»Wenn ich merke, der Rapper hat sich eine bestimmte Art überlegt, wie er rüberkommen will, dann finde ich das nervig«: Tarek (K.I.Z.) im Interview

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Kreuzberg ist zufrieden

Das Berlin der Prä-Aggro-Tage. Gerade feiert eine ­Truppe Rap-Begeisterter den Einstieg ihres Posse-Albums »NLP« auf Platz 65 der deutschen Charts. Sie sind beim Indie-Label Royal Bunker gesignt und nennen sich Masters Of Rap. Ihre Vision einer restverachtenden Eigeninterpretation deutscher Rapmusik hatte sich in jahrelangen Freestyle-Sessions in einem Kreuzberger Kellerloch materialisiert.

Deutschrap hatte Berlin nicht auf dem Schirm, aber für den Klüngel in der Falckensteinstraße war Berlin King. Sie durften, so stellte es sich einige Jahre später heraus, Recht behalten. Zur gleichen Zeit übergeben ein paar ­Fast-Volljährige dem Royal Bunker-Chef und Mastermind der Vision, Marcus Staiger, ihr Demotape. Auch sie wollen Teil dieses Movements sein, obwohl es so was wie Movements noch gar nicht gibt. Die Berliner Jungs aber sind überzeugt von den Tracks, die sie in ihren Jugendzimmern auf Vierspur aufgenommen haben. Staiger erteilt ihnen eine Absage. Mit ihrer Musik kann er nichts anfangen.

Zehn Jahre später. Die vier Jugendlichen sind erwachsen geworden. Irgendwie jedenfalls. Tarek, Nico, Maxim und DJ Craft gehören mit ihrer Band K.I.Z. zu den erfolgreichsten und meistdiskutierten Deutschrap-Acts der Nullerjahre. Sie hatten die Absage des Bunkerchefs sportlich genommen und trotzdem ein weiteres Album aufgenommen: »Rap für Geld«. Darauf kreuzten sie deutschen Straßenrap, wie Bushido, Sido und Aggro Berlin ihn etabliert hatten, mit Humor. Und hatten für sich eine Formel gefunden, mit der sie durch ihre Major-Alben »Hahnenkampf« und »Sexismus gegen Rechts« über die Szene hinaus zum Vorreiter einer HipHop-Form wurden, die es eigentlich gar nicht geben kann. Lustiger Rap – obszön und intelligent, Punk und Pop, erfolgreich und echt, Straße und Ballermann, »Carlo Cokxxx Nutten« und »Word Of Mouf«, links und geil, »taz« und JUICE.

In den letzten Monaten haben sie ihr drittes großes Album »Urlaub fürs Gehirn« in ihrem Studio in genau den miefigen Kellerräumen aufgenommen, in denen ihre Träume von einer Musikkarriere beim Vormieter Royal Bunker einst ihr vermeintliches Ende fanden. Das ist nur konsequent. Wie so vieles bei K.I.Z., obwohl man es den vier müde dreinschauenden Jungs an diesem Donnerstagvormittag in Kreuzberg nicht ansieht. Irgendeinen Plan haben K.I.Z. – und irgendwie sind sie an den Punkt gekommen, an dem sie jetzt sind. Wir haben sie getrennt voneinander gefragt, wie das passieren konnte.

Warum funktioniert das Bandgefüge K.I.Z. eigentlich so gut?
Die Streitigkeiten bleiben halt aus. Wir versuchen, demokratisch miteinander umzugehen. Wir fassen uns mit Samtschuhen an. (grinst)

Und das, obwohl die Berliner ­bekannt für ihre Grobheit im Umgang ­miteinander sind. Dabei bist du ja das einzige Mitglied, das seine Kindheit nicht in Berlin verbracht hat.
Ja, ich bin in Freiburg geboren und mit sechs Jahren nach Valencia in Spanien gezogen. Mit 14 Jahren bin ich dann nach Berlin gekommen. Damals war für mich alles neu, weil ich meinen Vater zum ersten Mal richtig kennen gelernt habe. Und weil in Berlin alles anders riecht, weil die Gebäude anders aussehen und weil das Essen in den ­Supermärkten schlechter ist als in Spanien.

