»Heute ­skippen die Kids einfach durch und ­sortieren viel schneller aus. Das finde ich sehr schade. ­Deswegen: Nehmt euch die Zeit!« // Kidz In The Hall im Interview

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kidz in the hall

Die letzten beiden Jahre hätten für Naledge und Double-O, besser bekannt als Kidz In The Hall, nicht viel besser laufen können. Eine XXL-»Freshmen«-Titelstory, ein Reebok-Endorsement und eine Welttournee ließen das Leben der Youngster schnell zu einer einzigen bunten Party mutieren. Doch ­spätestens als die beiden im Juli 2008 vor einem Nachtclub in Tempe mit dem Gesetz in Konflikt gerieten, war es erst einmal vorbei mit dem unbeschwerten Hipster-Habitus. Vielleicht ist »Land Of Make Believe«, das dritte Album von Naledge und Double-O, deshalb zu einer introvertierten Platte gereift, auf der man sich nachdenklicher als noch zu »The In Crowd«-Zeiten gibt. Ein bekiffter Naledge und ein gut gelaunter Double-O standen dem JUICE-Autoren Jan Wehn Rede und Antwort zu Themen wie Erwartungen, Erfahrungen und Erwachsenwerden.

Eigentlich sollte »Land Of Make Believe« ja schon im Oktober erscheinen.
Double-O: Ja. Aber Duck Down hatten im vierten Quartal zu viel um die Ohren: Skyzoo, KRS-One & Buckshot und Sean Price. Daher haben wir gemeinsam entschieden, das Album im Frühjahr herauszubringen, um den Fokus darauf zu lenken.

Ist es nicht sehr frustrierend, wenn ein ­Album fertig ist, aber wegen Labelpolitics nicht ­veröffentlicht werden kann?
Naledge: Na klar. Du sitzt im Studio, machst deine Musik und sitzt dann herum, ohne das etwas passiert. Du hast einen gewissen Internet-Hype – und du sitzt da und kannst einfach nichts machen.
Double-O: Wir haben Ende 2008 mit der Arbeit an dem Album begonnen und im letzten Sommer war es eigentlich fertig. Dann wollten wir die Musik natürlich mit den Leuten teilen. Irgendwann kannst du die Songs selbst nicht mehr hören. Aber neben diesem Frustgefühl habe ich auch erfahren, dass es ein schönes Gefühl ist, wenn die Fans immer wieder nach deiner Musik fragen und ein echtes Interesse daran zeigen, dass du wieder etwas rausbringst.

Seid ihr mit Duck Down noch zufrieden?
Double-O: Im Moment sind wir noch bei Duck Down – keine Frage. Aber es ist definitiv so, dass ein paar Majors bei uns angefragt haben, als sie gesehen haben, wie wir praktisch aus dem Nichts auf einmal dort waren, wo wir jetzt sind. Duck Down hat uns immer unterstützt, und jetzt sind wir bei TRL, BET oder 106 & Park! Das ist ein toller Erfolg für Duck Down und Indie-Rap im Allgemeinen – aber wir können das nicht halten, weil einfach das Geld fürs Marketing fehlt. Egal, ich will nicht großartig drüber nachdenken, bevor etwas entschieden ist. Jetzt wollen wir uns erstmal auf das Release konzentrieren und den Labelkram später regeln.

Die Single “Flickin’” hat für Aufregung gesorgt.
Double-O: Klar. Es gibt Fans, die immer noch diesen Rawkus-Sound von uns erwarten. Auf der anderen Seite gibt es aber auch eine Menge Leute, die uns mit »Drivin’ Down The Block« in Verbindung bringen und nur diesen Sound hören wollen. Wieder andere feiern dann eher so Sachen wie »Love Hang­over« mit Estelle. Gerade für die Fans der alten Sachen ist »Flickin« sicherlich zu mainstream. Ich kann dazu nur sagen, dass wir uns in eine bestimmte Richtung weiterentwickelt haben. Wir finden den Song auch gar nicht so kommerziell, der klingt doch total nach Westside-Chicago-Rap! Er ist sehr bass­lastig, hat Dubstep-Elemente und diese Doubletime-Passagen klingen nach Twista oder Do Or Die. Vielleicht brauchen manche aber auch nur etwas länger, um den Song zu begreifen. Mir geht es als Fan manchmal auch so.

Ist der Sound auf »Land Of Make Believe« also nicht als grundsätzliche Abkehr vom Sound auf »School Was My Hustle« oder »The In Crowd« zu verstehen?
Double-O: Für mich ist »Land Of Make Believe« eine Fusion aus allen unseren bisherigen Werken.
Naledge: Mit dem Unterschied, dass wir auf dem Album ohne Samples gearbeitet haben. Ich verstehe gar nicht, dass manche Leute sich jetzt darüber aufregen. Unsere wichtigsten Songs waren schon immer selbst eingespielt, während wir auf den Mixtapes auch mit Samples gearbeitet haben.

