Johnny Rakete: »Niemand hat mehr Bock, sich anzustacheln, der dopere Rapper zu sein« // Feature

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Savas ist schuld. Als Johnny Rakete vor einem halben Jahrzehnt auf Youtube über HawkOnes Remix des Essah-Klassikers »King Of Rap« stolpert, nimmt er sofort Kontakt zum jungen Beatmaker auf. Jüngst erschien mit »Macht’s gut und danke für den Fisch« die dritte gemeinsame EP des MC/Producer-Gespanns.

»Internet, Dicker. Straight Internet!« Johnnys Antwort, wie das Team um ihn herum zueinanderfand, ist knapp, aber euphorisch. Beats aus dem Berliner Speckgürtel, ein Manager in Frankfurt, der andere sitzt in Zürich. Die erste Tourerfahrung macht Rakete 2015 mit den MPM-Rappern Goldroger und Veedel Kaztro. Die Not, dass er in seiner Heimatstadt nicht gerade auf den fruchtbarsten Nährboden in Sachen Rap-Karriere trifft, macht der Fürther zur Tugend. Nach »Broke aber dope« mit Beatmaker Meister Lampe beginnen Ende 2013 die Arbeiten an der ersten gemeinsamen EP mit HawkOne. Der sitzt in Oranienburg, hat besagten Savas-Remix noch mit der HipHop-Edition des Magix Music Maker gezimmert und wagt damals so langsam seine ersten Schritte in Richtung Game.

Wenn ich ein Album mache, dann nur mit HawkOne.

Die Sorglosigkeit, mit der die ersten gemeinsamen Songs entstehen, findet in der Romanreihe »Per Anhalter durch die Galaxis« von Douglas Adams ihren thematischen Überbau. So frei von der Leber weg rappt der Anfangzwanziger mit der wilden Stoner-Mähne, dass wir Rakete 2014 prompt zum HipHope erklären – keine Fehleinschätzung, wie sich heute zeigt. Klicks im sechsstelligen Bereich auf seine Videos sind keine Seltenheit. Mit seinem tiefenentspannten Neo-Bap und punktgenauen Flows trifft Rakete den Nerv vieler Rapfans, die’s lieber klassisch mögen, und umschifft dabei gekonnt den Eisberg der Hängengebliebenheit. Den Erfolg in Sachen Streams und Videoaufrufen lässt er sich nicht zu Kopf steigen. Immer wieder riskiert er bei den DLTLLY-Written-Battles verbal eine dicke Lippe. »Ich find Deutschrap insofern gerade eklig, dass der Competition-Aspekt wegzufallen scheint. Niemand hat mehr Bock, sich gegenseitig anzustacheln, der dopere Rapper zu sein«, resümiert Rakete ein wenig gefrustet.

Auch deswegen wagt Johnny mit seinem Beat-Pendant, den er liebevoll Hawky nennt, auf dem Abschluss ihrer »PAddG«-Trilogie eine Zeitreise. Alle fünf Tracks basieren auf Samples, die schon auf dem Queensbridge-Klassiker »The Infamous« geflippt wurden. Wie einst Havoc 1994 macht sich HawkOne an Soul- und Blues-Classics die Finger schmutzig, während Raketes Lyrics weniger blutrünstig daherkommen als Prodigys gut zwanzig ­Jahre alte Ghettolyrik über die Adoleszenz in Nordamerikas größter Sozialwohnsiedlung. Statt Rauschgifthandel in QB reimt Rakete über Kifferfrust in Bayern und die Ratlosig­keit des Studentendaseins oder begeht nostalgisch den Pfad der eigenen HipHop-Sozialisation.

Sowohl HawkOne als auch Rakete sind maßgeblich geprägt vom kompromisslos rumpeligen Ostküsten-Sound. Folgerichtig spielt Mobb Deeps Zweitwerk eine zentrale Rolle im HipHop-Verständnis beider Protagonisten. »Die ursprüngliche Idee war, dass man sich aus einem Pool an Samples bedient, der für Klassiker-Tracks der Neunziger verwendet wurde«, erinnert sich Hawk. Als beide unabhängig voneinander Listen mit möglichen Tracks kompilieren, überschneiden sich die Geschmäcker direkt bei Mobb Deep – die Entscheidung fällt schnell. Trotz abgeschlossener Trilogie denkt das Duo gar nicht erst daran, getrennte Wege zu gehen. »Da ist über die Jahre echt eine stabile Freundschaft entstanden«, konstatiert Rakete. Ein Album habe er bereits lose anvisiert – »aber wenn ich das mache, dann nur mit Hawk­One.«

Text: Jakob Paur
Foto: Emma Weh

Dieses Feature erschien in JUICE #179 (hier versandkostenfrei bestellen).

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