Bist du in Valencia schon mit HipHop in Kontakt gekommen?
Das hat mich immer schon interessiert. Der Mann meiner Mutter ist ja Amerikaner, und der hatte sehr viele CDs von DMX oder Tupac. Bei mir in der Schule war ein Typ, der auf Spanisch gerappt und Beats produziert hat. Der hat mich gefragt, ob ich nicht auch mal rappen will. In Valencia gab es einen Graffiti-Laden, da gab es Zeitschriften wie die »Backspin«. Damals hat mich Graffiti noch mehr interessiert. Ich hab ja auch das Logo von K.I.Z. entworfen. Ich kann ganz gut taggen, aber ansonsten war ich nicht besonders gut. Jedenfalls habe ich mir in dem Magazin jedes Interview durchgelesen, damals war Freundeskreis und die ganze Hamburg-Schiene noch angesagt. Ich kenne auch heute noch jeden Rapper in ­Deutschland. Ich habe ein gutes ­Gedächtnis. Ich wusste allerdings nicht, dass sich Mr. Schnabel jetzt Howie Do nennt. (lacht) Das habe ich erst im »Rapquiz« gelernt.

Ihr feiert ja auch sehr abseitigen ­Horror- und Straßenrap.
Ja, ich denke auch, wenn ich die anderen Jungs nicht kennen gelernt hätte, würde sich meine Musik ganz anders anhören. Ich finde grundsätzlich: je ungewollter, desto besser. Wenn ich merke, der Rapper hat sich eine bestimmte Art überlegt, wie er rüberkommen will, dann finde ich das nervig. Ich mag es, wenn Rapper in Interviews unbeherrscht sind und ihre Musik einfach so machen, wie sie wollen. Wenn Rapper aber sagen, dass sie kein Image haben, dann ist das ja auch ein Image, nur halt das langweiligste überhaupt. Jeder will sich so präsentieren, dass es interessant ist. Wer keinen Erfolg hat, rechtfertigt sich damit, dass er kein Image hat. Da höre ich mir lieber einen komplett unreflektierten, aggressiven Rapper an.

Wie würde sich deine Musik denn ohne K.I.Z. anhören?
(denkt nach) Ich will jetzt nicht sagen: plumper. Vielleicht ernster. Wobei, nur Leute, die sich nicht mit uns beschäftigen, denken immer, bei K.I.Z. wäre alles nur Ironie und Spaß. Aber es ist eigentlich sehr ernste Musik. Ich weiß es nicht.

In Berlin hast du dann Maxim kennen gelernt, oder?
Ich hatte eine Freundin, die mir mein Vater vorgestellt hat, die hieß Fatima. Die sollte mir Berlin zeigen. Ich hab ihr erzählt, dass ich rappe, also hat sie mir Maxim vorgestellt. Ich hab einen ziemlich schlechten Part bei ihm aufgenommen, und dann haben wir uns aus den Augen verloren. Ich hab mich nicht mehr gemeldet, weil ich verkackt hatte. (lacht) Irgendwann haben wir uns wiedergetroffen, weil unsere Schulen relativ nah beieinander waren, in Schöneberg. Das war die Zeit, als Aggro bekannt wurde. Der »Downstairs«-Laden war 20 Meter von meiner Schule entfernt, in den Videos sind sie an meiner Schule vorbeigelaufen. Das war interessant zu sehen, auch dass die Leute das sehr ernst nehmen, sowohl die Künstler als auch das Publikum. Das war immerhin der erste Straßenrap aus Deutschland, der cool klang. Direkt aus der Nachbarschaft.

Findest du heute, dass du ein guter Rapper bist?
Ich bin sehr selbstkritisch. Wenn ich jetzt Texte von »Hahnenkampf« höre, fallen mir immer wieder bestimmte Sachen auf, die man hätte besser machen können. Ich versuche immer, mich weiterzuentwickeln. Jedenfalls genüge ich erst seit kurzem meinen eigenen Ansprüchen halbwegs. Aber perfekt ist es auch noch nicht.

Feierst du andere Rapper?
Auf jeden Fall. Jeder Rapper hat mindes­tens einen Song, den ich gut finde. Es gibt kaum einen, den ich komplett scheiße finde. Ich denke da auch nicht in Kategorien wie »Straße« oder »nicht Straße«. Ich finde, deutschem Rap geht es im Moment gar nicht so schlecht. Es gibt eine breit gefächerte Auswahlmöglichkeit für jeden, der sich damit beschäftigen möchte. Ich weiß nicht, warum die Leute sich immer so beklagen. Diese Diskussionen über Chartplatzierungen sind auch lächerlich. Daran kann man doch nichts festmachen. Heutzutage brauchst du auch kaum CDs verkaufen, um zu charten.

