Kendrick Lamar – untitled unmastered. // Review

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kendrick-lamar-untitled-unmastered-cover

(Top Dawg/Aftermath)

Wertung: Fünf Kronen
Die Frage ist doch, ob man nach »To Pimp A Butterfly« überhaupt noch ein Album machen kann. Das sensible politische Bewusstsein, die ehrgeizigen Arrangements, die perfekt gesetzten Gäste – selten waren sich Bescheidwisser so einig wie im vergangenen Jahr, als Comptons Kronprinz dazu ansetzte, sein ohnehin schon epochales Majordebüt zu übertrumpfen. Doch was tun, wenn der Rummel droht, die Kreativität in Ketten zu legen? Genau, »untitled unmastered.«. Allzu gern wollte man Kendricks Spontanrelease bei Erscheinen als Gegenentwurf zu Kanyes megalomanem »Pablo«-Projekt verstehen – keine Tweefs, kein Fashionwahn, keine Streaming-­Erpressung; stattdessen der scheinbar »ehrliche« Weg: Musik, quasi ohne Promo, plötzlich da. Doch »untitled unmastered.« ist weniger Kanye-Kontrast als der notwendige Befreiungsschlag, den es nach »TPAB« gebraucht hat. »Levitate, levitate, levitate, levitate«, schreit K-Dot auf »untitled 07«, um dem Jubelrausch Luft zu machen. Wenn man atmen muss, kann es hilfreich sein, dem Album nicht gleich das ganz große Vorhaben überzustülpen. Stattdessen versammelt man also acht titellose Tracks, die in den »Butterfly«-Sessions entstanden und teilweise bereits in Late Night Shows Premiere feierten. Nicht dass man sie Überbleibsel schimpfen wollte, doch der Kontext der Songs auf »untitled unmastered.« bildet auf den ersten Blick allein der Zeitraum ihrer Entstehung – und auf den zweiten Kendricks innerer Konflikt zwischen seinem Erfolg und dessen Folgen. So hält auch in besagtem »untitled 07« die Dialektik Einzug, wenn Lamar zur Hälfte des Songs aus seiner eigenen in die Perspektive des pimpenden Musikbusiness’ rutscht. Auch die rassistisch begründete Ungleich­heit in der US-Gesellschaft wird auf »untitled unmastered.« zum zentralen Thema, etwa in dem zwingenden Uptempo-G-Funk »untitled 08« oder in »untitled 05«, dem Drum-durchwirbelten Klimax der Platte, den K-Dot mit Jay Rock und Punch sowie Sonny­moon-Chanteuse Anna Wise feiert, unterstützt vom bewährten Produktionsteam Terrace Martin, Thundercat und Sounwave. »Look at my flaws, look at my flaws«, heißt es anschließend in »untitled 06«, wenn K-Dot in aller Gemütlichkeit mit Cee-Lo Green auf einen Bossa-Groove von Ali Shaheed Muhammad und Adrian Younge springt. Flaws also. Wo denn?

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