte, waren mit Drinks bewaffnete Kollegen ins Studio geplatzt und hatten verkündet, dass ganz L.A. in Flammen stehe.

Im Rodney-King-Prozess waren die angeklagten Polizisten freigesprochen worden, aus Protest nahmen Tausende nun die Stadt auseinander. Das wollten die Musiker nicht verpassen, wie Sir Jinx mal erzählte: »Während wir die Wilshire runterfuhren, schoss er [2Pac] aus dem Schiebedach, so dass die Hülsen in meinem Wagen landeten. Wir sahen einen Typen in Security-Uniform an einer Bushaltestelle. Pac zielte auf ihn und lachte. […] Wir fuhren auf die Crenshaw, wo jeder quer parkte, als würde die Welt untergehen. Wir gingen bei Tempo Records rein und 2Pac gab Autogramme auf seine CDs, obwohl es draußen brannte.«

Kool G Rap: »Wenn jemand ein Stück meiner Musik nimmt und etwas Eigenes daraus macht, inspiriert mich das auch.«

DJ Polo kommt in solchen Kriegsgeschichten selten vor. Nach »Live And Let Die« machte G Rap dann auch alleine weiter, »weil zwei Männer nicht dauerhaft vom gleichen Teller essen können.« Nach sieben Jahren und drei Alben hatte er das Gefühl, Polo zurückgezahlt zu haben, dass dieser ihn zu Marley Marl gebracht hatte. Das erste Soloalbum »4, 5, 6« erschien 1995 und wurde mit Platz 24 in den Charts sein erfolgreichstes Album. Auf »Fast Life« fand sich ein weiterer angehender Star, für dessen Entwicklung Kool G Rap bedeutend war.

Produzent Large Professor hatte den jungen Nasir Jones zu G Rap gebracht, der ihm helfen wollte, ein Label zu finden. Bei Def Jam wurde man von Russell Simmons mit der Begründung abgewiesen, Nas klinge zu sehr nach Kool G Rap. Dafür konnte man MC Serch von 3rd Bass überzeugen, der Nas bei Columbia unterbrachte und Executive Producer des Meilensteins »Illmatic« wurde. Auf dem gemeinsamen Track klingt Kool G Rap lustigerweise so sehr wie AZ auf »Life’s A Bitch«, dass man kaum noch bestimmen kann, welche Generation hier welche bewundert.

Kool G Rap: »Wenn jemand ein Stück meiner Musik nimmt und etwas Eigenes daraus macht, inspiriert mich das auch. Nas hat ähnliche Themen, wir haben beide ein Talent für Geschichten und können beide mit unseren Texten töten. Wer sich so ähnlich ist, beeinflusst sich gegenseitig. Wenn du aufhörst, ein Fan zu sein und dich beeinflussen zu lassen, beginnt deine Musik zu veralten.«

Im »Norfside Remix« zuzuhören, wie sich die beiden am Mic abwechseln, ist genial, man kann aber durchaus auch kotzen, wenn in der Mitte der Originalversion plötzlich kitschig gesungen wird. An solchen Stellen zeigt sich, wieso Mafioso-Gangsta-Rap vielen im Laufe der Neunziger zu eklig wurde. Die Acts und Crews mit italienischen Namen schossen wie Pilze aus dem Boden, man trug Anzug und fantasierte vom Capo di tutti Capi und Prosciutto di Parma, ohne zu wissen, was davon man essen kann. Der Erfinder des Genres ging derweil nach Arizona. Gerüchte besagten, dass er wegen eines Streits mit Eric B. aus New York geflohen wäre und sich ins Zeugenschutzprogramm begeben habe. Er selbst sagt, mit Eric B. sei er bis heute cool, allerdings spielten gemeinsame Bekannte, die man teilweise auf der Rückseite des Rakim-Albums »Paid In Full« sehen könne, eine Rolle. Der prominenteste von ihnen ist wohl Kelvin Martin, »der echte 50 Cent«, befreundet mit Eric B., stets mit zwei Trommelrevolvern bewaffnet, angeblich verantwortlich für den Tod von 30 Menschen und bekannt dafür, selbst Dealer und Celebritys auszurauben.

Kool G Rap: »Ich denke, viele zählen mich auch zu den ersten Gangsta-Rappern, weil das mein Umfeld war. Mehrere dieser Jungs wurden dann aber getötet. Das war zu nah an mir dran, als dass ich mich noch wohl fühlen konnte. Ich musste etwas ändern. Nicht, weil ich gezwungen worden wäre, sondern weil die Situation mich ankotzte. Ich habe Musik gemacht, um etwas für mich zu verbessern. Manche meinen, um real zu sein, müsste man seinen Benz in der Hood parken. Wenn ihnen dann etwas passiert, fühlen sie sich verraten. Aber du hast dich zu einem Rudel Wölfe gelegt und das ist die Natur des Wolfes, Nigga! Ich verließ New York, weil ich für meine Zukunft andere Vorstellungen hatte.«

Dass er die Nähe zwischen Gangsta-Rapper und Gangstern beendete, mag ein Grund sein, dass Kool G Rap noch lebt, während 2Pac tot ist. Musikalisch war davon aber nichts zu spüren. Auch nach dem Tod von Biggie und Pac lieh er sich Tony Montanas Armschlinge und das Logo vom Paten für das Cover von »Roots Of Evil«. Auch wenn er natürlich nicht von sizilianischen Schafherden erzählte, sondern reale Erfahrungen aus New York als Basis seiner Drehbücher nahm, ging es ums ganz große Kino, nicht um das Tagebuch eines Rappers.