Für mich als Fan war das immer egal.
Klar. Heutige Fans benutzen das als Rechtfertigung. Manchmal ist es ja auch für mich eine kleine Genugtuung. Wenn einer sich für die übelst krasse Rettung von HipHop hält und auch so auftritt, dann aber nicht mal in den Top 50 chartet, finde ich das schon lustig. Aber eigentlich sollten mich diese Diskussionen nicht beschäftigen.

Hast du in der Zeit, als noch nicht klar war, dass du von der Musik leben ­können wirst, auch mal gezweifelt?
Ja. Ich habe ja auch mein Fachabitur gemacht, nachdem ich von der Realschule abgegangen bin. Ich hätte sicher auch ein richtiges Abitur machen können, aber ich habe mich ablenken lassen. Um auf deine Frage zurückzukommen: Ich zweifle immer noch daran. Wir leben seit 2005 von der Musik, das ist aber nichts für die Ewigkeit. Ich will davon auch nicht abhängig sein. Einerseits ist es schon eine gewisse Freiheit, aber verbunden mit viel psychischem Stress.

Die Schattenseiten des Ruhms…
Ja, aber wir können noch alleine durch Neukölln gehen. Wir werden zwar erkannt, aber zu uns sind alle nett und höflich. Wir brauchen keine Bodyguards. Trotzdem ist es natürlich anstrengend. Ich weiß nicht, ob eine 40-Stunden-Woche in einer Firma weniger aufreibend ist. Ich habe mir immer gewünscht, von der Musik leben zu können. Ich kann es nicht so richtig glauben, dass es jetzt wirklich so ist und auch so bleibt.

Kannst du gut mit Geld umgehen?
Nein. Wenn man wenig Geld gehabt hat, dann schmeißt man es zum Fenster raus, wenn man plötzlich welches hat. Wir haben deshalb ein System und zahlen uns Gehälter aus. Aber wenn ich mal eine Tür kaputt trete, kann ich das trotzdem sofort bezahlen. Ich bin halt einfach zu verpeilt und mache ständig irgendwelche Schulden. Wenn dann eine Mahnung über 400 Euro kommt, dann ist das kein Problem mehr. Das Geld fängt mich auf, in meiner unreifen Art. (grinst)

Bist du ein emotionaler Mensch?
Krass emotional. Ich fühle mich schnell gekränkt oder ans Bein gepisst. Ich bin sehr nachtragend und schnell wütend. Nico und Maxim sind dagegen sehr besonnene Menschen. Sie fangen mich oft auf. Wenn ich mal nicht klarkomme oder mich besoffen daneben benehme, ist es sehr cool, geistig gesunde Menschen um sich zu haben. Das sind die besten Freunde, die ich je hatte.

Inwieweit hast du auf »Urlaub fürs Gehirn« Neuland betreten?
Ich habe auf dem Album zwei neue Sachen ausprobiert: einen Remix von dem Song »Meat« von Brotha Lynch Hung. Und einen komplett gesungenen Song übers Fremdgehen. Ich singe ohnehin recht viel, jedenfalls auf der poppigen Hälfte des Albums.

Gibt es auch Themen, die du mit K.I.Z. nicht umsetzen kannst?
Ich habe mit Basstard gerade einen Song aufgenommen, wo wir beschreiben, wie wir in einem Flüchtlingsboot sitzen. Die anderen Jungs hätten da wahrscheinlich keine Lust drauf. Wenn ich mal ein Soloalbum machen sollte, dann würde es darauf eher um zwischenmenschliche Themen gehen statt nur um Battle und Härte. Wir waren ja auch auf dem Peter Fox-Album (auf »Fieber«, Anm. d. Verf.), aber leider nur auf den ersten 6.000 Pressungen, weil der Text dann doch zu hart war. Stell dir mal vor, wir wären auf zwei Millionen verkauften CDs drauf gewesen!

 

Text: Stephan Szillus

Foto: Christoph Voy

Das Interview mit Nico von K.I.Z. findest du hier.

Das Interview mit Maxim von K.I.Z. findest du hier.

Das Interview mit DJ Craft von K.I.Z. findest du hier.

 

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