Jonas Platin: »Die Leute trauen sich nicht, Flüchtlinge satirisch darzustellen« // Interview

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Als Satire-Rap bezeichnet Jonas Platin seine Musik. Vor anstrengenden Weltverbesserer-Punchlines bewahrt uns der 19-Jährige aber, seine Mucke soll in erster Linie Spaß machen. Ein politisches Statement zu setzen, bleibt positive Nebenwirkung – »chillt, egal mit wem«, so der Grundtenor. Warum also Geflüchteten nicht auch mal die Möglichkeit zum satirischen Konter geben? Das Ehrenamt im Flüchtlingsheim von Internet-Homie Bruder Jakob bietet die Grundlage, »wir klauen eure teuren Handys« wird zur Autotune-Massaker-Hook und Selbstironie zum Mittelfinger in Richtung »Nazi-Hurensöhne[n]«. Wir sprachen mit den Jungs über Refugee-Ghostwriting, Low-Budget-Inszenierung und die Frage, ob nun eigentlich jeder rappen kann.

Ihr habt mit »Wir bleiben hier« eine kleine Welle ausgelöst. Wie kam die Zusammenarbeit zustande, woher kam die Verbindung zum Featuregast Kanye East?
Bruder Jakob: Ich habe gute Connections in dem Bereich, weil ich viel mit Flüchtlingen arbeite. Eigentlich bringe ich denen Jonglieren bei, aber irgendwann habe ich gefragt, ob sie Lust haben, einen Track mit mir zu machen.

Wie lief das in der Produktion ab? Jakob wohnt in Bayern, Jonas in NRW.
Jonas Platin: Er hat mir die Spuren rübergeschickt, ich habe aus »Wir kriegen eure teuren Handys« eine Hook gemacht und drum herum den Beat produziert. Die Parts haben wir über Skype ausgefeilt.
Jakob: Funny ist, dass Kanye East an seiner Schule jetzt übelst der Star ist. Wir hatten ein bisschen Angst, wie das ankommen würde. Sein Deutsch war noch nicht so gut, also habe ich den Text geschrieben. Es war mir sehr wichtig, dass er damit zufrieden ist. Ich will ja nicht, dass die Flüchtlinge danach in einem schlechten Licht dastehen. Aber die Kids an seiner Schule pumpen die Tracks im Bus.
Jonas: Nach dem Flüchtlingsvideo kam einiges an Hate via Social Media, aber nur aus dem rechten Spektrum. Damit hatten wir gerechnet.

Wenn Hate aus der Ecke kommt, prallt das eh ab, oder?
Jonas Platin: Ja, voll. Einer hat geschrieben: »Soll das jetzt gut sein, dass die Flüchtlinge hier mit Waffen rumschießen oder ist das Ironie?« Zwanzigzeiler, die sich darüber ausgelassen haben, wir seien Linksextremisten, gab’s auch. Der Track hat natürlich eine politische Message, aber wir sind keine politischen Rapper. Linker Rap thematisiert häufig Flüchtlinge, aber irgendwie hat sie noch niemand satirisch dargestellt. Die Leute trauen sich das nicht. So damit umzugehen, finde ich aber wichtig. Satireseiten wie der Postillon machen das auch. Nach dem Motto: »Flüchtling hat Kind aufgefressen.«
Bruder Jakob: Für mich war es komplett unpolitisch. Ich wollte einfach Spaß haben, es ging um den Joke. Meine Message: Chillt – egal mit wem. Chillt einfach.

So geht ihr aber allgemein an Musik ran, oder? Es soll einfach Spaß machen und eine gewisse Atmosphäre schaffen.
Jonas Platin: Ja, wir nehmen uns irgendwelche Themen und Ideen und dann machen wir das einfach. Ich habe Rap nie groß verfolgt, erst so seit einem Jahr. Ich hatte aber irgendwie Bock drauf.

Davor hast du EDM produziert. Irgendwann wolltest du aus der Szene raus, »weil jeder jeden kopiert«. Ist das im Deutschrap weniger problematisch?
Jonas Platin: Natürlich gibt es im EDM-Bereich ein paar ikonische Künstler mit guten Ideen. Irgendwann war Soundcloud aber voller Kopien. Es hat keinen Spaß mehr gemacht. Ich war nie der beste Sounddesigner. Am Rap ist cool, dass die Stimme immer einen gewissen Wiedererkennungswert mit sich bringt. Ich brauchte kein mega eigenes Sounddesign, um erkannt zu werden. Ich mache zwar keinen »EDM-Rap«, versuche aber immer elektronische Einflüsse mit einzubringen. Ich habe jahrelang diese Musik gemacht, das färbt ab. Ich bin mehr so der melodische Typ, die meisten Rapsachen in Deutschland sind monotoner. Ein bisschen im LGoony-Style, er ist auf jeden Fall ein großer Einfluss.

