»Man muss das Positive sehen, denn aus der Scheiße kommst du ohnehin nicht raus« // Said im Interview

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Said ist alles andere als ein Neuling im deutschen Rap: Bereits seit 2001 ist der Neuköllner Rapper-slash-Hustler im Geschäft, tauchte zunächst an der Seite von Kalusha auf, veröffentlichte mit seinem Partner Jom ein Album über Aggro Berlin und hat eines der furchteinflößendsten »Halt die Fresse«-Videos der Geschichte auf der Habenseite. Seit einiger Zeit führt er sein eigenes Label Hoodrich, wo dieser Tage auch sein zweites Soloalbum »Zum Leben verurteilt« erscheint – ein ernstes, ehrliches und sehr persönliches Straßenrap-Album, das endlich auch mal einem größeren Publikum zeigen soll, worum es Said geht. Dass er bislang unter dem Radar vieler Rap-Fans flog, hat dabei einen simplen Grund: Said teilt nicht jede Befindlichkeit und Mahlzeit via Facebook, Instagram und Twitter und hält auch ganz ausdrücklich nix von übertriebenen Promo-Stunts – er hat wichtigere Dinge zu tun. Musik zum Beispiel.

Du hast 2001, nach einem Gefängnisaufenthalt, angefangen zu rappen.
Ja, da ging es für mich professionell los. Vorher durfte ich mal bei Harris mitkommen und hatte dadurch Kontakt zur Materie. Aber im Studio war ich erst nach der Haftstrafe. Im Knast hab ich auch Kalusha kennen gelernt, und er hat mir dann beigebracht, wie man Doppelreime schreibt und so weiter.

War das zu der Zeit, als Kalusha eigentlich sein Album hätte promoten sollen, aber dann ins Gefängnis kam?
Ja, genau. Er wollte ein Feature mit Eko aufnehmen, fuhr da unten ohne Führerschein rum, wurde erwischt und kam direkt in Abschiebehaft. Jedenfalls hat mir Kalusha die Möglichkeit gegeben, die richtigen Leute kennen zu lernen, zum Beispiel Kay Mason. Der wusste, wie man aufnimmt, wie man produziert und so. Und nachdem Kalusha abgeschoben wurde, hat er sich um mich gekümmert, was das Musikalische angeht.

Wie ernst hast du Rap damals genommen?
Anfangs hab ich mir nicht viel davon versprochen. Aber ich versuche, alles, was ich in meinem Leben anfasse, richtig zu machen. Ich hörte halt Sachen, bei denen ich mir dachte: Das kann ich besser. Oder Rapper, die versuchten, ein bestimmtes Image zu verkörpern, aber in echt gar nicht so waren. Ich dachte mir: Okay, das ist eigentlich genau das, was ich gerade lebe, also sollte das auch von so einer Person wie mir kommen. Aber ich hatte noch gar keine Ahnung, wie man Songs schreibt. Und das hab ich damals eben alles gelernt.

Das erste Mal, dass du größere Aufmerksamkeit bekamst, war durch das Jom & Said-Album. Das kam über Aggro, aber im Gegensatz zu den anderen Aggro-Alben steckte da offensichtlich kein besonderer Promo-Plan dahinter.
Ja, genau so ist das auch abgelaufen. Wobei ich auch verstehen kann, dass es Leute wie ich in dem Geschäft schwerer haben: Als Label kannst du zwar in einen authentischen Künstler investieren, aber der ist dann vielleicht so authentisch, dass er gleich im Knast landet – wie das eben bei Kalusha passiert ist. Ich hab damals mein Geld eigentlich nur durch Scheißebauen verdient. Und bis ich in den Knast kam, dachte ich auch, dass Drogenverkaufen das Einzige ist, was ich kann. Außerdem konnte man damals nicht einfach zu Hause Platten aufnehmen, da musste man noch in ein richtiges Studio – und das war für mich damals total respekteinflößend. Ich war nervös, aufgeregt, überall hingen goldene Platten an der Wand. Die Möglichkeit, Musik aufzunehmen, hast du nicht umsonst bekommen. Du musstest entweder jemanden kennen oder du hattest Geld. Kay Mason hat auch nicht umsonst gearbeitet, also haben wir viel gehustlet. Damals hab ich mit Jom ja auch Straßenbusiness zusammen gemacht.

