Kendrick Lamar – To Pimp A Butterfly // Review #2

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kendrick_cover(TDE/ Universal)

Wertung: Sechs Kronen

Wenn 2015 ein Rap-Album mit Funkentelechy-Weisheiten von P-Funk-Weltraumpionier George Clinton eröffnet wird, um zum Ende schließlich Pac himself aus dem Jenseits zum Poetry-Slam zu bitten, dann will es ganz offensichtlich an Größerem als Download-Charts und Klickzahlen gemessen werden. Kendrick Lamars »To Pimp A Butterfly« ist Bewerbung und Speech Of Acceptance zugleich. Hier sichert sich jemand endgültig seinen Platz im Pantheon nicht nur der Rap-Lyricists und Hood-Poeten sondern vielleicht der US-amerikanischen Dichtergrößen überhaupt.

Auch den Nachfolger zum 2012er City-Of-Compton-Epos hat das »good kid« wieder bis zum Bersten angefüllt mit Anspielungen, Querverweisen, Charakteren und Narrationssträngen, die zu entwirren einen ganzen Stab an Kommentatorinnen und Kritikern bis auf Weiteres beschäftigen wird. Erst im finalen Zwiegespräch mit Pac etwa wird die titelgebende Fabel von Caterpillar und Butterfly vollends entsponnen und als Metapher auf den brodelnden Subtext dieses Albums gewendet: Kendricks Zerrissenheit zwischen internalisiertem Hass (»Institutionalized«, »u«), dem mephistophelischen Pakt mit Geld und Macht (»For Sale«), noch immer mordenden Rassismen (»The Blacker The Berry«) und Selbst-Affirmation (»i«, »Complexion«) wird zum Spiegel und Brennglas afroamerikanischer kultureller Identität(en).

»To Pimp A Butterfly« betreibt mit aller ästhetischen Konsequenz solche Identitätspolitik als Soundpolitik. Kendrick Lamar liefert auf Longplayer-Distanz den radikalsten Sound-Hybriden aus Jazz-Approach und HipHop-Beat der letzten Dekade. Improvisationen von Bassist Thundercat oder Pianist Robert Glasper ziehen sich durch Sample-Fragmente von Beatmaker-Geheimtips wie Knxwledge und Whoarei. Sounwave knotet dir eine Bassline um die Glieder, die gnadenlos den G- in P-Funk rücktransformiert, und Bilals Vocal-Verrücktheiten suchen die verschiedensten Tracks immer wieder hintergründig heim.

Gerade in der Offenheit, mit der all das nebeneinander steht, in den Breaks, mit denen ein Instrumental unversehens ins nächste kippt, und zuallererst in den unwahrscheinlichen Wegen, die Kendricks Flow immer wieder durch diese klanglichen Kompliziertheiten findet und sich in diese geradezu hineinwebt, liegt vielleicht der Entwurf einer anderen Idee von Identität. Einer Identität, die keinen ›Kern‹ mehr haben will – schwarz, weiß oder wie auch immer –, sondern ein dichtes Flechtwerk aus Erzählungen ist. Erzählen tut im Moment jedenfalls niemand so meisterhaft wie K.Dot.

Text: Malte Pelleter

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