HipHop & Elections: Fuck Trump – or be like Trump? // Feature

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No doubt: HipHop ist von seiner DNA her politisch. Dabei ist das »CNN of the ghetto« durch Abgrenzung vom politischen Mainstream gekennzeichnet. Der Präsident war stets ein Feindbild, mit Ausnahme des noch amtierenden. Nicht zuletzt das popweltliche Movement für Obama – das mit Jigga, Jeezy und will.i.am besonders engagierte Kampagnenführer aus der Rap-Prominenz hatte – beförderte den Black Man 2008 ins White House. Müsste anno 2016 nicht dieselbe politische Kraft entflammt werden, nur vice versa – als Protest gegen Donald Trump? Denn wenn Obama als erster Afro-­Präsident für einen historischen Schritt steht, würden die USA mit Minderheitenbeschimpfer Trump einen historischen Sprung zurückmachen. Also warum ist HipHop bis auf ein lautes »Fuck ­Donald Trump« aus Bompton so still im Wahljahr Zwo-Sechzehn? Open the history books.

HipHop ist ja nicht nur in den USA geboren, es ist in seiner Wesensart auch zutiefst amerikanisch. Und was liebt der Amerikaner besonders? Eine gute Erfolgsgeschichte. Um den US-amerikanischen Rags-To-Riches-Mythos zu erklären, könnte ein Englischlehrer seinen Schülern einen Raptext nach dem anderen vorspielen. Donald Trump dient seit Ende der Achtziger als das unschlagbare Symbol materiellen Erfolgs für all die MCs, die vom Cash Flow träumen oder bereits mit ihm angeben. Als erschreckende Zukunftsvorhersage entpuppt sich dabei eine der ersten Trump-Referenzen 1989. »I did a concert in the White House/And after that me and Donald Trump hung out«, rappte Donald D damals auf dem Ice-T-Track »My Word Is Bond«. Nach den Präsidentschaftswahlen am 8. November 2016 muss er zum Abhängen mit Trump womöglich nicht mal mehr die Location wechseln …

Make Dope Like Trump

Die Lyrik-Datenbank Genius zählt seit 1989 über 250 Rapsongs mit Trump-Referenzen, und bis 2014 sind davon über 60 Prozent positiv, wie eine Studie des FiveThirtyEight-Magazins herausfand. Die kalifornische Consciousness-Rap-Truppe The Coup forderte Trump 1993 auf, sein Vermögen rauszurücken, weil es ohnehin nur auf dem Rücken afroamerikanischer Vorfahren entstanden sei. Der Tenor: Slaves made America rich. Solche Äußerungen waren eine Rarität – jedenfalls im Zusammenhang mit Trump. Sich selbst den Beinamen »Black Trump« zu verpassen, hat dagegen Tradition – beispielsweise tat das Raekwon 1995, Yung Joc rund zehn Jahre später. Young Jeezy nannte sich »Donald Trump in a white tee and white 1s« und benannte 2011 ­einen ganzen Song nach Trump. Auch das hat Tradition: Gucci Mane & Young Thug taten das, Raz Fresco auch – und wer kennt nicht Mac Millers Platin-Hit? Kurzum: »Put more cash in pockets like Donald Trump« (Master P) ist die Standard­fantasie in den Köpfen von Rappern.

 

Trump zu opponieren, bedeutet deswegen einen Tradi­tionsbruch – und dieser kommt immer häufiger vor. Seit der Immobilienmogul in die Politik eingestiegen ist, haben sich die negativen Trump-Erwähnungen vervierfacht. Die Hälfte aller Trump-Referenzen von 2014 bis 2016 ist nach den FiveThirtyEight-Daten negativ. Rick Ross etwa, der sein eigenes Maybach-Imperium so häufig wie kein zweiter mit Trumps Vermögen verglichen hat, drohte auf seinem diesjährigen Mixtape »Black Market« damit, einen Attentat auf den republikanischen Präsidentschaftskandidaten zu verüben. Mac Miller setzte dem einstigen Zelebrieren von Trumps Milliardärsstatus klare Worte entgegen und beleidigte Trump in einer Late-Night-Show als »rassistischen Hurensohn«. Parallel dazu hat die Glorifizierung von Trump Bestand. Lines wie »I fantasize shooting Trump down« (T.I.) reihen sich neben Anthems wie »Up Like Trump« (Rae Sremmurd). So ganz kann sich die amerikanische Szene also nicht von ihrem Wohlstandsvorbild verabschieden. Deswegen bleibt der ganz große Protest aus – da mag Trump noch so sehr gegen das »Black Lives Matter«-Movement wettern, die Polizeimorde an Afroamerikanern verteidigen oder sich nicht deutlich vom KKK distanzieren.

