Johnny Rakete: »Die Beats haben die Stimmung ein bisschen aus mir herausgekitzelt« // Interview

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Johnny Rakete
 
Der letzte glühende Jointstummel ist erloschen und der Nachhall von knarzigem Boombap vergangener Tage hat sich verflüchtigt. Johnny Rakete hockt in seinem Zimmer und spielt »Legends of Zelda« auf einem alten Nintendo 64. Er denkt nach. Was passiert? Was wird? Über ihm wachen der Wu-Tang Clan und Public Enemy auf rechteckigem Papier. Auf seiner neuen EP ist Rakete nicht nur der entspannte Student von nebenan, der es sich mit einem Berg Waldkräutern und einer Handvoll Kumpels gut gehen lässt. »Das Leben Das Universum Und Der Ganze Rest« schlägt nachdenklichere und stellenweise sogar wütende Töne an. Selbst- und gesellschaftskritisch wird es, während HawkOne die Jazz-Samples dieses Mal zu Hause lässt und stattdessen aus dem 16-Bit-Soundtrack der Abenteuer des kleinen Link die passenden Instrumentale fertigt. Die EP präsentiert somit nicht nur eine neue Facette von Johnny Rakete, sondern greift seine Liebe zu Videospielen aus Kindheitstagen auf. Bevor am Freitag die EP und die JUICE Premiere zum Track »Alles Ist Gut« erscheinen, erklärt uns Johnny Rakete sein Universum und den ganzen Rest.
 
Warum bist du ein »Taugenichts mit Absicht«?
Mir sind alle Möglichkeiten gegeben, das zu machen, was ich will; Studieren, arbeiten oder was auch immer. Aber ich bevorzuge es, den ganzen Tag rumzuhängen, nichts zu tun und darauf zu scheißen. Warum das so ist, kann ich dir nicht sagen, aber das ist gerade meine Realität. Es gibt natürlich die Musik, aber ansonsten bekomme ich nicht so viel auf die Reihe.

 

Kann man diese Mentalität damit vereinen, erfolgreich Musik zu machen?
»Taugenichts mit Absicht« bezieht sich auf das, was als gesellschaftlich notwendig erachtet wird. Im Sinne von Berufsausbildung, Uni und überhaupt damit, sein Leben auf die Reihe zu kriegen. In die Musik investiere ich auf jeden Fall wahnsinnig viel Energie und das auch gerne.

 

Sind das Musikerdasein oder das Leben als Künstler denn keine gesellschaftlich akzeptierten Werdegänge?
Klar sind sind sie das. Aber wenn ich jemandem davon erzähle, dass ich gerne auf die Uni scheißen und nur noch Mucke machen würde, werde ich oft schiefe angeguckt. Viele können das nicht verstehen. Es wird immer ein bisschen belächelt oder als Träumerei abgetan. Man wird oft als Naivling abgestempelt. Natürlich bekommt man auch von klein auf eingeredet, dass man später einen Uni-Abschluss benötigt – diese Gedanken sind also nachvollziehbar. Es ist dadurch immer auch ein kleiner Kampf mit mir selbst, sich davon freizumachen.

 

 

Vielleicht liegt das an der etwas konservativeren Einstellung, die in Bayern vorherrscht.
Das könnte auf jeden Fall sein. Wobei meine Eltern zum Beispiel beide gar nicht aus Bayern kommen, sondern aus Rumänien. Ich verstehe das schon. Klar wäre es der sicherere Move, seinen Bachelor fertigzumachen. Aber ich denke mir, dass die Musik nicht funktionieren kann, wenn ich nicht all meine Energie hineinstecke. Deswegen setze ich erst mal alles auf eine Karte. Wenn es trotzdem nicht klappt, kann ich ja immer noch etwas anderes machen. Ich bin jetzt in einem Alter, in dem man sich noch ausprobieren kann.

 

Du sprichst auf der EP auch davon, dass deine Eltern mit dir zufrieden sind. Hören sie deine Musik?
Ich hole mir von meiner Mutter zum Beispiel oft die erste Meinung ein und rappe ihr auch mal Sachen vor. Dadurch, dass sie gar nichts mit HipHop zutun hat, ist es spannend zu sehen, wie sie reagiert. Wenn sie dann beginnt mitzunicken, hat der Song meistens auch etwas Eingängiges. Das hilft mir weiter. Auch textlich ist meine Mama eine Instanz. Sie ist auf jeden Fall stolz und sieht, dass mit der Musik etwas passiert. Sie hat mir auch noch nie Steine in den Weg gelegt. Mein Vater hört meine Musik zwar nicht, ist aber auch zufrieden.

 

Trotzdem sagst du: »Es gibt keinen Tag, an dem ich mir nicht nutzlos vorkomme.« Steht das nicht im Widerspruch dazu, dass du viel Energie in deine Kunst steckst und mittlerweile auch einiges zurückkommt?
Momentan hänge ich viel am PC, zocke, gucke Serien und rauche hier und da einen Joint. Andere Leute in meinem Alter haben einen Job, zahlen ihre Miete und bekommen ihr Leben gefühlt mehr auf die Reihe als ich. Einige sind absolut selbstständig und ich wohne zu Hause, spiele am Wochenende ein paar Gigs, schreibe im Jahr gefühlt fünf Songs und die Uni schleift auch hier und da. In manchen Momenten denke ich mir dann, dass man schon etwas mehr machen könnte. Andere bekommen das doch auch hin.