Ihr habt ja auch »Breaking It Up« von Lykke Li nachgespielt. War das Kalkül?
Double-O: (lacht) Glaub mir, ich habe bei der ­Produktion in keiner Weise an Lykke Li gedacht. Als ich es dann ein paarmal gehört hatte, kam es mir auf einmal verdammt bekannt vor – aber richtig sicher war ich mir auch nicht. Also schickte ich den kompletten Song an Bjorn [von der schwedischen Indie-Popband Peter, Bjorn and John, Anm. d. Verf.] und er mochte den Song sehr, also gab er mir grünes Licht. Es sind halt sehr eingängige Popakkorde, und damit muss man rechnen, wenn man Melodien selbst einspielt.

Die Aufregung um den Song erinnerte mich ein bisschen an euren Werbedeal mit Reebok.
Double-O: Ganz ehrlich? Ich habe lange darüber nachgedacht und die Reaktionen einfach nicht verstanden. Ich wollte den Song damals auch gar nicht »I Got It Made 09« nennen. Für mich war unsere Version einfach viel zu weit von Special Eds Original entfernt. Wir wollten es »Hollywood Life« nennen, aber Reebok wollte eben ein 2009er Remake ­daraus machen und hat diese Kampagne von vornherein so aufgezogen. Dabei haben wir uns nur vom Original inspirieren lassen. Aus promotechnischer Sicht war es natürlich gut. Wir hatten kein Budget mehr für eine dritte Single und sind auf diese Weise trotzdem noch im Gespräch geblieben.

Inhaltlich ist das neue Album persönlicher ­geworden als der Vorgänger.
Double-O: Auf jeden Fall. Ich bin gespannt, wie die Leute das aufnehmen. Man muss wirklich ­zuhören. Weißt du, ich habe Alben als Kind zigmal gehört und mich wirklich damit auseinandergesetzt. Heute ­skippen die Kids einfach durch und ­sortieren viel schneller aus. Das finde ich sehr schade. ­Deswegen: Nehmt euch die Zeit!

Was hat es mit dem Titel »Land Of Make ­Believe« auf sich?
Double-O: Wir sind zwar immer noch nicht dort angekommen, wo wir eigentlich sein sollten. Aber wir sind an einem Punkt in unserem Leben, an dem sich alles wirklich gut anfühlt. Die Leute behandeln dich auf einmal ganz anders, dabei sind wir immer noch dieselben Menschen – nur mit dem Unterschied, dass wir jetzt hauptberuflich rappen. Du befindest dich die ganze Zeit in einer Blase. Gerade machst du noch mit Asher Roth Party im Club und plötzlich stehst du an einem ganz gewöhnlichen Montagmorgen im Zug nach New York. Wir haben in den letzten Jahren eine Menge verrückter Dinge erlebt und davon handeln auch die Songs auf der Platte. Es geht um die zentrale Frage: Was davon ist echt und was nicht? Wo driften Realität und Traum auseinander?

Seid ihr erwachsener und reifer geworden?
Double-O: Schwer zu sagen. Es sind die äußeren Umstände, die hier und da vielleicht auch mal nachdenklich gestimmt haben. Ich meine, vor zwei Jahren waren wir noch nicht groß im Geschäft. Und dann waren wir auf einmal ein ganz neues ­Movement: Asher, Cudi, Cool Kids, Pac Div, wir. Daher kam vielleicht auch dieses große Selbstbewusstsein. Doch irgendwann haben wir uns umgeschaut und gemerkt, dass wir fast die Einzigen sind, die ihr Zeug immer noch auf einem Indie-Label rausbringen. Das hat uns nachdenklich gestimmt. Ich meine, wir haben Songs, die in die Charts gehören – aber wir bekommen sie da nicht hin!

Ihr habt Barack Obama mit einem Song im Wahlkampf unterstützt. Seid ihr zufrieden mit seiner bisherigen Arbeit?
Double-O: Absolut. Natürlich sind viele Leute etwas verärgert. Aber die von ihm angestrebten Veränderungen brauchen ihre Zeit. Er beginnt in vielen Aspekten ja quasi bei null. Natürlich kann ich ihm nicht über die Schulter gucken. Das will ich auch gar nicht. Ich denke, wir sollten ihm einfach vertrauen und nicht jetzt schon anfangen zu nörgeln.

Würdest du sagen, dass diese »Change«-­Parole auch ein bisschen auf euch zutrifft?
Double-O: Schon, ja. Anfangs haben wir bei einem Kumpel am Wochenende aufgenommen, plötzlich haben wir ein richtiges Album mit echten Songs gemacht. Wir sind sogar nach Europa geflogen. Unseren ersten Auftritt in Europa hatten wir in Berlin. Das ist es, was ich vorhin schon meinte: Das sind einfach Veränderungen und Eindrücke, die uns keiner mehr nehmen kann.

Text: Jan Wehn

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