»Bushido war plötzlich kein krasser Typ mehr für mich.« – Bruder Jakob

Wie kommt man in einer westfälischen Kleinstadt an LGoony und Rap im Allgemeinen, wenn man eigentlich aus der EDM-Ecke kommt?
Jonas Platin: In Bad Oeynhausen geht echt gar nichts, was Rap betrifft. Ich kenne nur einen Rapper aus der Ecke und der macht mittlerweile auch keine Musik mehr. HipHop ist da kein Begriff. Meine Freunde und ich haben aber schon früh Money Boy gefeiert, den kannte damals jeder. Das war meine einzige Verbindung zu HipHop.
Bruder Jakob: Ich kannte Sido und Bushido, größer war mein Kosmos nicht. Ein Freund hat mir JuliensBlogBattle gezeigt und ich dachte mir: Das kann ja nicht so schwer sein. Beim VBT rappt schließlich auch jeder. Es kann einfach jeder rappen, es ist nicht schwer. Bushido war plötzlich kein krasser Typ mehr für mich. Mein Umfeld hört auch keinen Rap.

»Jeder kann rappen« ist schon sehr subjektiv formuliert.
Jonas Platin: Damals dachte ich das auch.
Bruder Jakob: Es ist so.
Jonas Platin: Aber es hat auch was mit rhythmischer Veranlagung zu tun und wie musikalisch du bist. Wenn du, wie ich, von klein auf Musik machst, gehst du sehr musikalisch an Rap heran. Am Anfang dachte ich: Ist auf dem Takt, passt. Dein Ausdruck macht aber viel aus. Man muss nicht immer perfekt auf dem Metrum liegen, dass es cool klingt. Es wird immer Leute geben, die deine Musik nicht verstehen. Wenn man aber lange genug dranbleibt, feiern es die Leute irgendwann. Am Anfang hatte ich echt viele Hater. Das war mir allerdings egal. Dann hat rap.de über mich berichtet und ich bekam plötzlich Respekt. Die Leute lassen sich so leicht beeinflussen.

Hat sich deine Einstellung dazu im Laufe der Jahre geändert? Du veröffentlichst Musik schon, seit du 13 Jahre alt bist.
Jonas Platin: Es hat viel mit Selbstwertgefühl zu tun, ob es dir nahe geht oder nicht. Mit der EDM-Geschichte war es einfacher, weil der Tomorrowland-Aftermovie damals so einen kleinen EDM-Hype ausgelöst hat. Sobald du etwas Neues probierst, sind die Leute erst mal skeptisch. Ich habe mir Kritik damals sehr zu Herzen genommen, mittlerweile haue ich die Sachen einfach raus, bevor ich zu perfektionistisch rangehe. Da ist Hate zwar vorprogrammiert, aber es ist besser als nichts zu veröffentlichen.

Das »Wir bleiben hier«-Video war im Verhältnis zu deinen anderen Videos sehr aufwendig produziert. Du hast aber mal gesagt, dass deine Videos, die nur mit der Handykamera gefilmt wurden, besser ankommen.
Jonas Platin: Das sehe ich immer noch so. Qualität im Video hat im Rap einen großen Stellenwert. Leute wie Kollegah haben aber einfach viel mehr Budget. Ich persönlich finde Videos unterhaltsamer, die mit einer trashigen Handykamera gedreht wurden. Da stimmt einfach die Pointe. Das muss nicht immer 4K und super Colourgrading sein. Die Videos auf meinem Kanal mit einer trashigen Optik haben auch die meisten Klicks.

Inwieweit ist dieses Low-Budget-Ding, auch bei anderen Rappern, Inszenierung?
Jonas Platin: Das ist schwer zu sagen. Ich mach das, weil mir für mehr die Ressourcen fehlen. Einige Rapper machen das sicher mit Absicht, damit es real wirkt. Bei mir würde das aber keinen Sinn machen, weil es ja offensichtlich nicht real ist. Ich mache Satire-Rap, das ist alles Facette. Ich finde beides cool: Film-Look und Handy-Ästheitk. Kommt auf den Track an. Vielleicht mache ich auch mal einen richtig behinderten Track mit richtig geiler Kinooptik.

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