Kanye West – Bound2 (Video)

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Kanye-Bound2
 
Als Musikjournalist ist die eigene Glaubwürdigkeit von nicht allzu geringer Bedeutung. Speziell beim Thema Rapmusik machen genrefremde Schreiberlinge gerne den Fehler, sich auf der Suche nach Feuilleton-Punchlines zu weit aus dem Fenster zu lehnen. So gelang beispielsweise einem Kollegen von der FAZ vor kurzem die Behauptung, die »Cribs« [sic] würden sich mit roten, die Bloods mit blauen »Halstüchern« schmücken.
 
Welcher Quelle diese haarsträubende Fehlinformation entnommen wurde, ist nicht überliefert. Jedoch ist man als Journalist, gerade im digitalen Zeitalter, in dem Recherche größtenteils per Mausklick passiert, auch immer der Vertrauenswürdigkeit der verwendeten Quellen ausgeliefert. Und was dem werten Herrn von der renommierten Tageszeitung widerfahren kann, kann umgekehrt genauso den kleinen Schreiberling von der HipHop-Zeitschrift heimsuchen. Denn auch hier sagen die verwendeten Quellen viel über die Glaubwürdigkeit der getroffenen Aussagen aus.
 
Nun stellt Kanye West sämtliche kleine HipHop-Schreiberlinge vor eine Zwickmühle, indem er sein neues Video »Bound2« bei der einflussreichsten Talk-Lesbe des Planeten, Ellen DeGeneres, vorstellt. Jeder noch so reale Blog sieht sich nun gezwungen, auf einen Link aus der Show zurückzugreifen, die als zentrales Element des Hausfrauen-Fernsehens der Vereinigten Staaten gilt. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Ein Link von »Ellen« auf sämtlichen HipHop-Webseiten der Welt – das ist in etwa so, als würde Präsident Obama seine Rede zum »State of the Union« auf WorldStarHipHop zum Live-Stream anbieten oder Haftbefehl seine neue Single im Musikantenstadl vorstellen. Sicher, im oben beschriebenen, digitalen Zeitalter alles kein Ding der Unmöglichkeit mehr. Jedoch provoziert so etwas den völlig berechtigten Einwand: was ist denn mit der Realness?
 
Nun, im konkreten Fall zieht Yeezy sein Cape an und eilt uns allen als realkeependster aller Superhelden zu Hilfe. Denn was in »Bound2« so alles passiert, hätte man noch vor einigen Jahren im amerikanischen Nachmittagsprogramm kaum für möglich gehalten. Da tuckert Kanye also auf einem Motorrad durch die animierten Landschaften. Neben und hinter ihm ziehen die Rocky Mountains vorbei, dann vor ihm der Grand Canyon. Eigentlich der pure Kitsch, irgendwie erinnert das an die vorinstallierten Hintergrundbilder bei Windows XP. Doch dann sitzt sie da auf dem Lenker des Motorrads: Kim Kardashian, Kanyes Verlobte, die Mutter seiner Tochter North. Wohlgemerkt oberkörperfrei. Um eine etwas abgedroschene Phrase zu bemühen: das ist großes Kino. Und es ist davon auszugehen, dass Kanye für diese Performance den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle fordern wird. Schließlich betonte er zuletzt, dass Kim für ihr Mitwirken an der Reality-Soap »Keeping Up With The Kardashians« einen Stern auf dem Walk of Fame verdient hätte.
 
Im Endeffekt ist »Bound2« aber nur das Sahnehäubchen auf einem Jahr, in dem Kanye sowohl Fans als auch Hater in jeder Hinsicht herausgefordert hat: musikalisch, visuell, menschlich. Und damit als Puzzleteil im Gesamtkunstwerk Yeezus durchaus logisch. Auch wenn das alles, nüchtern betrachtet, nicht besonders viel Sinn ergeben mag.
 
 
Übrigens scheint Kim Kardashian ein Herz für die geschundenen Seelen aller HipHop-Blogger zu haben: Mrs. West hat die unzensierte Version des Videos kurzerhand auf ihrem YouTube-Kanal hochgeladen. Realness-Debatten sind somit bis auf Weiteres hinfällig.
 

 

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