Kings of HipHop: Beastie Boys – Teil 2 // Feature

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Teil 1 der Story gibt’s hier.

Die drei coolen Säue aus New York waren nicht nur die erste weiße HipHop-Crew und einer der erfolgreichsten Acts der späten achtziger und neunziger Jahre. Die Beastie Boys waren auch auf geschäftlichem Terrain so etwas wie Vorreiter: Neben der Musikkarriere nutzten sie ihre Mittel und ihren Einfluss, um sich von der eigenen Actionfigur über die eigene Plattenfirma bis hin zum eigenen Magazin sämtliche Träume des durchschnittlichen Hipster-Jugendlichen zu erfüllen. Gleichzeitig waren sie mit dieser Herangehensweise wegweisend für zahlreiche Independent-Unternehmer nach ihnen, die ihr Geschäftsmodell zu kopieren suchten – man nehme nur die heutige Style-Ikone Pharrell Williams, der seit Jahren eng mit Chefdesigner Nigo von A Bathing Ape kooperiert, wie es die Beastie Boys bereits viele Jahre vor ihm getan haben.

Wir schreiben das Jahr 1991. Die Beastie Boys stecken gerade in den letzten Zügen der Produktion von »Check Your Head«. In Los Angeles eröffnet der erste X-Large Clothing Store. Mike D ist von Anfang an Teilhaber von X-Large, so dass die Nachricht von einem »eigenen« Geschäft der Beastie Boys sogar über die »MTV News« verbreitet wird. Der einfache Klamottenladen in der Vermont Street wird quasi über Nacht zu einer wichtigen Anlaufstelle für Hipster jeder Couleur. Über Jahre hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die Firma X-Large Clothing den Beastie Boys »gehören« würde, und bis heute ist vielen nicht klar, wie die Verbindung zwischen der Band und der Bekleidungsfirma tatsächlich strukturiert ist.

Zunächst einmal ist zu sagen, dass nur Mike D geschäftlich an X-Large Clothing beteiligt ist. Seine Rolle ist jedoch von Anfang an weniger die eines Geldgebers und vielmehr die eines kreativen Ideenlieferanten. Die Beastie Boys entwickeln in dieser Zeit auch das Konzept zu ihrer eigenen Plattenfirma Grand Royal – hinter beiden Ideen steckt das Prinzip, die Beastie Boys nicht nur als Band, sondern als glaubwürdige Lifestyle-Marke zu etablieren. Zu Anfang gibt es im X-Large-Store neben wenigen Eigenprodukten vor allem klassische Adidas- und Puma-Sneaker sowie rare Vintage-Klamotten zu erstehen. Da es jedoch einfacher ist, neue T-Shirts produzieren zu lassen als alte Kultgear aufzustellen, verschiebt sich der Schwerpunkt des Ladens bald.

Die Beastie Boys tragen das X-Large-Logo zu jeder Gelegenheit öffentlich spazieren, selbst in Videos wie »Pass The Mic« ist es zu sehen. Spätestens nach der langen Tour zu »Check Your Head« ist X-Large in den Köpfen der Jugend als angesagte Marke verankert. Im Dezember 1992 eröffnet bezeichnenderweise in Tokio der zweite X-Large-Store, 1993 folgt eine Dependance in New York. Plötzlich poppen auf der ganzen Welt Vertragshändler aus dem Boden, von denen viele genau so schnell wieder schließen müssen. Ab 1996 kann man die X-Large-Kleidung über eine Hotline bestellen und mit Kreditkarte bezahlen. Die Mailorder-Kataloge werden in jener Zeit, in der sich das Internet noch nicht endgültig durchgesetzt hat, zu einem wichtigen Kommunikationstool – leider sind nur selten genau die Stücke zu bekommen, die auch im Katalog gelistet sind. Ab 1997 setzt X-Large auf das Internet, gedruckte Kataloge werden eingestellt. Bis heute ist die Marke eine der verbreitetsten urbanen Skate- und Urban-Style-Marken Amerikas, und Mike D ist nach wie vor Investor bei der Firma, die sich vor allem einen Namen für langlebige Qualität bei ­erschwinglichen Preisen gemacht hat.

Nicht alle geschäftlichen Unternehmungen der ­Beastie Boys waren von solchem Erfolg gekrönt, ihr Einfluss jedoch lässt sich nicht kleinreden. Wie jeder Künstler mit Sinn für Unabhängigkeit seit den ­Tagen der Beatles wollen auch die Beastie Boys nach den negativen Erfahrungen mit Def Jam am liebsten eine eigene Plattenfirma besitzen, um volle kreative Kontrolle zu gewinnen. Genau wie X-Large Clothing wird Grand Royal als Idee im Jahr 1991 während der Aufnahmen zu »Check Your Head« geboren. In mehreren Interviews erklären die drei Bandmitglieder, dass sie sich jedes Demo persönlich anhören werden, das im Postfach des Labels landet. Auf »Check Your Head« prangt schließlich zum ersten Mal das Grand Royal-Logo, obwohl es wie schon der Vorgänger »Paul’s Boutique« ganz regulär über Capitol/EMI veröffentlicht und vertrieben wird.

Grand & Royal

Das erste eigene Release des Labels ist das Album »In Search of Manny« von Luscious Jackson, der neuen Band von BB-Gründungsmitglied Kate Schellenbach, die schon vor dem Debütalbum »Licensed To Ill« ausgestiegen war. Luscious Jackson sind das erste Signing auf Grand Royal Records, das nächste wird Adrocks Seitenprojekt DFL. Binnen weniger Jahre erreicht Grand Royal Kultstatus und wird von enthusiastischen Fans in einem Atemzug mit Blue Note, Stax und Def Jam genannt. Viele Beastie Boys-Fans kaufen blind jedes Album, das auf Grand Royal erscheint, weil sie das Gefühl haben, Mike D persönlich empfehle ihnen die Platten von Bis, Atari Teenage Riot, Ben Lee, Sean Lennon oder Buffalo Daughter. Jeder Veröffentlichung heftet das Gütesiegel absoluter Geschmackssicherheit an.

