Haftbefehl & Xatar (Coup) – Der Holland Job // Review

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coup

(Four Music / Universal)

PRO

Wertung: Fünf Kronen

Ein Wort: Blockbuster. Also, was für Albumkritik? Aber okay, wenn’s sein muss … Lass mich kurz Luft holen. Stimmt schon, es hätte schiefgehen können. Zu groß die Egos, zu knapp die anberaumte Produktionsphase, zu aufgeblasen das Gesamtkonzept inklusive Ölgemälde-Cover und Kunstraub-Actionfilm. Vor allem aber: zu verschieden die musikalische Grundausrichtung beider Protagonisten. Aber Entwarnung, Cho: Chemie iz da, seit sich der junge Haftbefehl und ein RTL-Zu­schauern noch nicht als Goldräuber bekann­ter Xatar 2008 auf einer Party kennengelernt haben. Dementsprechend bleibt acht Jahre später einzig die musikalische Marschroute ein Kompromiss – wohlgemerkt einer, der kaum danach klingt. Weder der runtergeschraubt-düstere Banlieue-Sound von »Unzensiert«, noch der organische Breitbein-­Funk von »Baba aller Babas« wurden im Frankfurter Labor neu aufgekocht. Stattdessen gelingt ein knallendes Explosivgemisch, auf dem sich Original Azzlack und AON-Baba als eingespieltes Team entpuppen. Bis Track vier ist »Der Holland Job« eine Verfolgungsjagd auf dem Standstreifen bei Tempo 220. Erst »Paranoid« senkt kurz den Blutdruck, nur damit Brenk Sinatra auf »Kanack« die Halsschlagader erneut anschwellen lässt, ehe Bazzazian und Farhot (alias Die Achse) einen Beatswitch später Nackenschellen verteilen. Den Bereich zwischen 95 und 100 BPM verlassen Coup im Laufe der LP nur in Ausnahmefällen. Statt eintönig zu wirken, geht das Konzept auf: Die gewählte Schlagzahl erzeugt drückende, kurzweilige Songs, deren energischer Delivery sich der Hörer kaum entziehen kann. Auch textlich ergänzt man sich bestens: Im Wechselspiel werden Batzen gemacht und verprasst, Widersacher eliminiert und Weißes zu Steinen verarbeitet. Der Musikvideo-Actionstreifen, der das Album kinematografisch begleitet, wird dadurch fast überflüssig. Wer sich den Dreiteiler dann doch rein­zieht, merkt vor allem eines: Kopf­kino mit Kopf­nick-Garantie – das beherrschen Xatar und Haftbefehl wie niemand sonst hierzulande.

Text: Jakob Paur

 

Contra

Wertung: Drei Kronen

Es ist Ironie des Schicksals, dass Haftbefehl und Xatar einen erheblichen Teil ihres Lebens dafür aufgewendet haben, für die nötigen Scheine in der Pusher-Bag Dinger zu drehen und jetzt dafür bezahlt werden, das auf legalem Wege zu tun. »Der Holland Job«, auf dem sie sich gemeinsam schlicht Coup nennen – wahrscheinlich, weil man das Gegnern besser ins Gesicht dreschen kann –, drehen sie als unnahbare Gangster am Rad. Das Album ist Actionkino, dem Nitroglyceringeruch anhaftet – das beweisen schon die ersten vier Tracks, deren brachiale Bässe mit einer solchen Wucht auf einen einprasseln, dass keine Zeit bleibt, sich zu sammeln. »Wo sind die Batzen«, fragen Hafti und Xatar wie unter Strom – und es scheint ihnen völlig egal zu sein, dass sie überfordern. »Gib Geld«, schreien sie, während sich ein sirenenartiger Synthie ins Ohr bohrt – bis er nur noch für all die Hartgesottenen zu ertragen ist, deren Wohnung im Frankfurter Bahnhofsviertel liegt. Die endgültige Überdosis bringt dann Haiyti, die in beängstigend hohem Tonfall deutlich macht, dass man nun wirklich Geld geben solle – anders ist dieser Track womöglich nicht zu stoppen. Zum Glück kommt dann der Cut. Denn »Der Holland Job« ist nicht »Alarm für Cobra 11«, nicht nur plakativ und laut. Plötzlich beginnt das Album zu reifen, klingt immer weniger nach zwei Jungs, die mit ihrer Musik jedem die Zähne aus­schlagen wollen. Die Post-BoomBap-Produktionen von Brenk und Die Achse bleiben progressiv, aber auf eine angenehme Art gefasst. Andererseits hat man trotz bildgewaltiger Erzählungen die ganze Zeit das Gefühl, dass sowohl Haftbefehl als auch Xatar auf diesem Album Kompromisse eingehen mussten. Funktionieren zwei so starke Charaktere womöglich einfach nicht nebeneinander? So ist es nun auch nicht: Das Kollabo-Projekt strotzt vor Explosionen und Energie, es hätte durchaus zum dauerrotierenden Blockbuster werden können – wären da nicht die immer wieder aufblitzenden uninspirierten und anstrengenden Szenen.

Text: Kilian Peters

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