»Ich habe diese Musik gehört und von Liebe geträumt« – Kaas über Boygroups // Interview

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Kaas
 
Das 21. Jahrhundert – Fortschritt, Wohlstand, Eierkuchen. Nur wenige Kernfragen bleiben bis dato ungeklärt: Wozu das alles? Was passiert nach dem Tod? Und überhaupt: what’s goes? Passable Antworten auf so viel Tiefsinnigkeit vermögen wir kaum zu liefern. Obwohl: wir hätten da ein Ass, äh, ein O im Ärmel. Denn am 20. März veröffentlichen Die Orsons ihr alleserklärendes viertes Studioalbum. Vor allem letztere Frage wird über 17 formidable Musikstücke hinweg eruiert. Zur Überbrückung der Wartezeit sprechen wir immer donnerstags mit einem der vier Kopfkino-Schwaben. Über kleinere, jedoch nicht minder wichtige Themen. Heute: Kaas über Boygroups.
 
Seinen Ruf als Freigeist der Kapelle, die sich Die Orsons nennt, genießt Kaas ohne Einschränkungen. Und seinen Hang zur Popmusik versteckt er ebenso wenig wie seine Liebe zu jedem anderen Geschöpf dieser Erde. Im Interview verrät er, was ihn am Phänomen Boygroup fasziniert und in die Haut welches Backstreet Boys er gerne schlüpfen würde.

 
(Kaas stellt einen Lautsprecher auf den Tisch. »I Swear« von All-4-One erklingt.)
Bartek: Boah Alter, mach das sofort aus!
 
Du bist bekennender Fan von Boygroups. Kannst du dieses Phänomen erklären?
Wenn man »Boygroup« hört, denkt man sofort an die üblichen Verdächtigen: die Backstreet Boys oder *NSYNC. Aber man wird der Geschichte der Boygroups nicht gerecht, wenn man sie nur auf das Phänomen dieser zusammengecasteten Bands beschränkt.
 
Was ist für dich demnach eine echte Boygroup?
Der Ursprung der Boygroups sind für mich Acapella-Gruppen wie die Comedian Harmonists. Und später All-4-One. Vier Stimmen, die zusammenarbeiten und ein kleines Stück Magie kreieren. Am Anfang war es R’n’B und Soul – wie Boyz II Men. Aber dann kam die Popindustrie und hat sich diese Idee zu eigen gemacht.
 
Woraus hat sich deine Liebe zu Boygroups entwickelt?
Ich habe mir früher ein Zimmer mit meiner Schwester geteilt, die großer Take That-Fan war. Überall hingen Poster von denen und ich wurde immer mit dieser Musik zugebombt. Das fand ich okay, wirklich Fan wurde ich aber nicht. Ich mochte East 17 lieber, die waren cooler und härter, irgendwie rappiger.
 
Die Orsons werden oft als HipHop-Boygroup bezeichnet. Wie erklärst du dir das?
Das hat damit angefangen, dass wir auf unserem ersten Album aus Spaß einen Boygroup-Song hatten [»Hitsingle«; Anm. d. Verf.]. Unser Management fand das gut, so wurde daraus der Aufhänger für die Orsons-Kampagne. Aber ich war der letzte, der sich dagegen gewehrt hat. Ich habe einfach ein Faible für diesen Mist.
 

 
Hast du ein Lieblingslied?
(Kaas spielt »If I Ever Fall In Love Again« von Shai an.)
Das ist übrigens Barteks und mein Lied. Wir haben irgendwann mal in einem Club in Aachen aufgelegt. Ich war gerade im Backstage und hörte, wie dieses Lied aufgelegt wird. Ich bin sofort rausgerannt, habe Bartek auf der anderen Seite des Dancefloors erblickt und wir sangen uns das Lied entgegen. Das war einer der schönsten Momente meines Lebens.
 
Findest du nicht, dass Pop die unauthentischste aller Musikrichtungen ist?
Da bin ich anderer Meinung. Natürlich sind zusammengecastete Boygroups eklig. Bei denen zielt alles darauf ab, dass kleine Mädchen ihr Taschengeld ausgeben, um ihre Platten zu kaufen und auf ihre Konzerte zu gehen. Aber die eigentlichen Songwriter sind mit der Seele dabei. Anders kannst du keinen Hit schreiben. Diese Hits werden dann von Leuten gesungen, die unfassbare Sänger sind. Die werden eben als Instrumente benutzt. Nehmen wir mal AJ von den Backstreet Boys, das ist ein krasser Sänger! (Maeckes lacht)
 
Wärst du gerne wie AJ?
Nein, dafür bin ich nicht der Typ. Das wäre eher Tua.
Tua: Welcher war AJ?
Kaas: Das war der coole, der roughe. (»I’ll Never Break Your Heart« von den Backstreet Boys ertönt. Kaas singt mit.) Hört hin, das ist AJ! Singt der nicht geil? Brian war auch krass. Ich wäre gern Brian!
Maeckes: Kannst du das bitte ausmachen?
 
Dich beeindruckt in erster Linie das gesangliche Können solcher Boygroups?
Ja, aber auch wegen diesen romantischen Texten. Du musst wissen, dass ich immer sehr schüchtern war und sich das eigentlich bis heute nicht geändert hat. Außerdem hatte ich sehr lange keine Freundin. Also habe ich in meiner Teenie-Zeit diese Musik gehört und von Liebe geträumt. Ich dachte mir immer: »Wenn ich doch nur eine Freundin hätte, dann würde ich sie auch so gut behandeln«! (Gelächter) Heute gefällt mir diese Musik einfach gesangstechnisch.
 
Und wegen der Erinnerungen an die Zeit, als du alleine in deinem Bett lagst…
(lacht) Genau! Ich habe gerade auch Tränchen in den Augen.
 
Okay, dann brechen wir an dieser Stelle lieber ab. Eine Frage noch, aus gegebenem Anlass. Im Januar ist ein großer Schlagerstar verstorben. Demis Roussos, kennt ihr den? Das ist die gefühlvollste Musik der Welt!
Kaas: Nein, den kenne ich nicht. Aber ich liebe Schlager!
Maeckes: Mach mal ein Lied von Demis Tzatziki an! (»Goodbye My Love, Goodbye« von Demis Roussos läuft an.)
Tua: Boah, der kann krass singen.
Kaas: Geil, danke für den Tipp!
 

 
Möchtest du sonst noch etwas loswerden?
Tua: Darf ich noch was über Schlager sagen? Ich habe mir da mal Gedanken drüber gemacht. Völkische Musik gibt es überall, in Deutschland zum Beispiel diese klassische Bierzelt-Musik. Aber es gibt auch Abstufungen, wie den Chanson in Frankreich. Das ist irgendwie Schlager, aber irgendwie auch nicht. Sowas fehlt in Deutschland. Wir hatten Hildegard Knef, aber nenn mir einen coolen deutschen Schlagersänger. Und sag jetzt nicht Helene Fischer.
Kaas: Konstantin Wecker, »Willy«. (Bartek fängt an zu singen.) Siehst du, Bartek weiß Bescheid!
 
Foto: Nico Wöhrle
 
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