Doch die Idee hinter Grand Royal ist nicht auf die Gründung einer Plattenfirma beschränkt: Mit dem eigenen Printmagazin gleichen Namens verschaffen sich die Beastie Boys direkt auch noch einen eigenen Promotionkanal. Dabei ist die ursprüngliche Intention hinter dem Magazin lediglich eine Art News­letter-Funktion: Die Beastie Boys haben im Booklet von »Check Your Head« eine Kontakt­adresse angegeben, an die ihnen nun tausende Fans schreiben. Da sie nicht jedem individuell antworten können, kommt ihnen die Idee eines Magazins als Kommunikationskanal zu ihren Fans. An der heute extrem gesuchten ersten Ausgabe, die Anfang 1993 erscheint, arbeiten alle drei Bandmitglieder aktiv mit. Von der ersten Ausgabe werden gerade mal 7.500 Kopien gedruckt, die sich innerhalb weniger Wochen komplett verkaufen. Von der zweiten Ausgabe lässt man aufgrund der hohen Nachfrage direkt 50.000 Hefte drucken.

Das große Problem am redaktionellen Arbeitsprozess ist der Umstand, dass grundsätzlich niemals die Deadlines eingehalten werden. Die zweite Ausgabe wird fast ein Jahr lang immer wieder verschoben, gleichzeitig wechseln die Redakteure wie am Fließband. Werbekunden werden ungeduldig und springen ab, auch kann das Magazin keinen verlässlichen Abonnentenstamm aufbauen. Am Ende ist es trotzdem nicht das mangelnde Interesse der Leser, das 1997 zur Einstellung des Magazins führt. Vielmehr haben MCA und Adrock sich immer mehr aus dem Heft zurückgezogen, und Adrock hat sogar einen Disclaimer ins Impressum der sechsten Ausgabe aufnehmen lassen, in dem es heißt, er habe seit der zweiten Ausgabe nichts mehr mit dem Magazin zu tun und wäre daher auch nicht mit jedem Wort in diesem »verdammten Ding« einverstanden. Leider bringt es das inhaltlich wegweisende »Grand Royal«-Magazin nur auf insgesamt sechs Ausgaben zwischen 1993 und 1997.
Ab 1997 wird Grand Royal ausschließlich als Website des Plattenlabels fortgeführt. Anfangs werden hier noch im Wochentakt neue Features, Interviews und Reviews eingepflegt, doch langsam aber sicher schläft der Nachschub an frischem Content ein. Die Seite wird immer seltener geupdatet, zum Release von »Hello Nasty«, verweist die Labelwebsite nur noch auf die offizielle Bandwebsite beastieboys.com. In den folgenden Jahren wird die Website immer stiefmütterlicher behandelt.

Im Jahr 2001, gleich zu Beginn der großen Musikindustriekrise, muss Grand Royal seine Pforten schließen. Wachsende Kosten und immer schlechtere Rahmenbedingungen führen laut Mike D zu der Entscheidung, nach dem Magazin auch das Label dichtzumachen. Trotz einzelner kommerzieller Erfolge von Luscious Jackson oder At The Drive-In ist die Mehrzahl der Künstler auf Grand Royal nicht erfolgreich genug, um die Infrastruktur einer ganzen Plattenfirma zu tragen. 2001 werden die Überreste von Grand Royal auf einer Internet-Auktionsplattform versteigert und die Web-Präsenz endgültig geschlossen.

Der Prototyp des selbstbestimmten, idealistischen Popstars

Doch die Beastie Boys waren neben ihrer musikalischen Laufbahn nicht nur mit X-Large Clothing und Grand Royal beschäftigt: Adrock und Mike D spielten in verschiedenen Filmen mit, während MCA sich sogar selbst als Filmemacher betätigte. Der japanische Designer Nigo entwarf ultralimitierte Beastie Boys-Actionfiguren, und Mike D hat einen Gastauftritt auf Jay-Zs »Fade To Black«-DVD. Ihre wohltätigen Aktionen von der »Tibetan Freedom Concert«-Reihe bis zum »New Yorkers Against Violence«-Konzert haben das frühe Image der saufenden College-Krawallbrüder längst in Vergessenheit geraten lassen.

Was wir Kinder der Neunziger an MCA, Adrock und Mike D immer bewundert haben, ist der Umstand, dass sie all ihre Unternehmungen niemals aus geldgeilem Profitdenken, sondern aus purer und unverstellter Leidenschaft heraus gestartet haben. Ob es darum ging, der Welt ihren Musikgeschmack näher zu bringen oder sich für die Rechte der unterdrückten Tibeter einzusetzen – die Beastie Boys sind der Prototyp des selbstbestimmten, idealistischen Popstars. Und trotzdem sind sie damit noch erfolgreicher als jeder rappende BWL-Absolvent mit Marketing- und Businessplan, der seine Zielgruppen genauestens analysiert hat. Wenn ihnen nach einem Instrumentalalbum ist, dann nehmen sie eben eines auf. Und wenn man einen Film über Basketball oder ein Magazin mit Essays über die VoKuHiLa-Frisur (»Mullet«) herausgeben möchte, dann macht man genau das und nichts anderes. Innovation und Kreativität sind die Grundfeste, auf denen die HipHop-Kultur erschaffen wurde. Dies sind auch die Werte der Beastie Boys. Und darum lieben wir sie.

Text: Stephan Szillus

Dank für Infos an www.beastiemania.com

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