Was die Zurückhaltung gegenüber Trump aber noch mehr erklärt, ist die demokratische Gegenkandidatin. Schließlich sagt auch YG erstmal nur: »Fuck Trump« – und nicht: »Vote for Hillary«. Auf dem Remix von YGs Protesthymne »FDT« äußert Macklemore zwar, er würde auf der Straße feiern, wenn Hillary gewinnt – damit ist er aber ziemlich alleine. Im Rap-Kosmos wird Clinton eher als Vertreterin des verkorksten politischen Systems gesehen, das die Sorgen des kleinen schwarzen Manns ohnehin ignoriert. Über absurde Pro-Hillary-Lines wie »Hillary hit the dab, I’ma vote« (Rich Da Kid) geht es deswegen auch nicht hinaus. Während Donald Trumps goldbepflasterter Werdegang als Wunschbild betrachtet wurde, standen Bill Clinton und seine First Lady Hillary im Feuer der Rap-Lyrics. Am deutlichsten wird dieser Gegensatz auf Method Mans »Tical 2000«-LP: Während Donald Trump hier auf einem nach ihm benannten Skit höchstpersönlich Props an Method Man austeilen darf, hängt Letzterer den Clintons Verschwörungen an: »Bad vibes filling me with thoughts of conspiracy/White Water scandals with Bill Clinton, Hillary«. 2008, als Hillary Clinton erstmals im Präsidentschaftsrennen mitmischte, hatte sie es nicht leichter. Als demokratische Gegenkandidatin von Obama konnte sie Sympathien seitens der Rap-Community vergessen.

Gleichzeitig ist es bei vielen Afroamerikanern gang und gäbe, Pro-Clinton zu sein. Die grundsätzliche Antihaltung vieler politischer Rapper spiegelt ja nicht die Meinung der gesamten Community wider. Bill Clintons Präsidentschaft 1993 bis 2001 wird von vielen als wirtschaftliche Aufschwungszeit in den afroamerikanischen Haushalten wahrgenommen, Clinton stellte zahlreiche Dunkelhäutige als Vertraute ein und sprach sich häufig für eine Politik aus, die die Situation für Minderheiten verbessert. All das färbt noch heute auf die ehemalige First Lady ab. Für das Dutzend Rapper, das sich inzwischen doch öffentlich für Clinton ausgesprochen hat – so wie Pharrell, Young Jeezy, Ja Rule und 50 Cent –, spielt die Politik des Ehemanns aber kaum eine Rolle. »Niemand sagt groß etwas über Hillary – außer, dass sie eine Frau ist«, beobachtete der stets politisch engagierte Lil’ B in einem Interview mit CNN. »Das ist für mich dasselbe wie damals, als Obama kandidierte – mit dem Unterschied, dass Obama anscheinend eine bescheidenere Persönlichkeit hatte.« Rapper, so wie viele andere amerikanische Bürger, supporten Clinton also nur, weil sie mal eine Frau im Oval Office sehen wollen? Und inwiefern wäre das jetzt dasselbe wie bei Obama?

Colors

Als die HipHop-Welt 2008 erstmalig zum Wahlhelfer bei den Präsidentschaftswahlen wurde – mit Ausnahme von P. Diddys 2004 losgetretener und oft verulkter »Vote Or Die«-Kampagne –, da gründete sich der Support für Obama auf Oberflächlichkeiten: Die Obama-Hymne hieß eben »My President Is Black« und nicht »The Hoods Need Health Insurance«. Es ging vor allem um die Hautfarbe, nicht um Inhalte. Gut, in einem rassenfokussierten Land wie den USA mag die Ethnie keine Oberflächlichkeit sein, weil sie hier lange zwischen Erniedrigung und Privilegierung entschieden hat – letztendlich ist die Besessenheit mit der Rassendiskussion aber auch ein wichtiger Grund, warum Demokrat Bernie Sanders die afroamerikanischen Kommunen nicht binden konnte wie Obama. Er ist halt keiner von ihnen.

 
Wirklich Partei ergriffen für Sanders haben deswegen ausschließlich Rapper, die bekannt dafür sind, hinter die Fassade der Hautfarbe zu gucken – Leute wie Killer Mike. Der war nicht nur mit Sanders medienwirksam Soul Food in einem ATL-Diner essen, sondern hat auch Wahlkampfveranstaltungen von Clintons Parteirivalen eröffnet mit Worten wie: »Ich bin hier als Befürworter einer politischen Revolution, die sagt: Medizinische Versorgung ist ein Bürgerrecht. Ich bin hier, weil die Arbeiterklasse und die armen Leute eine Chance auf wirtschaftliche Freiheit verdienen.« Auch Big Boi sprach sich für Sanders aus, weil dieser eine Reform des teilprivatisierten Gefängnissystems anvisierte. Wollen nicht gerade das auch unzählige andere Rapper? Dürfte Sanders’ sozialistisches Programm ihnen nicht aus der Seele sprechen, wo sie doch um die schweren Aufstiegschancen als Jungs aus der Hood wissen? Vielleicht hätten das einige noch realisiert, wenn Sanders tatsächlich der demokratische Präsidentschaftskandidat geworden wäre. Dafür ist es aber bekanntlich zu spät.

Statt also geschlossen für oder gegen etwas einzustehen, gibt sich die Rapwelt bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen eher paralysiert. Trump ist dreckiges Schwein und goldenes Kalb in einem, Clinton spart sich die rassistische Rhetorik, steht aber für den traditionell verhassten politischen Apparat – und war mal Rivalin des vermeintlichen Heilsbringers Obama. Was tun? Viele MCs scheinen sich auf eines zu besinnen: Abwarten. Und 2020 Kanye wählen. ◘

Text: Gordon Wüllner
Illustration: Jan Feindt

Dieses Feature ist erschienen in JUICE #177. Die aktuelle Ausgabe gibt’s jetzt im Handel oder hier versandkostenfrei im Shop.

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