 

Ist dieser Zweifel auch der Grund dafür, dass deine neue EP etwas düsterer geworden ist?
Es ist für mich immer interessant zu sehen, wie eine Platte letztlich klingt. Ich kann meistens erst hinterher nachvollziehen. Dann kann ich besser einordnen, wie mein Privatleben während der Produktionsphase verlaufen ist. Die Beats haben die Stimmung ein bisschen aus mir herausgekitzelt. HawkOne hat damit irgendwas in mir ausgelöst und dafür gesorgt, dass ich noch eine Facette mehr von mir zeigen konnte. Aber nicht, weil ich mit der Absicht vor einem leeren Blatt saß, einen wütenden Song schreiben zu wollen. Das kam einfach.

 

 

Deine Vorliebe für Gras wird gar nicht thematisiert. Außerdem hast du vor einiger Zeit einen Blog geführt, der deine einwöchige Abstinenz begleitet hat. Spielt Kiffen keine so große Rolle mehr?
Der Blog war ein spontaner Einfall. Vorher war ich eine Woche in Berlin. Dort steigert sich der Konsum immer ziemlich, weil man überhaupt keinen Stress mit der Polizei hat. Nach der Woche saß ich zu Hause und war einfach durch. Ich musste mal eine Pause einlegen. Man sagt ja immer, dass es einem gut tut, Sachen aufzuschreiben. So ist eine Art Tagebuch entstanden. Ich wollte diejenigen, die es interessiert, einfach daran teilhaben lassen. Mich haben dann tatsächlich relativ viele Leute angeschrieben, die das alles nachvollziehen konnten. Einige sind in der Woche sogar meinem Beispiel gefolgt. Es war im Nachhinein ein guter Move. Auf der EP wird Gras nicht thematisiert, weil es für das, was ich zu sagen hatte, nicht wichtig war. Es gab genug andere Themen. Vielleicht habe ich es auch unterbewusst nicht angesprochen, um nicht nur damit in Verbindung gebracht zu werden. Außerdem habe ich wieder neue Eindrücke gesammelt, bin etwas schlauer geworden und habe auf einige Sachen neue Sichtweisen bekommen.

 

Dadurch wird auf jeden Fall mit dem Bild des kiffenden Studenten gebrochen, der auf Boombap-Beats rappt.
Ich habe es mir ja selbst eingebrockt, dass Leute mich für einen dieser »Ich scheiß auf alles«-Kiffer halten. Aber ich mache mir natürlich Gedanken über meinen Konsum. Ich bin ein verhältnismäßig selbstreflektierter Mensch. Wenn es wieder zu viel wird, dann lese ich mir ein paar Zeilen aus dem Blog durch. Dadurch habe ich mich mittlerweile ganz gut im Griff.

 

Was sich dafür durch die EP zieht, sind Samples aus »Zelda«. Hast du früher viel mit Gameboy, Super Nintendo und Co. gespielt?
Ich habe bei meinem Nachbarn »Zelda«, »Super Mario«, »Mario Kart« und viele weitere Klassiker gezockt. Mittlerweile habe ich wieder einen Nintendo 64 bei mir stehen, den ich auf dem Flohmarkt gefunden habe. Der Verkäufer war ein richtiger Trottel. Der hat mir den N64 mit zwei Controllern und zehn Spielen für 20 Euro verkauft. (lacht) Ich bin damit groß geworden und finde es großartig. Auch den Sound der Spiele.

 

Wer kam dann auf die Idee, die Instrumentals alle auf »Zelda«-Samples aufzubauen?
Das war meine Idee. Ich bin ein großer Fan davon, einen roten Faden zu haben. Auf der letzten EP waren das die Film-Schnipsel und jetzt ist es »Zelda«. HawkOne fand die Idee am Anfang nicht so geil, aber konnte sich dann immer besser damit identifizieren. Er hat einen ziemlich guten Sound gezaubert, der anders klingt als meine vorherigen Sachen. Ich freue mich, dass die EP gar nicht so boombappig klingt. HawkOne ist ohnehin gruselig. Es gibt keinen Produzenten, der so krass auf meinen Geschmack eingehen kann. Es ist, als würde er in meinen Kopf gucken können.

 

Realisierst du so einen roten Faden demnächst mal auf Albumlänge?
Es kommt auf jeden Fall ein Album. Aber ein Konzept auf dieser Länge durchzuziehen, wird natürlich schwierig. Vielleicht ist das dumm, aber ich habe hohe Ansprüche an das erste Album. Das liegt vielleicht auch an meiner Prägung. Nas, Mobb Deep und so weiter haben alle Debüts veröffentlicht, die heute Klassiker sind. Das möchte ich auch. Wahrscheinlich wird das Ende nächsten Jahres mal was. Momentan fühle ich mich in diesem EP-Rahmen aber wohl.

 
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»Das Leben Das Universum Und Der Ganze Rest« erscheint am 1. Mai um 14 Uhr zum kostenlosen Download über johnnyrakete.de. Parallel dazu gibt’s auf JUICE TV die Premiere von »Alles ist gut«.
 

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