Wie seid ihr dann zu Aggro gekommen?
Wir haben das ganze Produkt fertig gemacht. Wir haben 25.000 Euro in Studio-Equipment investiert, weil wir keine Ahnung hatten. Der Produzent hat eine Liste gemacht, was er alles braucht – und wir haben das alles gekauft: Einen G4 und Adam-Boxen, das Stück für 1.800 Euro. 3.600 Euro für Boxen! (lacht) Dafür haben wir Tag und Nacht Drogen verkauft – nur, damit wir Musik machen können! Nach vier Monaten Einschluss bei Jom hatten wir das Album fertig und sind damit shoppen gegangen. Ich war damals noch grün hinter den Ohren, wollte aber unbedingt zu Aggro. Ich hatte ehrlich gesagt Angst vor dem Business, und dachte mir: Die von Aggro sind von der Straße, kennen sich aus und machen keine Scheiße. Auf der Straße gibt’s halt nix Kleingedrucktes. Jedenfalls hatten wir dann ein paar Gespräche, aber nach einer Weile haben die Jungs mich da dann rausgehalten. (lacht) Einmal waren wir bei Aggro, da ging es um einen Bandübernahmevertrag. Die nannten dann eine Summe, 16.000 Euro oder so. Und ich meinte: Ey, so viel hab ich gerade selber in der Hosentasche. Das war vielleicht ein bisschen großkotzig, aber ich wollte mich eben nicht unterbuttern lassen. Da meinte Specter: Das glaube ich dir nicht. Also hab ich meinen Batzen Geld auf den Tisch gepackt. Da haben die wohl gemerkt: Die hätten mich nicht so unter Kontrolle, wie sie das gerne hätten. Seitdem haben die das Thema eher vorsichtig behandelt. Sie wollten das Album unbedingt haben, gaben sich mit der Promo aber nicht wirklich Mühe – wie du ja auch dann mitbekommen hast. Also haben wir auch viel selber gemacht: U-Bahn-Werbung, Sticker, Plakate, einfach Geld ausgegeben, um was zu erreichen.

Dann kam erst eine Weile gar nix, aber seit 2010 veröffentlichst du regelmäßig Musik.
Aggro hat eben Recht behalten: Gleich nach der Albumproduktion wurde Jom festgenommen und ging für zwei Jahre in den Knast. Und ich stand dann da mit einem halben Album: Ich konnte ja nicht auftreten, mit so einem Haufen Sechzehner und halben Hooks. (lacht) Also musste ich wieder von vorne anfangen. Das andere Business lief zu der Zeit krass, da war ich ziemlich eingebunden. Dann ist meine Mum erkrankt und leider auch gestorben. Das hat die ganze Sache eben sehr in die Länge gezogen.

Und dann kam Hoodrich.
Ja, ich hatte die Idee schon sehr lange, hatte aber nicht die richtigen Leute dazu – die kamen erst nach und nach. Die Idee hatte ich durch »Scarface«, dieses Tellerwäscher-Milionär-Ding. Ich komme halt aus Neukölln, mein Vater wurde abgeschoben, meine Mutter war alleinerziehend. Wenn wir einen Ferrari auf der Straße gesehen haben, sagte meine Mutter: So was wirst du dir nie im Leben leisten können. Ich hab mir dann ausgerechnet, was ich jeden Monat sparen müsste, um mir einen Ferrari kaufen zu können. Meine Möglichkeiten waren eben beschränkt. Nur weil damals jemand an mich geglaubt hat und mich in das Business mit reingenommen hat, hatte ich halt eine Chance. Um Gras zu verkaufen, brauchst du keine besonderen Qualifikationen oder Abschlüsse – da zählt nur dein wirtschaftliches Talent. Letztendlich ist das wie eine Firma, die läuft aber eben illegal. Aber sonst läuft alles wie in einer normalen Firma: Mitarbeiter, Bestellungen, Lieferanten, dies, das. Und so konnte ich es mir halt irgendwann leisten, in die Bergmannstraße zu ziehen. (grinst) Und das war für mich dann schon hoodrich, der Einäugige unter den Blinden.

Du hattest ja dieses HDF-Video zusammen mit Kalusha. Ich fand dich da ziemlich angsteinflößend, wenn ich ehrlich bin.
Echt? Ich verstehe gar nicht, warum alle immer so krass Angst vor mir haben … (lacht)

Jedenfalls wirkte die ganze Hoodrich-Sache viel bunter und besser gelaunt.
Ich habe ja auch nicht die ganze Zeit schlechte Laune! Aber natürlich spiegelt sich mein Leben auch in meiner Musik wider, es gibt schon viele Tage, an denen es mir nicht gut geht. Nachdem meine Mum gestorben ist, habe ich aber gemerkt, wie schnell das alles gehen kann. Und dann überlegt man eben, ob man alles verbittert durchzieht oder einfach das Beste daraus macht. Man muss das Positive sehen, denn aus der Scheiße kommst du ohnehin nicht raus.

Was bedeutet dein Albumtitel eigentlich?
»Zum Leben verurteilt« bedeutet: Dein Leben ist etwas, was du machen musst. Da kommste nicht drumrum. Mit allen Schattenseiten und allem, was dazugehört. Ich bin nicht der große Punchline-König, meine Texte sind immer aus dem Leben gegriffen. Mein Album ist auch sehr persönlich geworden, es ist hundert Prozent Said. Natürlich war der letzte Winter sehr, sehr lang, das Album neigt deswegen auch zu ernsten Themen und ist auch ziemlich aggressiv. Aber als am Ende die Sonne anfing zu scheinen, hab ich es geschafft, auch noch zwei leichtere Songs zu schreiben. (lacht)

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