Kool G Rap: »Von Oliver Stone verlangt auch niemand, ein Gangster zu sein. Ein Künstler zu sein ist etwas anderes, als die Öffentlichkeit überzeugen zu wollen, dass man wirklich so lebt. Ich habe das nie behauptet. Rapper verlieren ihr Leben, töten jemanden oder landen im Gefängnis, weil sie ihrem Image entsprechen wollen. Dass 2Pac, Biggie, Stack Bundles und Big L ihr Leben verloren haben, ist nicht lustig. Ein Rapper muss so charakterstark sein, sich von diesem Druck unabhängig zu machen. Die Öffentlichkeit wird deinen Kindern keine Cornflakes kaufen, wenn du im Knast sitzt, weil du ihre verdammten Erwartungen erfüllen wolltest.«

Die »großen Drei« waren dazu verdammt, auf lange Sicht nicht mehr als der bedeutendste Einfluss für eine Generation von Millionären zu sein. Die späten Neunziger waren eine gute Zeit für Player, aber während Puff Daddy und Mase im Kreis tanzten, hatte Kane bereits seinen Status verloren, weil er ein paar Jahre zu früh begonnen hatte, mit den Mädchen zu spielen. Rakim hatte gerade ein gefeiertes Comeback nach fünfjähriger Pause abgeliefert, die Sentimentalität alter Fans war aber zu wenig für eine kommerzielle Zukunft. Nachdem ein Vertrag bei Rawkus jahrelang keine Früchte trug, fuhr Kool G Rap 2002 für »The Giancana Story« große Geschütze auf.

Mit dabei waren seine geistigen Kinder aus Queens, Capone-N-Noreaga, Nas, AZ und Mobb Deep. Er klang weder zu oldschool, noch war er weniger hardcore als zuvor, im Gegenteil. Er hatte seine Lyrics weiter verdichtet, testete in Hochgeschwindigkeit aus, ob es überhaupt nötig war, Wörter ohne Reim zu benutzen. Damit wurde er endgültig der präferierte Gangsta-Rapper der Real-HipHop-Fraktion. Mehr dann aber auch wieder nicht, weil sich Gangsta-Rap über Atmosphäre verkauft. Ice Cube erklärt den Erfolg von N.W.A. damit, dass sie damals wie eine Gang auftraten und in Einheitskleidung bedrohlicher wirkten als die Kollegen aus New York. Der in die Wüste geflohene Veteran faszinierte Kids weniger als Newcomer 50 Cent, der darüber rappte, Prominente auszurauben. Kool G Rap machte Popcorn-Kino für Rap-Fanatiker, war kein Posterboy für Teenager. Der Versuch, mit der 5 Family Click eine Crew um sich zu etablieren, strandete in der Belanglosigkeit. Das nächste Comeback im Jahr 2008, »Half A Klip«, hätte es mit seinen 690 Erstwochenverkäufen höchstens in die deutschen Charts geschafft.

Ironischerweise war der Gangstarap-Godfather, dessen ganz großer Erfolg daran scheiterte, dass er seine Musik auf Technik und Fiktion aufbaute statt auf seinem Privatleben, dann doch noch Teil eines Bestsellers. Karrine »Superhead« Steffans schrieb ein Buch über ihr Leben als Musikvideosternchen. Neben angeblichen Affären mit Jay-Z, Method Man, Dr. Dre, Ja Rule, Irv Gotti, Ice-T, DMX, Xzibit, P. Diddy, Usher, Shaq und Vin Diesel geht es auch um ihren Ex-Mann: Kool G Rap. Die beiden heirateten, als sie 17 Jahre alt war und haben einen gemeinsamen Sohn. In ihrem Buch beschreibt sie ihn als abstoßendes Schwein, dass sie schlug und dreimal am Tag etwas gekocht haben wollte.

Kool G Rap: »Ich war nicht glücklich damit, vieles in dem Buch war übertrieben. Sie wollte mich als Monster darstellen, als das Böse in ihrem Leben. Aber die Wahrheit setzt sich immer durch. Zuletzt war sie mit Eddy Winslow aus ‘Alle unter einem Dach’ verheiratet. Der ist völlig unverdächtig, ein brutaler Schläger zu sein, aber ihm hat sie dasselbe vorgeworfen.«

Ob der »Kings Of HipHop«-Royalität und all dem Respekt mit dem neuen Album auch weitere Reichtümer folgen, bleibt offen. Der Pate, der von sich selbst manchmal in der dritten Person spricht, wird sich zumindest treu bleiben. Wobei er die Tür zu seinem Privatleben diesmal »einen Spalt breit öffnen« möchte, weil er sich bereit fühlt, das Leid in seinem Leben zu teilen. Alchemist und Havoc werden dabei sein, Songkonzepte und lyrisches Massaker wird es natürlich auch geben. Und er hat nach wie vor einen Traum: die Zeit zu finden, ein Drehbuch für einen Film zu schreiben.

Kool G Rap: »Ich habe gemischte Gefühle, was meine Karriere angeht. Mit dem kommerziellen Erfolg bin ich nicht vollends zufrieden. Aber ich bin stolz, einer der angesehensten Lyricists aller Zeiten zu sein. Die größten Rapper nennen mich als wesentlichen Einfluss. Ich glaube, man muss selbst ein MC sein, um das, was ich mache, wirklich wertzuschätzen. Ich war mehr Lyricist als Entertainer. Vieles, was ich gemacht habe, geht über den Horizont der Masse hinaus. Ich bin eben der Lieblingsrapper deines Lieblingsrappers.«

Text: Tobias »Toxik« Kargoll

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